
Daten und Fakten rund um die Lebertransplantation
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Das Generieren von Daten bei Patient:innen mit Lebertransplantation ist nicht ganz einfach, wie Transplantations-Anästhesist:innen bei der Tagung der Austrotransplant inEisenstadt erklärten. Die normotherme Maschinenperfusion bringt eine Reihe von Verbesserungen. Generell scheint die Zahl der Transplantationen in Österreich eher zustagnieren.
Die Rate an verwendeten Organspenden liegt in Österreich derzeit knapp unter 18/1 Million Einwohner:innen, wie Mag.a Theresia Unger von der Gesundheit Österreich GmbH auf der Jahrestagung der Austrotransplant in Eisenstadt berichtete. Dem steht eine fast genauso große Zahl von nicht verwendeten Organspenden gegenüber. „Die Statistik zeigt, dass sich bei diesen Zahlen nicht sehr viel bewegt, und wir sind nicht ganz auf dem Niveau, das wir anstreben“, referierte Unger. Dieser angestrebte Wert würde 30 tatsächlich verwendete Spenden/Million und Jahr betragen.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die absoluten Zahlen der Organspenden zwischen 2022 und den ersten drei Quartalen von 2023 gestiegen sind, ist diese Zahl in Österreich gesunken.
Allerdings hat auch die Zahl der Personen, die sich auf Transplant-Wartelisten befinden, 2022 mit 730 einen historischen Tiefpunkt erreicht, 2023 gibt es wieder einen leichten Anstieg. „Es gibt viele Gründe für das Nichtzustandekommen von Organspenden“, so Unger weiter. „Die österreichischen Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern sehen das größte Verbesserungspotenzial bei Patient:innen mit infauster Prognose, bei denen keine Intubation oder jedenfalls keine anderen invasiven Maßnahmen mehr unternommen werden bzw. wo ein Therapierückzug stattfindet.“
Evidenz für Lebertransplantations-Anästhesie
„Es gibt zwar neue Guidelines für das Flüssigkeitsmanagement und die Gerinnungstherapie bei Lebertransplantation, kurz LTX, aber sie sind insofern enttäuschend, als die Evidenzgrade niedrig und die Empfehlungsgrade schwach sind“, so Assoc. Prof. Dr. Dieter Adelmann, University of California, San Francisco (UCSF), USA. „Und das gilt auch für die frühe Extubation nach LTX. Es gibt also für das, was wir im OP machen, wenig Evidenz, und es gibt noch nicht einmal gut definierte Endpunkte für zukünftige Studien“, kritisierte der Anästhesist.
Einer der Hauptgründe für diesen Zustand besteht darin, dass keine LTX so ist wie die andere. Zum einen gibt es technische Unterschiede, etwa was die Cavaklemme, den venovenösen Bypass, den intraoperativen Nierenersatz und eben auch das Gerinnungs- und Flüssigkeitsmanagement angeht. „Hier gibt es schon Unterschiede innerhalb eines Zentrums und erst recht zwischen den verschiedenen Zentren“, erläuterte Adelmann. Zum anderen sind die Fallzahlen mit ca. 50 bis 200 Patient:innen pro Jahr nicht hoch genug, um randomisierte perioperative Studien durchzuführen. „Auch die Patient:innen sind unterschiedlich, wir haben Patien-t:innen mit einem hohen MELD(„model of end stage liver disease“)-Score, mit akutem Leberversagen, aber auch solche mit hepatozellulärem Karzinom, die sonst gesund sind“, berichtete der Experte. Und schließlich sind auch die Organe unterschiedlich. Es gibt Organe von hirntoten Patient:innen, solche, die erst nach Kreislaufstillstand entnommen werden, aber auch Lebendspenden (eines Leberteils) und zunehmend mehr Organe, die maschinell perfundiert werden. „Daraus ergibt sich, dass es in jeder Studie sehr schwierig ist, Interventionseffekte von zufälligen Schwankungen zu unterscheiden“, erklärte Adelmann.
„Die zentrumsspezifischen Unterschiede zeigen sich am Beispiel der UCSF, wo wir bis heute sehr wenige transösophageale Sonografien verwenden, keine viskoelastischen Tests haben und bis 2016 auch keine Gerinnungsfaktoren wie Fibrinogen oder Prothrombinkomplex eingesetzt haben“, fuhr der Anästhesist fort. „Und jeder Patient/jede Patientin hat postoperativ eine FFP(‚fresh frozen plasma‘)-Infusion bekommen, bis die ‚international normalized ratio‘ (INR) unter 1,5 lag, das ist auch heute noch so.“ Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Jahr mit einem funktionierenden Transplantat noch am Leben zu sein, beträgt in der UCSF 96%, was höher ist als der US-Durchschnitt von 92%.
„Mit solchen Überlebensdaten ist es dann natürlich auch schwierig, Veränderungen zu argumentieren“, so Adelmann. Und es sei auch kaum realisierbar, Studien mit der Überlebensrate als Endpunkt umzusetzen. „Um eine Verbesserung der landesweiten Überlebensrate von 92% auf 95% mit statistischer Power nachzuweisen, müsste man über 6000 Patient:innen transplantieren, sodass man dann etwas über 2000 in die Studie aufnehmen könnte“, erklärte der Experte die Schwierigkeiten.
In einer US-dänischen Studie wurden die Auswirkungen der Einführung eines neuen Organ-Allokationsschemas („Share 35“) im Jahr 2013 anhand von 90002 seither durchgeführten LTX retrospektiv untersucht.1 Share 35 bedeutete, dass bei Patient:innen mit MELD-Score ≥35 die regionale Organzuordnung Priorität über die lokale Zuordnung an Patient:innen mit einem niedrigeren MELD-Score erhielt. „Obwohl wir also hier kränkere Patient:innen operierten, sank die perioperative Mortalität von Jahr zu Jahr und die 1-Jahres-Überlebensrate stieg an“, referierte der Experte.
„Wir können uns jedenfalls einzelne Parameter anschauen, von denen wir vermuten, dass sie einen Einfluss auf das Überleben von Organ und Patient:in haben. Dazu gehören akutes und chronisches Nierenversagen, Reoperation, Verbrauch von Ressourcen, einschließlich Blutprodukten, frühe Extubation, Gallengangskomplikationen und die Organfunktion des Transplantats“, so Adelmann. „So ist z.B. eine Nachblutung innerhalb von 48 Stunden nach LTX mit einem reduzierten Langzeitüberleben assoziiert“, fügte er hinzu.
Normotherme Maschinenperfusion der Leber
„Die normotherme Maschinenperfusion der Leber, kurz NMP, ist heute ein viel diskutiertes Thema in der Transplantationsmedizin“, begann OA Dr. Simon Mathis, Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, MedUni Innsbruck, seinen Vortrag. „Wir als Anästhesist:innen sind zum Teil aber noch unsicher, was die NMP konkret für uns bedeutet. Ich möchte daher drei Themen im Bezug auf die NMP kurz ansprechen: die Gerinnung, die Hämodynamik und nicht zuletzt das Team.“
Gerinnung
Eine kleine, 2018 publizierte Studie untersuchte sieben Lebertransplantate, sechs davon nach Kreislaufstillstand entnommen („donation after circulatory death“, DCD). Die Organe wurden sechs Stunden lang mit einer plasmafreien Lösung perfundiert. Ergebnis: Sämtliche Gerinnungsfaktoren stiegen während der NMP an.2 „Das heißt, dass die Leber während der NMP Gerinnungsfaktoren produziert“, so der Experte.
Eine sehr rezent publizierte Studie mit 36 Transplantaten, die 300 Minuten perfundiert wurden, brachte sehr ähnliche Ergebnisse.3 „Allerdings hat man hier auch gesehen, dass die Aktivität dieser Gerinnungsfaktoren nicht ganz jene im normalen Plasma erreicht“, schränkte Mathis ein.
Eine weitere Arbeit untersuchte die Frage, ob die Organqualität bezüglich Gerinnung einen Unterschied macht. Sie verglich DCD-Lebern mit minimaler bzw. moderater Schädigung sowie DBD(„donation after brain death“)-Lebern, ebenfalls mit minimaler oder moderater Schädigung.4 „Dabei zeigte sich kein Unterschied, die Gerinnungsfaktoren stiegen in allen Organen an.“
Was die Empfänger:innen angeht, so ergab eine Studie mit 72 Empfängerpaaren, von denen jeweils die eine Person eine NMP-Leber, die andere ein nicht perfundiertes, kalt gelagertes Organ („static cold storage“, SCS) erhielt, dass die NMP-Empfänger:innen 30 Minuten nach Reperfusion weniger Thrombozyten und bessere intraoperative Gerinnungsprofile aufwiesen.5
Hämodynamik
Eines der Probleme bei der LTX ist das Post-Reperfusions-Syndrom (PRS). Es ist definiert als eine Reihe von transienten hämodynamischen Veränderungen nach Reperfusion des Transplantats, wie Bradykardie, Arrhythmien, verringerter systemischer Gefäßwiderstand, reduzierter systemischer Druck und erhöhter Druck im Lungenkreislauf.6
Im Jahr 2016 wurde eine Studie publiziert, die sechs NMP-Lebern mit zwölf SCS-Lebern verglich und zwar anhand der Parameter Noradrenalinverbrauch und Rate an PRS. Bei beiden Parametern schnitten die NMP-Organe besser ab: Zwei SCS-Lebern, aber keine NMP-Leber, zeigten ein PRS, auch der Noradrenalinverbrauch war nach Reperfusion bei den NMP-Organen geringer.7 In einer größeren, prospektiven randomisierten Studie, die 121 NMP- und 101 SCS-Transplantationen verglich, lag die Rate an PRS in der NMP-Gruppe bei 12,4%, in der SCS-Gruppe bei 33,0%.8
„Aber ein PRS ist kein Schicksal“, betonte der Anästhesist. „Wir können gegensteuern, und je früher wir das tun, desto besser für die Patient:innen.“
Team
„Die NMP wurde unter anderem deshalb eingeführt, damit das Organ länger und besser hält, was natürlich auch bedeutet, dass die LTX nicht zu jeder Zeit mitten in der Nacht durchgeführt werden muss“, kommentierte Mathis. „Wir wissen zwar mittlerweile, dass sich die Tages- bzw. Nachtzeit nicht auf das Operationsergebnis auswirkt, sehr wohl aber haben wir als Team die Folgen nächtlicher Arbeit zu tragen. Und da gibt es Studien, die klar zeigen, dass Nachtarbeit die Raten an Diabetes, Suiziden und auch koronarer Herzkrankheit erhöht“, berichtete der Anästhesist.
Quelle:
Vorträge der Parallelsitzung II: ICU/Anästhesie, im Rahmen der 36. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik, 20. Oktober 2023, Eisenstadt
Literatur:
1 Holm ZD et al.: Clin Transplant 2023; 37(1): e14854 2 Karangwa SA et al.: Liver Transpl 2018; 24(9): 1298-302 3 Bodewes SB et al.: Transplantation 2023; 107(11): 2377-83 4 Gilbo N et al.: Transplantation 2022; 106(3): 510-8 5 Ionescu MI et al.: Transplantation 2019; 103(7): e198-207 6 Patrono D, Romagnoli R: Transl Gastroenterol Hepatol 2019; 4 7 Angelico R et al.: Transplant Direct 2016; 2(9): e97 8 Nasralla D et al.: Nature 2018; 557(7703): 50-6
Weitere Literatur bei den Vortragenden