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Das Wichtigste vom ASCO 2019 zum Prostatakarzinom
Urologik
Autor:
OA Dr. Franz Stoiber
Abteilung für Urologie und Andrologie<br> Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck<br> E-Mail: franz.stoiber@gespag.at
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Die wissenschaftlichen Highlights des diesjährigen ASCO lieferte eindeutig das Prostatakarzinom. Sowohl in der Diagnostik mit dem Thema PSMA-PET/CT als auch in der Therapie vor allem des metastasierten hormonsensitiven, aber auch des kastrationsresistenten Karzinoms gab es erwähnenswerte Daten.</p>
<hr />Letztendlich wird
<p class="article-content"><h2>PSMA-PET-Diagnostik/Therapie</h2> <p>Allein in den letzten 4 Jahren gab es über 850 Publikationen zum Thema PSMA-PET. In einer Metaanalyse von 43 Studien mit 5113 Patienten konnte das PSMA-PET mit verschiedenen Nukliden eine gepoolte 70,2 %ige Detektionsrate<sup>1</sup> im Stadium des biochemischen Rezidivs nach definitiver Therapie erreichen und führte somit in einer prospektiven multizentrischen Studie in 51 % der Fälle zu einer Therapieänderung.<sup>2</sup> Dies resultierte zwar in einer Aufnahme in die EAU-Guidelines, allerdings wegen des fehlenden Gesamtüberlebensvorteils jedoch nur mit einer schwachen Empfehlung.<br /> Die außerordentlich gute Performance mit einer Sensitivität und einem positiv prädiktiven Wert von 92 % wurde bereits am ASCO 2018 in einer Phase-II/III-Studie der UCLA & UCSF<sup>3</sup> sogar unabhängig von der PSA-Verdoppelungszeit von < oder > 6 Monaten nachgewiesen. Heuer wurde der Vergleich des<sup> 68</sup>Ga-PSMA-PET mit dem in den USA üblichen<sup> 18</sup>F-Fluciclovin-PET beim biochemischen Rezidiv mit einem PSA zwischen 0,2 ng/ml und 2,0 ng/ml vorgestellt.<br /> Dabei konnte man bei jeweils 50 Patienten eine nahezu verdoppelte Detektionsrate von 56 % versus 26 % mit dem <sup>18</sup>Ga-PSMA- PET/CT erreichen (Abb. 1).<sup>4</sup> Auch die Übereinstimmung von 3 unabhängigen Befundern war beim PSMA-PET signifikant höher.<br /> Die Zukunft der Diagnostik könnte durch zwei neue Tracer verbessert werden, den <sup>18</sup>F-PSMA 1007 und vor allem den <sup>18</sup>F-DCFPyl, der eine Sensitivität in der Detektion von Knochen-, viszeralen und Lymphknotenmetastasen zwischen 90 % und 100 % im OSPREY Trial aufwies (Abb. 2).<sup>5</sup></p> <p>Ein vielversprechendes Konzept für die Zukunft stellt die nuklearmedizinische Kombination aus Diagnostik und Therapie – kurz Theranostik – dar. Dabei koppelt man den gemeinsamen Liganden PSMA mit einem jeweiligen diagnostischen Betaoder Gamma-emittierenden Isotop (<sup>18</sup>F oder <sup>68</sup>Ga). Bei ausreichender PSMA-Bindung führt die anschließende Verwendung eines therapeutischen Beta- (<sup>177</sup>Lu) oder vielleicht zukünftigen Alpha-emittierenden (<sup>225</sup>Ac) Radionuklids zur Zerstörung der Tumorzelle. Die ersten monozentrischen retrospektiven Daten zeigten einen > 50 %igen PSA-Abfall von rund 20–40 % mit Schmerzreduktionen und objektiven Ansprechraten.<br /> Jeremie Calais präsentierte die RECIST- PC, eine erste prospektive einarmige Phase-II-Studie, durchgeführt von der UCLA mit deutschen Zentren, die<sup> 177</sup>Lu- PSMA-617 bei 64 vortherapierten metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinompatienten testeten.<sup>6</sup> Als bestes Ansprechen nach 3 Zyklen fiel bei 38 % von ihnen das PSA um > 50 %, bei 16 % sogar um > 90 %. Die Tolerabilität war akzeptabel, mit Grad-3-Nebenwirkungen für Erbrechen bei 6 %, Anämie bei 8 % und für Nierenversagen und Neutropenie jeweils 3 %.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s26_abb1_asco_stoiber.jpg" alt="" width="450" height="376" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s26_abb2_asco_stoiber.jpg" alt="" width="450" height="460" /></p> <p><strong>Take-Home-Message</strong></p> <p>Die Verbesserung der Diagnostik durch PET/CT und die damit verbundenen Änderungen des klinischen Managements werfen allerdings neue therapeutische Dilemmata auf, ohne dass wir noch eine Verbesserung der Krankheitsverläufe unserer Patienten nachweisen konnten. Hinsichtlich Theranostics fehlen noch bestätigende Phase-III-Studien, inwieweit sich mit diesem Konzept ein klinischer Benefit erzeugen lässt und welche die geeignetsten Liganden bzw. Tracer zukünftig sein werden.</p> <h2>Metastasiertes hormonsensitives Stadium</h2> <p>Kim Chi aus Vancouver stellte die ersten Ergebnisse von TITAN<sup>7</sup> vor, einer Phase- III-Studie, in der Apalutamid/ADT gegen Placebo/ADT bei 1052 Patienten in zwei primären Endpunkten verglichen wurde. Die Studie wurde im Jänner 2019 entblindet und ein Cross-over erlaubt.<br /> Sowohl das radiografisch progressionsfreie Überleben mit einer Risikoreduktion von 52 % als auch das Gesamtüberleben mit einer selbigen von 33 % waren nach einem Follow-up von 23 Monaten hochsignifikant gegenüber Placebo (Abb. 3). Die Hazard- Ratio (HR) für das Gesamtüberleben liegt mit 0,67 im Rahmen der HRs, die wir von den bisher positiven Studien in diesem Setting wie LATTITUDE oder STAMPEDE G für Abirateron kennen.<br /> Eingeschlossen waren sogenannte „all comers“, also Patienten, die sowohl de novo metastasiert waren, als auch solche, die primär eine definitive lokale Behandlung erhielten, weiters auch Hoch- (63 %) und Niedrig-Risiko-Patienten und solche, die vor Apalutamid bereits bis zu 2 Zyklen Docetaxel (11 %) erhalten haben.<br />Das mediane Überleben ist noch nicht erreicht, allerdings lebten in der Verum- Gruppe nach 2 Jahren noch 82 % gegenüber 74 % der Patienten in der Placebogruppe. Die Subgruppen mit Docetaxel- Vortherapie, „Low volume disease“-Patienten und Patienten über 75 Jahre schienen weniger von Apalutamid zu profitieren.<br />Die Lebensqualität war nicht schlechter als im Placeboarm und das Toxizitätsprofil entsprach dem, das wir von Apalutamid schon im nicht metastasierten kastrationsresistenten Setting kannten.<br />Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen gab es in 8 % im Apalutamid- Arm gegenüber 5 % im Placeboarm, wobei die Verteilung der Grad-3/4-Toxizitäten mit 42,2 % versus 40,8 % für eine hohe Tolerabilität der Substanz spricht. Die Publikation im NEJM war nach der Präsentation bereits erfolgt. Ebenso wie bei der als Latebreaking Abstract in der Plenary Session von Christopher Sweeney vorgestellten ENZAMET-Studie.<sup>8</sup><br /> Diese vorwiegend von der ANZUPGruppe in Down Under, Kanada, Irland und den USA durchgeführte randomisierte Phase-III-Studie verglich Enzalutamid mit Testosteronsuppression gegen nichtsteroidale Antiandrogene der ersten Generation wie Bicalutamid, Nilatumid und Flutamid mit Testosteronsuppression. Erstmals wurde im metastasierten hormonsensitiven Stadium bei 1125 Patienten gegen einen aktiven Vergleichsarm getestet.<br /> Wiederum ließ sich in dieser Interimsanalyse eine 33 %-Reduktion des Todesrisikos nach einem Follow-up von 34 Monaten und somit eine neuerliche HR von 0,67 für das Gesamtüberleben als primären Endpunkt erkennen (Abb. 4). Nach 36 Monaten lebten im Enzalutamid-Arm noch 82 % versus 74 % im Vergleichsarm.<br /> Auch die klinisch relevanten sekundären Endpunkte wie die Zeit bis zur PSA- und zur klinischen Progression sind signifikant positiv. Wiederum waren „all comers“ inkludiert und der Anteil der Patienten mit „High volume“-Tumoren lag bei 53 %.<br /> Erstmals wurde auch eine bei 45 % der Patienten gleichzeitige Docetaxel-Therapie als vorgeplante Subgruppe ausgewertet. War das klinische progressionsfreie Überleben mit und ohne Chemotherapie in der Enzalutamid-Gruppe noch signifikant besser, so verliert sich dieser Effekt für das Gesamtüberleben im Chemotherapie-Arm.<br />75 % versus 74 % betrug das 3-Jahres-Überleben in beiden Armen mit Docetaxel, allerdings profitierte der Enzalutamid-Arm mit 83 % zu 70 % gegenüber dem Vergleichsarm, wenn kein Docetaxel gegeben wurde. Wegen Nebenwirkungen brachen 16 % der Patienten im Enzalutamid-Arm die Therapie ab, im Kontrollarm waren es nur 4 %. Führende Grad-3-Toxizitäten waren neben der Hypertonie mit 11 % versus 5 % die Fatigue mit 6 % versus 1 %, Synkopen mit 4 % versus 1 % und kognitive Störungen mit 4 % versus 1 %.<br /> In der Patientengruppe mit Docetaxel waren im Enzalutamid-Arm die chemoassoziierten Nebenwirkungen wie die sensorische Polyneuropathie Grad 2 mit 9 % versus 3 %, Augentränen mit 20 % versus 6 %, Nagelveränderungen mit 10 % versus 5 % und die Fatigue 20 % versus 14 % doch deutlich erhöht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s28_abb3_asco_stoiber.jpg" alt="" width="820" height="311" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s29_abb4_asco_stoiber.jpg" alt="" width="430" height="430" /></p> <p><strong>Take-Home-Message</strong></p> <p>Letztendlich wird die laufende PEACEStudie über den Stellenwert der intensivierten Upfront-Therapie mit zusätzlicher Docetaxel-Gabe beim mHSPC weitere Erkenntnisse bringen. Derzeit haben wir nun mit Docetaxel, Abirateron, Apalutamid und Enzalutamid jedenfalls vier weitgehend äquieffektive Substanzen im hormonsensitiven metastasierten Stadium zur Verfügung, deren Anwendung durchaus individuell unter Berücksichtigung der Komorbiditäten und der sozialen Umstände des Patienten sowie des Toxizitätsprofils der einzelnen Substanzen gewählt werden kann, sobald die Zulassungen erfolgt sind.</p> <h2>Metastasiertes kastrationsresistentes Stadium</h2> <p>Bertrand Tombal präsentierte eine preliminary Safety-Analyse der randomisierten multizentrischen Phase-III-Studie EORTC-GUCG 1333/PEACE III,<sup>9</sup> die die Kombination Enzalutamid/Ra-223 gegen Enzalutamid-Monotherapie testete. Das ist quasi eine Schwesterstudie zur ERA 22310, die Abirateron/Ra-223 gegen Abirateron alleine prüfte und ein schlechteres Gesamt- und symptomatisches skelettal- ereignisfreies Überleben und vor allem eine höhere Knochenfrakturrate mit der Kombination zeigte. Die Frakturen in ERA 223 waren innerhalb der ersten 6 Monate vorwiegend traumatisch und osteoporotisch.<br /> Da beide Studien zeitlich überlappend rekrutierten, wurde in einem im März 2019 erlassenen dringlichen Safety Letter des Internationalen Data-Monitoring- Komitees die Zugabe von knochenprotektiven Substanzen (BTAs) vorgegeben, deren initialer Gebrauch bei 40 % in beiden Studien lag. Diese Rate wurde in PEACE III danach auf 86 % gesteigert, sodass insgesamt 55 % der Patienten BTAs erhielten.<br /> Die bei 40 % der Patienten stattgefundene Vortherapie mit Denosumab oder Zoledronsäure reduzierte die Frakturrate in ERA 22310 von 37 % auf 15 %.<br /> In PEACE III konnte eine kumulative Inzidenz von Knochenbrüchen nach 12 Monaten von 37,4 % im Kombinationsarm versus 12,4 % im Monotherapiearm vollständig eliminiert werden, wenn 6 Wochen vor Ra-223-Beginn die Therapie mit Denosumab oder Zoledronsäure begonnen wurde (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_urologik_1903_s29_tab1.png" alt="" width="450" height="425" /></p> <p><strong>Take-Home-Message</strong></p> <p>Zusammenfassend sollten wir mehr an die Zugabe von Denosumab oder Zoledronsäure im metastasierten kastrationsresistenten Stadium denken, wenngleich derzeit die Kombination von Ra-223/Abirateron als Kontraindikation von der EMA vorgegeben ist und erst nach zwei durchgeführten Systemtherapien oder bei Ineligibility erlaubt ist. Eine Stellungnahme zu der Kombination Enzalutamid/Ra-223 steht noch aus.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Roach PJ et al.: J Nucl Med 2018; 59(1): 82-8<strong> 2</strong> Tan N et al.: J Urol 2019; 202(2): 231-240<strong> 3</strong> Fendler WP et al.: JAMA Oncol 2019 Mar 28. doi: 10.1001/jamaoncol.2019.0096 [Epub ahead of print] <strong>4</strong> Calais J et al.: ASCO 2019, Abstr. #5014 <strong>5</strong> Morris MJ et al.: ASCO 2019, Abstr. #5012 <strong>6</strong> Calais J et al.: ASCO 2019, Abstr. #5028<strong> 7</strong> Chi KN et al.: N Engl J Med 2019; 381(1): 13-24 <strong>8</strong> Davis ID et al.: N Engl J Med 2019; 381(2): 121-31 <strong>9</strong> Tombal B et al.: ASCO 2019, Abstr. #5007 <strong>10</strong> Smith MR et al.: ESMO 2018, Abstr. #LBA30</p>
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