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Heureka-Moment

Darmkrebs: vielseitige Ansätze für personalisierte Therapien

Bernadette Blauensteiner und Lena Artner-Gent leisten Pionierarbeit: Lange vernachlässigte geschlechtsspezifische Unterschiede in Entstehung und Therapie von Darmkrebs sowie neue physiologische Funktionen bekannter Onkogene werden von ihnen unter die Lupe genommen.

Wie würden Sie Ihre Forschung in drei Sätzen beschreiben?

Kernstück unserer Arbeitsgruppe ist die Erforschung der Entstehung und Therapiemöglichkeiten von Darmkrebs – der weltweit zweithäufigsten krebsbedingten Todesursache. Voraussetzung für eine zielgerechte Therapieanwendung ist die molekularbiologische Grundlagenforschung. Unsere Forschungsprojekte beleuchten hierfür unterschiedliche Teilbereiche: geschlechtsspezifische Unterschiede in der Darmkrebsentstehung, die in aktuellen, meist geschlechtsneutral entwickelten Behandlungsstrategien oft unzureichend berücksichtigt werden, sowie die physiologischen Funktionen bekannter Onkogene in der Immunabwehr, deren Inhibition in der Klinik zu Nebenwirkungen führen kann.

Wie ist Ihr Forschungsvorhaben entstanden?

Unser Forschungsvorhaben ist aus der Notwendigkeit entstanden, die biologischen Mechanismen hinter Darmkrebs besser zu verstehen und gezieltere, effektivere Therapieansätze zu entwickeln. Unsere Gruppenleiterin und Leiterin des Zentrums für Krebsforschung Maria Sibilia hat bahnbrechende Forschung zu EGFR geleistet. EGFR wird u.a. auch in Darmkrebs überexprimiert und daher seit Jahrzehnten in der klinischen Praxis therapeutisch gezielt behandelt.

© Dominik Kirchhofer

Dr. Bernadette Blauensteiner und Lena Artner-Gent, MSc

Trotz der langjährigen Erforschung und Therapie von Darmkrebs sind geschlechtsspezifische Unterschiede in der Inzidenz, Mortalität und bei Therapieansprechen nach wie vor nicht vollständig geklärt. Hier setzt das Forschungsprojekt von Bernadette an: Sie untersucht, wie geschlechtsspezifische Faktoren – darunter hormonelle Einflüsse und Unterschiede im Immunsystem – die Entstehung und Behandlung von Darmkrebs beeinflussen. Besonders innovativ sind dabei die Ansätze zur immunphysiologischen Differenzierung zwischen Männern und Frauen. Aufgrund der historischen Vernachlässigung weiblicher Probandinnen in der medizinischen Forschung birgt dieser Bereich erhebliches Potenzial für neue Erkenntnisse, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Ein besonderer Fokus liegt auf der klinischen Translation, der Weiterentwicklung von Behandlungsstrategien sowie der Erforschung innovativer Therapieansätze.

Dass Krebstherapien Nebenwirkungen verursachen, ist allgemein bekannt. Hier setzt die Forschung von Lena an: Eine der häufigsten Nebenwirkungen von EGFR-Inhibitoren sind kutane Reaktionen – bis zu 90% der behandelten Patient:innen entwickeln papulopustulöse Hauteruptionen (akneiformer Rash), die oft durch bakterielle Erreger wie Staphylococcus aureus zusätzlich kompliziert werden. Dieses Phänomen nutzt sie, um zu erforschen, wie das Onkogen EGFR nicht nur Tumorwachstum, sondern auch die allgemeine Immunabwehr beeinflusst. Ihr Fokus liegt auf der Immunologie der Hautbarriere und dem Mikrobiom, mit dem Ziel, nicht nur Nebenwirkungen besser zu verstehen, sondern auch fundamentale Prinzipien der Hautphysiologie zu entschlüsseln. Diese Erkenntnisse könnten langfristig über die Krebsforschung hinaus zur besseren Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis und Psoriasis beitragen.

Was zeichnet Ihren Beruf besonder saus?

Unser Beruf ist interdisziplinär und vielseitig. Er vereint Wissen aus Molekularbiologie, Genetik, Immunologie, Mikrobiologie, Pharmakologie und klinischer Medizin, um die Mechanismen von Krebs zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Wir arbeiten mit innovativen Methoden wie Genomsequenzierung, CRISPR und Organoid-Modellen, um personalisierte Behandlungsstrategien zu ermöglichen. Die enge Zusammenarbeit mit Ärzt:innen erlaubt es uns, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen und die Diagnostik sowie Therapie von Krebspatient:innen kontinuierlich zu verbessern. Unser Beruf erfordert nicht nur Fachwissen, sondern auch Kreativität, Eigenständigkeit und – oft unterschätzt – ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten. Besonders erfüllend ist der Wissenstransfer, sei es durch Mentoring und die Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses oder den internationalen Austausch auf Konferenzen. Krebsforschung trägt nicht nur zur medizinischen Innovation bei, sondern hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz – sie verbessert die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Betroffenen nachhaltig.

Welchen Tipp würden Sie anderen jungen Forschenden mit auf den Weg geben?

Bleibt motiviert und neugierig, denn Forschung ist ein Marathon, kein Sprint. Wer intrinsisch motiviert ist, kann erfahrungsgemäß besser mit Rückschlägen umgehen. Ethisches Bewusstsein und gründliches Arbeiten sind entscheidend für glaubwürdige und nachhaltige Forschung. Bleibt flexibel, denn Wissenschaft entwickelt sich ständig weiter – Offenheit für neue Methoden, interdisziplinäre Ansätze und unerwartete Richtungen können den eigenen Forschungsweg bereichern. Setzt auf Kooperation, denn große Entdeckungen entstehen selten in Isolation. Sprecht offen an, was euch wichtig ist, denn eine gesunde Kommunikation ist essenziell für erfolgreiche Teamarbeit.

Wissenschaftskommunikation gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht nur innerhalb des Teams, sondern auch in der Öffentlichkeit, um komplexes Wissen verständlich zu vermitteln. Nutzt eure Sichtbarkeit für populärwissenschaftliche Kommunikation und Outreach-Arbeit, um Forschung für alle greifbarer zu machen und die nächste Generation junger Wissenschaftler:innen zu inspirieren.

Heureka-Moment:

Junge Forschende stellen sich vor

Dr. Bernadette Blauensteiner
Postdoc und wissenschaftliche Assistenz
Zentrum für Krebsforschung, Medizinische Universität Wien
bernadette.blauensteiner@meduniwien.ac.at

Lena Artner-Gent, MSc
PhD-Kandidatin
Zentrum für Krebsforschung, Medizinische Universität Wien
lena.artner@meduniwien.ac.at

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