
Bemerkenswertes aus der Dermatoonkologie
Bericht:
Dr. Judith Moser
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Bei Patient:innen mit ausgedehnten Plattenepithelkarzinomen der Haut geben am ASCO-Kongress 2023 vorgestellte Studiendaten Hoffnung auf Heilung durch eine systemische Therapie, die ursprünglich nur als neoadjuvante Maßnahme gedacht war. Inder Indikation des Melanoms wurden die adjuvante PD-1-Inhibition sowie der Effekt einer Metastasen- und Primumexzision im fortgeschrittenen Stadium untersucht.
MATISSE: Nivolumab ± Ipilimumab
Der potenzielle Benefit einer neoadjuvanten Immuntherapie bei ausgedehnten kutanen Plattenepithelkarzinomen (cSCC) stand im Fokus der randomisierten Phase-II-Studie MATISSE.1
Patient:innen mit cSCC im Stadium I–IVa und bestehender Indikation für eine umfassende und/oder verstümmelnde Resektion erhielten präoperativ zwei Infusionen: In Studienarm A kam Nivolumab 3mg/kg in den Wochen 0 und 2 zur Anwendung, in Studienarm B Nivolumab 3mg/kg plus Ipilimumab 1mg/kg in Woche 0, gefolgt von Nivolumab 3mg/kg in Woche 2. Die Operation erfolgte in Woche 4. „Als primärer Endpunkt galt die Rate des histopathologischen Ansprechens zum Operationszeitpunkt“, berichtete Dr. Charlotte Zuur, The Netherlands Cancer Institute, Amsterdam.
Insgesamt gingen 50 Personen in die Analyse ein, nachdem zehn Patient:innen ihre Einwilligung zur Operation und Radiotherapie zurückgezogen hatten. Bei neun von diesen waren nach der Verabreichung der neoadjuvanten Therapie sichtbare Remissionen eingetreten. „Nur in einem Fall führte die Manifestation einer Krankheitsprogression zum Verzicht auf weitere Maßnahmen“, berichtete Zuur.
Die neoadjuvante Immuncheckpoint-Inhibition bewirkte exzellente Ergebnisse. Ein „major“ pathologisches Ansprechen (MPR; ≤10% vitale Tumorzellen im OP-Präparat) sowie klinische Komplettremissionen (cCR) wurden nach der Nivolumab-Monotherapie in 54% und nach Nivolumab/Ipilimumab in 58% beobachtet. Wenn auch das partielle pathologische Ansprechen (<50% vitale Tumorzellen im OP-Präparat) hinzugezählt wurde, erhöhten sich diese Prozentsätze auf 62% bzw. 83%.
„Alle neun Patient:innen, die aufgrund der klinischen Remission die Operation ablehnten, erreichten eine cCR und konnten diese bis heute beibehalten“, berichtete Zuur. Das mediane Follow-up erstreckt sich mittlerweile auf 18 Monate. In Bezug auf den Endpunkt des rezidivfreien Überlebens (RFS) zeigte die Auswertung, dass Patient:innen mit MPR und cCR nach zwölf Monaten in 100% Rezidivfreiheit erzielten (Abb.1).
Abb. 1: Rezidivfreies Überleben in Abhängigkeit vom Ansprechen auf die neoadjuvante Immuntherapie. Modifiziert nach Zuur CL et al.1
Immunbezogene Toxizitäten der Grade 3 und 4 entwickelten 8% der Teilnehmer:innen in der Nivolumab-Gruppe sowie lediglich 4% der mit der Kombination Behandelten.
Organerhalt als Behandlungsziel
Wie die Expertin betonte, sprechen die Beobachtungen bei den neun Patient:innen ohne Resektion für das Konzept eines Organerhalts durch die Checkpoint-Inhibition ohne Operation und adjuvante Radiotherapie sowie auch ohne immuntherapeutische Erhaltungstherapie. Ein wichtiger Faktor ist die Zeit, da in vier Fällen zum geplanten Operationszeitpunkt erst ein partielles Ansprechen eingetreten war, das sich jedoch ohne weitere Behandlung schlussendlich zu einer cCR vertiefte: „Diese Beobachtungen müssen durch weitere Forschungen bestätigt werden.“
Zuur skizzierte potenzielle Vorteile des nichtchirurgischen Vorgehens. Wie die Analyse laut QLQ-C30-Fragebogen bescheinigt, erfuhren die neun Patient:innen im Vergleich zur übrigen in MATISSE behandelten Gruppe eine klinisch relevante Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Unbestritten ist auch der ökonomische Effekt. „Einschließlich der mehrstündigen Operation, des Spitalsaufenthalts, der Radiotherapie und 23 ambulanter Termine belaufen sich die Kosten bei herkömmlicher Behandlung auf 26898 Euro.“ Dem stehen 10261 Euro für zwei Infusionen in der Tagesklinik und 13 Ambulanzbesuche gegenüber. Eine Kosteneffektivitätsanalyse mit Extrapolation der Daten auf 1000 Personen zeigt, dass die alleinige Immuntherapie in der Gesamtbevölkerung unter der Annahme eines Organerhalts in 50% der Fälle auch ohne Implementation eines prädiktiven Biomarkers potenziell kosteneffektiv ist.
Zudem könnten künftig sequenzielle FDG-PET-Untersuchungen zur präoperativen Identifikation von Patient:innen mit einem zu erwartenden tiefen Ansprechen auf die Immuntherapie beitragen.
Laut der Diskutantin Dr. Katy K. Tsai, University of California, San Francisco, stellen die Ergebnisse der MATISSE-Studie die gängige Praxis infrage. Tsai bezeichnete die PD-1-Inhibitor-Monotherapie aktuell als neoadjuvante Strategie der Wahl. Langzeitdaten und weitere Evidenz zur Sicherheit sind erforderlich. „Studien sollten die optimale Dauer und das optimale Verabreichungsschema bestimmen, vor allem im Hinblick auf Nivolumab+Ipilimumab.“
Schleimhautmelanom: Chemotherapie vs. Toripalimab
Melanome der Schleimhaut nehmen in der westlichen Population innerhalb der Melanom-Subtypen lediglich einen geringen Prozentsatz ein, während ihr Anteil in asiatischen Populationen deutlich höher liegt.2,3 Bis dato fehlen klinische Head-to-Head-Vergleiche einer adjuvanten Chemotherapie mit einem PD-l-Inhibitor nach der Resektion von Schleimhautmelanomen.
Eine retrospektive Analyse verglich daher in diesem Setting Temozolomid+Cisplatin für sechs Zyklen mit dem PD-1-Antikörper Toripalimab 3mg/kg i.v. alle zwei Wochen für 52 Wochen.4 Aus einem Kollektiv, das zwischen 2013 und 2019 behandelt wurde, ermittelten die Wissenschaftler mithilfe von „propensity score matching“ 65 Patient:innenpaare mit ähnlichen Baseline-Charakteristika.
Temozolomid plus Cisplatin war dem Immuncheckpoint-Inhibitor auf eindrückliche Weise überlegen (Tab. 1). Für das RFS resultierte eine 36%ige Verlängerung in der Chemotherapiegruppe mit Dreijahresraten von 40,4% vs. 27,3%. Eine ähnliche Risikoreduktion fand sich im Hinblick auf das Überleben ohne Fernmetastasierung (DMFS). „Ebenso wie beim RFS zeigten die Kurven von Beginn an eine Auftrennung“, erklärte Dr. Jun Guo, Beijing Melanoma Center, China.
Auch in Bezug auf das Gesamtüberleben (OS) wurde ein signifikanter Vorteil gegenüber Toripalimab verzeichnet. In allen Subgruppen schnitt die Chemotherapie im Hinblick auf RFS, DMFS und OS besser ab. Bei Vorliegen einer PD-L1-Positivität bewirkte Toripalimab ein etwas längeres RFS und DMFS als bei PD-L1-Negativität, wodurch der Unterschied zur Chemotherapie schrumpfte. Guo: „Allerdings ist die Aussagekraft dieser Analyse durch kleine Fallzahlen eingeschränkt.“ Rezidive basierten in beiden Gruppen hauptsächlich auf Fernmetastasen, und auch die Nachfolgetherapien unterschieden sich nur geringfügig.
Diese Beobachtungen stehen in Übereinstimmung mit den molekularen Besonderheiten des Schleimhautmelanoms, das im Vergleich zu anderen Melanomen durch eine niedrigere Tumormutationslast und Immuninfiltration charakterisiert ist.5 „Aufgrund der verringerten Zahl an Neoantigenen findet sich eine herabgesetzte Sensibilität gegenüber PD-1-Inhibitoren.“ Insgesamt stellt die adjuvante Chemotherapie im Anschluss an die Resektion eines Schleimhautmelanoms angesichts dieser Daten nach wie vor die bessere Option dar, wie Guo resümierte. Randomisierte Head-to-Head-Studien sind jedoch notwendig, um die Ergebnisse zu bestätigen.
Resektion bei Melanom mit isolierten Hirnmetastasen
Rund 40–50% der Patient:innen mit Melanom im Stadium IV entwickeln langfristig Hirnmetastasen, die bekanntermaßen mit einer ungünstigen Prognose einhergehen.6,7 Fahmawi S et al. evaluierten den Überlebensvorteil durch Metastasektomie und Primumresektion bei Melanompatient:innen mit isolierten Hirnmetastasen, deren Daten aus dem SEER-Register gewonnen wurden.8 636 zwischen 2010 und 2019 behandelte Personen wurden identifiziert; von diesen erhielt die Hälfte eine Metastasektomie, und in 25% erfolgte zudem eine Resektion des Primärtumors.
Gemäß der Cox-Regressionsanalyse war eine Metastasektomie mit einer Überlebensverlängerung assoziiert (HR: 0,51; p<0,001), was auch auf die Resektion des Primums zutraf (HR: 0,64; p=0,001). Den besten Überlebenseffekt bewirkten weiträumige Exzisionen oder Reexzisionen mit freien Schnitträndern >1cm und mikroskopisch negativen Rändern (HR: 0,27; p<0,001 vs. keine Operation). Alle anderen Eingriffe im Bereich des Primums hatten keinen signifikanten Überlebensvorteil zur Folge. Diese Art der Resektion sollte daher wann immer möglich angestrebt werden, wie die Autor:innen abschließend festhalten.
Quelle:
Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), 2.–6. Juni 2023, Chicago
Literatur:
1 Zuur CL et al.: Towards organ preservation and cure via 2 infusions of immunotherapy only, in patients normally undergoing extensive and mutilating curative surgery for cutaneous squamous cell carcinoma: An investigator-initiated randomized phase II trial—the MATISSE trial. J Clin Oncol 2023; 41 (Suppl. 16): Abstr #9507 2 McLaughlin CC et al.: Incidence of noncutaneous melanomas in the U.S. Cancer 2005; 103(5): 1000-7 3 Chi Z et al.: Clinical presentation, histology, and prognoses of malignant melanoma in ethnic Chinese: a study of 522 consecutive cases. BMC Cancer 2011; 11: 85 4 Lian B et al.: J Clin Oncol 2023; 41 (Suppl. 16): Temozolomide plus cisplatin versus toripalimab (anti-PD-1) as adjuvant therapy in resected mucosal melanoma. Abstr #9508 5 Xiao X et al.: Multiplexed imaging mass cytometry reveals distinct tumor-immune microenvironments linked to immunotherapy responses in melanoma. Commun Med (Lond) 2022; 2: 131 6 Patel JK et al.: Metastatic pattern of malignant melanoma. A study of 216 autopsy cases. Am J Surg 1978; 135: 807-10 7 Davies MA et al.: Prognostic factors for survival in melanoma patients with brain metastases. Cancer 2011; 117: 1687-96 8 Fahmawi S et al.: Survival outcomes of metastasectomy and primary site resection in melanoma patients with isolated brain metastasis: a SEER analysis. J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 16): Abstr. #e21541
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