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Minimale Resterkrankung (MRD)

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

<p class="article-intro">Der Nachweis residualer Tumorzellen bei Krebspatienten erlangt immer mehr Bedeutung. Vor allem bei Leukämiepatienten hat die MRD-Messung bereits den klinischen Alltag erreicht. Mit der Anwendung bei onkologischen Erkrankungen ist in naher Zukunft zu rechnen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Durch MRD-Messung kann bei Leuk&auml;mien das Therapieansprechen &uuml;berwacht und ein R&uuml;ckfall fr&uuml;hzeitig erkannt werden.</li> <li>Bei ALL verl&auml;ngert eine MRDgesteuerte Therapieplanung das &Uuml;berleben der Patienten.</li> <li>Neue Technologien werden k&uuml;nftig den Einsatz von MRDMessungen bei soliden Tumoren erm&ouml;glichen.</li> </ul> </div> <p>Als minimale Resterkrankung (&bdquo;measurable residual disease&ldquo;, MRD) bezeichnet man maligne Zellen in Patienten, die durch therapeutische Intervention eine komplette Remission (CR) erreicht haben.<sup>1</sup> Daf&uuml;r sind h&ouml;chst sensitive Methoden erforderlich. Durch die MRD-Messung werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Kontrolle des Therapieansprechens mit Reevaluierung des Risikos und Fr&uuml;herkennung von Rezidiven mit der M&ouml;glichkeit einer pr&auml;emptiven Therapie. <br />Grunds&auml;tzlich gewinnt MRD bei allen malignen Entit&auml;ten immer mehr an Bedeutung, deren Messung wird aber derzeit meist nur im Rahmen von klinischen Studien durchgef&uuml;hrt. Bei akuten Leuk&auml;mien hat die MRD-Bestimmung aus Blut und Knochenmark allerdings bereits Einzug in den klinischen Alltag gehalten.</p> <h2>Nachweismethoden</h2> <p>Bei akuten lymphatischen (ALL) und myeloischen Leuk&auml;mien (AML) stellt sich die Situation wie in Abbildung 1 (Seite 30) dar: Bei Diagnose sind bis zu 10<sup>12</sup> leuk&auml;mische Blasten im Knochenmark vorhanden, die durch die Therapie reduziert werden. Die Nachweisgrenze der Zytomorphologie liegt bei 5 % Blasten, dies entspricht dem Erreichen der h&auml;matologischen CR. Bei weiterer Reduktion der leuk&auml;mischen Zellen beginnt der MRD-Bereich: Bis etwa 10<sup>&ndash;4</sup> kann mit den derzeit verf&uuml;gbaren Methoden zuverl&auml;ssig quantifiziert werden, die Nachweisgrenze selbst liegt bei 10<sup>&ndash;6</sup> bis 10<sup>&ndash;7</sup>. Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass ein MRD-negatives Ergebnis bedeutet, dass die Sensitivit&auml;tsgrenze des Testsystems unterschritten wurde, aber durchaus noch MRD vorhanden sein kann. Weiters ist zu beachten, dass bei einer Sensitivit&auml;t von 10<sup>&ndash;6</sup> zumindest eine Million Zellen analysiert werden m&uuml;ssen. <br />Alle Nachweismethoden haben ein Kriterium gemeinsam: Es wird ein spezifischer Marker ben&ouml;tigt, um die leuk&auml;mischen Zellen von den normalen Zellen des h&auml;matopoetischen Systems unterscheiden zu k&ouml;nnen. Dies k&ouml;nnen Proteine sein, die auf der Zelloberfl&auml;che vorhanden sind und die mittels Durchflusszytometrie nachgewiesen werden k&ouml;nnen. Es handelt sich dabei um eine aberrante Kombination der Oberfl&auml;chenmarker, die auf normalen Zellen nicht vorkommt und als Leuk&auml;mie-assoziierter Immunph&auml;notyp (LAIP) bezeichnet wird. Die Vorteile dieser Analyse sind die breite Verf&uuml;gbarkeit in vielen Laboren, die Anwendbarkeit auf viele Leuk&auml;mieformen sowie die rasche und kosteng&uuml;nstige Durchf&uuml;hrung. Allerdings ist mit den g&auml;ngigen Ger&auml;ten (3&ndash;4 Farben) eine nur geringe Sensitivit&auml;t von ca. 10<sup>&ndash;3</sup> erreichbar. <br />Die h&ouml;chste Sensitivit&auml;t f&uuml;r die MRD-Analyse wird mit molekularbiologischen Methoden erreicht, in erster Linie mit der Polymerasekettenreaktion (PCR). Meist werden genetische Ver&auml;nderungen in der Leuk&auml;miezelle als Marker verwendet. Dabei handelt es sich vorwiegend um Genfusionen, die durch chromosomale Translokationen entstanden sind. Dadurch schr&auml;nkt sich die Anwendbarkeit auf jene Patienten ein, deren Leuk&auml;mie von entsprechenden Ver&auml;nderungen getragen ist. Bei Patienten mit ALL k&ouml;nnen klonale Immunglobulin- und T-Zellrezeptor-Gene mittels PCR nachgewiesen werden, indem f&uuml;r jeden Patienten spezifische Assays entwickelt werden. Insgesamt wird mit PCR eine Sensitivit&auml;t von bis zu 10<sup>&ndash;6</sup> erreicht, allerdings sind diese Analysen nur in speziellen und erfahrenen Laboren m&ouml;glich. <br />Neue Technologien wie &bdquo;next generation flow&ldquo; (Durchflusszytometrie mit 8&ndash;12 Farben, NGF) und &bdquo;next generation sequencing&ldquo; (Hoch-Durchsatz-DNA-Sequenzierung, NGS) versprechen zwar bessere Sensitivit&auml;ten, die Anwendbarkeit muss aber erst noch in der klinischen Praxis gezeigt werden.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s30_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="1133" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Klinische Relevanz</h2> <p>In zahlreichen retrospektiven Analysen konnte gezeigt werden, dass das Ma&szlig; an Reduktion der MRD durch die Therapie bei akuten Leuk&auml;mien prognostisch relevant ist. Man kann daher erwarten, dass bei Patienten mit gutem MRD-Ansprechen und einem geringen Rezidivrisiko die Standardtherapie f&uuml;r die Heilung ausreicht. Bei jenen Patienten aber, die aufgrund der MRD ein hohes Risiko haben, ist eine Therapieintensivierung, vor allem mit allogener Stammzelltransplantation, indiziert. Bei Patienten mit ALL wurde von mehreren Studientruppen in prospektiven Studien gezeigt, dass eine MRD-gesteuerte Therapieplanung das &Uuml;berleben verl&auml;ngert, daher wird dies mittlerweile in der klinischen Routine angewandt. Bei AML sind nur wenige prospektive Daten publiziert, allerdings gibt es aktuell eine Vielzahl an klinischen Studien, die MRD-Messungen im Studienprotokoll aufweisen. Dies hat dazu gef&uuml;hrt, dass das Europ&auml;ische Leuk&auml;mienetzwerk 2018 eine klare Empfehlung von MRD-Messungen bei Patienten mit AML, auch au&szlig;erhalb von klinischen Studien, abgegeben hat.<sup>3</sup><br />Nach Ende der Therapie sollten zumindest in den ersten beiden Jahren regelm&auml;&szlig;ig MRD-Messungen erfolgen. Je nach Leuk&auml;mieform und Marker kann ein molekulares Rezidiv bis zu 4 Monate vor dem h&auml;matologischen R&uuml;ckfall entdeckt werden. Dies erm&ouml;glicht den Klinikern, noch zu einem Zeitpunkt therapeutisch zu intervenieren, an dem die Tumorlast gering ist. Allerdings fehlen auch zu diesem Punkt noch prospektive Daten, die einen Vorteil dieser Strategie im Vergleich zur Therapie des h&auml;matologischen Rezidivs beweisen.</p> <h2>Ausblick</h2> <p>Bei Leuk&auml;mien ist der MRD-Nachweis naturgem&auml;&szlig; relativ einfach, da sich die residualen Tumorzellen meist im Blut und Knochenmark nachweisen lassen und diese Proben leicht zu gewinnen sind. Schwieriger gestaltet sich die Situation bei soliden Tumoren: Zwar ist schon lange bekannt, dass einzelne Tumorzellen (&bdquo;circulating tumor cells&ldquo;, CTC) &uuml;ber das Blutund Lymphgef&auml;&szlig;system im K&ouml;rper verteilt werden k&ouml;nnen, da deren Zahl aber gering und die Lebensdauer &auml;u&szlig;erst kurz ist, gestaltet sich deren Nachweis als sehr schwierig. <br />Ebenso bekannt ist die Tatsache, dass die DNA von abgestorbenen Tumorzellen (&bdquo;cell-free DNA&ldquo;, cfDNA) im Blutplasma nachweisbar ist. Sind genetische Ver&auml;nderungen des Tumors bekannt, dann k&ouml;nnen diese als Marker f&uuml;r einen PCR-Nachweis verwendet werden. Da jedoch die Genetik von soliden Tumoren in der Regel &auml;u&szlig;erst komplex ist, m&uuml;ssten zahlreiche PCR-Tests parallel durchgef&uuml;hrt werden, um die einzelnen Mutationen zu detektieren. Dies ist zu aufwendig f&uuml;r einen Einsatz au&szlig;erhalb von klinischen Studien. <br />In den vergangenen Jahren hat die Technologie der DNA-Sequenzierung einen rasanten Fortschritt gemacht. Mit NGS k&ouml;nnen gleichzeitig zahlreiche Mutationen mit hoher Sensitivit&auml;t nachgewiesen werden. Dies er&ouml;ffnet erstmals die M&ouml;glichkeit, MRD auch bei soliden Tumoren in der klinischen Routine einzusetzen. Denkbar ist, analog zu den Leuk&auml;mien, mit &bdquo;liquid biopsy&ldquo; (Abb. 2) aus dem Blut den genetischen Hintergrund des Tumors zu bestimmen, therapeutische Ziele zu erfassen und schlie&szlig;lich das Ansprechen auf die Therapie zu &uuml;berwachen. Zahlreiche Publikationen haben die Durchf&uuml;hrbarkeit dieses Ansatzes bereits gezeigt, und es ist nur noch ein kleiner Schritt bis zur breiten Anwendung der &bdquo;liquid biopsy&ldquo; in der Onkologie.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s30_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1005" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Luskin MR et al.: Nat Rev Cancer 2018; 18: 255-63 <strong>2</strong> Br&uuml;ggemann M et al.: Blood Adv 2017; 1(25): 2456-66 <strong>3</strong> Schuurhuis GJ et al.: Blood 2018; 131(12): 1275-91 <strong>4</strong> Bardelli A et al.: Cancer Cell 2017; 31(2): 172-9</p> </div> </p>
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