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„Die Murano-Studie wird die CLL-Leitlinien verändern“

<p class="article-intro">Im Bereich der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) gab es am ASH Annual Meeting 2017 Daten, die durchaus als „practice-changing“ zu verstehen sind. Univ.-Prof. Dr. Philipp Staber fasst im Interview mit <i>JATROS Hämatologie & Onkologie</i> die aus seiner Sicht relevantesten Ergebnisse zusammen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Am ASH Annual Meeting wurden in der LBA Session die Ergebnisse der Kombinationstherapie mit Rituximab und Venetoclax in der MURANO-Studie pr&auml;sentiert. Wie sch&auml;tzen Sie die Relevanz dieser Daten ein?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Die Daten aus der MURANO-Studie sind f&uuml;r den Kliniker &uuml;beraus relevant. Diese Studienergebnisse werden zu einer &Auml;nderung unserer Leitlinien in der Zweitlinie f&uuml;hren. Die MURANO-Ergebnisse sind &uuml;brigens die ersten Daten zum Bcl-2-Inhibitor Venetoclax aus einer randomisierten Phase-IIIStudie. Die Unterschiede zum Standardarm R-Bendamustin sind &uuml;berw&auml;ltigend und dr&uuml;cken sich nicht nur im progressionsfreien &Uuml;berleben, sondern auch im Gesamt&uuml;berleben der Patienten aus.</p> <p><strong>Es wurden dar&uuml;ber hinaus Pr&auml;sentationen zu Resistenzmechanismen auch gegen&uuml;ber den neuen Substanzen (Venetoclax, Ibrutinib, Idelalisib etc.) vorgetragen. Gibt es da klinisch relevante Daten?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Resistenzmechanismen unter Idelalisib und Venetoclax sind im Wesentlichen weiterhin unbekannt. Anders sieht es bei dem BTK-Inhibitor Ibrutinib aus. Ein bereits beschriebener Mechanismus ist die mikroevolution&auml;re Selektion von Klonen mit einer BTKMutation oder einer Mutation des unmittelbar nachgeschalteten PLC Gamma2. Ein Vortrag aus unserer Arbeitsgruppe, pr&auml;sentiert von Greg Valdimer, konnte dar&uuml;ber hinaus zeigen, dass durch die Therapie mit Ibrutinib neue Gengruppen epigenetisch aktiviert werden, die wiederum durch Proteasom- und mTORInhibitoren spezifisch blockiert werden k&ouml;nnen. Das erlaubt neue mechanistische Konzepte zu sinnvollen Kombinationstherapien.</p> <p><strong>Das aktuelle Therapieziel in der CLL ist die MRD-Negativit&auml;t. K&ouml;nnen wir dieses Ziel durch Kombinationstherapien erreichen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Durch smarte Kombinationstherapien, wie z.B. Anti-CD20 und Venetoclax oder andere, k&ouml;nnen wir sehr tiefe, sog. MRD-negative Remissionen erreichen. Diese gehen mit einem deutlich l&auml;ngeren progressionsfreien &Uuml;berleben einher. Andererseits gibt es auch sehr effektive Therapien, die keine MRDNegativit&auml;t erreichen, wie Ibrutinib, womit sich die CLL &uuml;ber viele Jahre bei guter Lebensqualit&auml;t kontrollieren l&auml;sst.</p> <p><strong>Inwieweit wird Ihrer Meinung nach die Immuntherapie bei der CLL k&uuml;nftig eine Rolle spielen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Die Immuntherapie wird weiterhin einen wesentlichen Teil der Kombinationstherapien darstellen. Wir haben eben gelernt, dass sie nicht nur die Wirkung der Chemotherapien, sondern auch die der neuen Inhibitoren wesentlich steigern kann.</p> <p><strong>Welche Daten zur CAR-T-Zell-Therapie fanden am ASH Meeting Ihr besonderes Interesse?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Beeindruckend sind die Long-term-Follow-up-Daten der ZUMA1- Studie in der Behandlung von Patienten mit aggressiven B-Zell-Lymphomen, die zuvor bereits mehrmals rezidiviert oder therapierefrakt&auml;r waren. Unter Standardtherapie haben diese Patienten eine nur 7 % ige Chance auf eine komplette Remission (CR) und ein Gesamt&uuml;berleben von nur 6 Monaten.<br /> 101 Patienten erhielten nun eine Therapie, in der ihre eigenen T-Zellen genetisch derart manipuliert wurden, dass diese einen Anti-CD19-&bdquo;chimeric antigen receptor&ldquo; (CAR) exprimieren. Diese patienteneigenen &bdquo;scharf gemachten&ldquo; T-Zellen attackieren nun die CD19-tragenden Lymphomzellen. Das Ansprechen und das am ASH pr&auml;sentierte Langzeit&uuml;berleben der Patienten bedeuten einen &bdquo;game-changer&ldquo; f&uuml;r die Lymphomtherapie. 54 % der so behandelten Patienten erreichten eine CR und 70 % von ihnen waren nach zwei Jahren noch am Leben. In der &Uuml;berlebenskurve bildete sich ein Plateau (Abb. 1), weshalb wir hier tats&auml;chlich f&uuml;r diese Patienten von Heilung sprechen und in diese Therapie Hoffnungen setzen d&uuml;rfen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_jatros_onko_1801_s17_abb1.jpg" alt="" width="2187" height="852" /></p> <p><strong>Am ASH wurde ja auch eine Studie aus &Ouml;sterreich pr&auml;sentiert, in der Patienten mit T-Prolymphozyten-Leuk&auml;mie (T-PLL), die eine sehr schlechte Prognose haben, ein gutes Ansprechen auf den Bcl-2-Inhibitor Venetoclax zeigten (Boidol B et al., Abstract 575: First in human response of BCL-2 inhibitor venetoclax in t-cell prolymphocytic leukemia). K&ouml;nnen Sie bitte die Ergebnisse f&uuml;r uns zusammenfassen?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> In diesem Vortrag stellten wir dar, wie wir f&uuml;r die sehr dramatisch verlaufende und seltene Leuk&auml;mieform, die T-PLL, den Bcl-2-Inhibitor Venetoclax als neue Therapie identifizieren konnten. Zwei exemplarisch behandelte Patienten sprachen deutlich an. Aufgrund dieser Daten darf ich nun die erste internationale Studie zur T-PLL konzipieren und leiten. 25 Zentren aus Gro&szlig;britannien, Europa und den USA wollen teilnehmen. Der Startschuss soll im Fr&uuml;hjahr 2018 erfolgen.</p> <p><strong>Gab es am Kongress weitere Pr&auml;sentationen von &ouml;sterreichischen Arbeitsgruppen, die Sie besonders hervorheben m&ouml;chten, bzw. Daten generell, die Sie als f&uuml;r &Ouml;sterreich besonders relevant erachten?</strong></p> <p><strong>P. Staber:</strong> Diesmal war unsere Arbeitsgruppe mit vier Vortr&auml;gen sehr stark vertreten. Zwei habe ich ja zuvor schon erw&auml;hnt. In einem weiteren Vortrag durfte ich die Daten der Interimsanalyse der am AKH durchgef&uuml;hrten EXALT-Studie pr&auml;sentieren. Hier untersuchen wir, ob wir f&uuml;r unsere als &bdquo;austherapiert&ldquo; geltenden Patienten mit aggressiven h&auml;matologischen Krebserkrankungen die Therapieresistenz brechen k&ouml;nnen, indem wir den Patienten Krebsgewebe, entweder durch eine Biopsie oder Blutabnahme, entnehmen und diese Zellen einem funktionellen Medikamenten- Screening unterziehen, das mehr als 300 Medikamente testet. Anhand der identifizierten Medikamente schlagen wir f&uuml;r jeden einzelnen unserer Patienten ein individuelles Therapiekonzept vor. F&uuml;r Patienten, die nach diesem Therapieplan behandelt wurden, konnte das Ansprechen von 24 % auf 88 % gehoben und das progressionsfreie &Uuml;berleben von 5,7 auf 22,6 Wochen verl&auml;ngert werden.</p> <p><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p>
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