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„Die Murano-Studie wird die CLL-Leitlinien verändern“
Jatros
30
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01.03.2018
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<p class="article-intro">Im Bereich der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) gab es am ASH Annual Meeting 2017 Daten, die durchaus als „practice-changing“ zu verstehen sind. Univ.-Prof. Dr. Philipp Staber fasst im Interview mit <i>JATROS Hämatologie & Onkologie</i> die aus seiner Sicht relevantesten Ergebnisse zusammen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Am ASH Annual Meeting wurden in der LBA Session die Ergebnisse der Kombinationstherapie mit Rituximab und Venetoclax in der MURANO-Studie präsentiert. Wie schätzen Sie die Relevanz dieser Daten ein?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Die Daten aus der MURANO-Studie sind für den Kliniker überaus relevant. Diese Studienergebnisse werden zu einer Änderung unserer Leitlinien in der Zweitlinie führen. Die MURANO-Ergebnisse sind übrigens die ersten Daten zum Bcl-2-Inhibitor Venetoclax aus einer randomisierten Phase-IIIStudie. Die Unterschiede zum Standardarm R-Bendamustin sind überwältigend und drücken sich nicht nur im progressionsfreien Überleben, sondern auch im Gesamtüberleben der Patienten aus.</p> <p><strong>Es wurden darüber hinaus Präsentationen zu Resistenzmechanismen auch gegenüber den neuen Substanzen (Venetoclax, Ibrutinib, Idelalisib etc.) vorgetragen. Gibt es da klinisch relevante Daten?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Resistenzmechanismen unter Idelalisib und Venetoclax sind im Wesentlichen weiterhin unbekannt. Anders sieht es bei dem BTK-Inhibitor Ibrutinib aus. Ein bereits beschriebener Mechanismus ist die mikroevolutionäre Selektion von Klonen mit einer BTKMutation oder einer Mutation des unmittelbar nachgeschalteten PLC Gamma2. Ein Vortrag aus unserer Arbeitsgruppe, präsentiert von Greg Valdimer, konnte darüber hinaus zeigen, dass durch die Therapie mit Ibrutinib neue Gengruppen epigenetisch aktiviert werden, die wiederum durch Proteasom- und mTORInhibitoren spezifisch blockiert werden können. Das erlaubt neue mechanistische Konzepte zu sinnvollen Kombinationstherapien.</p> <p><strong>Das aktuelle Therapieziel in der CLL ist die MRD-Negativität. Können wir dieses Ziel durch Kombinationstherapien erreichen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Durch smarte Kombinationstherapien, wie z.B. Anti-CD20 und Venetoclax oder andere, können wir sehr tiefe, sog. MRD-negative Remissionen erreichen. Diese gehen mit einem deutlich längeren progressionsfreien Überleben einher. Andererseits gibt es auch sehr effektive Therapien, die keine MRDNegativität erreichen, wie Ibrutinib, womit sich die CLL über viele Jahre bei guter Lebensqualität kontrollieren lässt.</p> <p><strong>Inwieweit wird Ihrer Meinung nach die Immuntherapie bei der CLL künftig eine Rolle spielen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Die Immuntherapie wird weiterhin einen wesentlichen Teil der Kombinationstherapien darstellen. Wir haben eben gelernt, dass sie nicht nur die Wirkung der Chemotherapien, sondern auch die der neuen Inhibitoren wesentlich steigern kann.</p> <p><strong>Welche Daten zur CAR-T-Zell-Therapie fanden am ASH Meeting Ihr besonderes Interesse?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Beeindruckend sind die Long-term-Follow-up-Daten der ZUMA1- Studie in der Behandlung von Patienten mit aggressiven B-Zell-Lymphomen, die zuvor bereits mehrmals rezidiviert oder therapierefraktär waren. Unter Standardtherapie haben diese Patienten eine nur 7 % ige Chance auf eine komplette Remission (CR) und ein Gesamtüberleben von nur 6 Monaten.<br /> 101 Patienten erhielten nun eine Therapie, in der ihre eigenen T-Zellen genetisch derart manipuliert wurden, dass diese einen Anti-CD19-„chimeric antigen receptor“ (CAR) exprimieren. Diese patienteneigenen „scharf gemachten“ T-Zellen attackieren nun die CD19-tragenden Lymphomzellen. Das Ansprechen und das am ASH präsentierte Langzeitüberleben der Patienten bedeuten einen „game-changer“ für die Lymphomtherapie. 54 % der so behandelten Patienten erreichten eine CR und 70 % von ihnen waren nach zwei Jahren noch am Leben. In der Überlebenskurve bildete sich ein Plateau (Abb. 1), weshalb wir hier tatsächlich für diese Patienten von Heilung sprechen und in diese Therapie Hoffnungen setzen dürfen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_jatros_onko_1801_s17_abb1.jpg" alt="" width="2187" height="852" /></p> <p><strong>Am ASH wurde ja auch eine Studie aus Österreich präsentiert, in der Patienten mit T-Prolymphozyten-Leukämie (T-PLL), die eine sehr schlechte Prognose haben, ein gutes Ansprechen auf den Bcl-2-Inhibitor Venetoclax zeigten (Boidol B et al., Abstract 575: First in human response of BCL-2 inhibitor venetoclax in t-cell prolymphocytic leukemia). Können Sie bitte die Ergebnisse für uns zusammenfassen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> In diesem Vortrag stellten wir dar, wie wir für die sehr dramatisch verlaufende und seltene Leukämieform, die T-PLL, den Bcl-2-Inhibitor Venetoclax als neue Therapie identifizieren konnten. Zwei exemplarisch behandelte Patienten sprachen deutlich an. Aufgrund dieser Daten darf ich nun die erste internationale Studie zur T-PLL konzipieren und leiten. 25 Zentren aus Großbritannien, Europa und den USA wollen teilnehmen. Der Startschuss soll im Frühjahr 2018 erfolgen.</p> <p><strong>Gab es am Kongress weitere Präsentationen von österreichischen Arbeitsgruppen, die Sie besonders hervorheben möchten, bzw. Daten generell, die Sie als für Österreich besonders relevant erachten?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Diesmal war unsere Arbeitsgruppe mit vier Vorträgen sehr stark vertreten. Zwei habe ich ja zuvor schon erwähnt. In einem weiteren Vortrag durfte ich die Daten der Interimsanalyse der am AKH durchgeführten EXALT-Studie präsentieren. Hier untersuchen wir, ob wir für unsere als „austherapiert“ geltenden Patienten mit aggressiven hämatologischen Krebserkrankungen die Therapieresistenz brechen können, indem wir den Patienten Krebsgewebe, entweder durch eine Biopsie oder Blutabnahme, entnehmen und diese Zellen einem funktionellen Medikamenten- Screening unterziehen, das mehr als 300 Medikamente testet. Anhand der identifizierten Medikamente schlagen wir für jeden einzelnen unserer Patienten ein individuelles Therapiekonzept vor. Für Patienten, die nach diesem Therapieplan behandelt wurden, konnte das Ansprechen von 24 % auf 88 % gehoben und das progressionsfreie Überleben von 5,7 auf 22,6 Wochen verlängert werden.</p> <p><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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