
Behandlung von Lungentumoren mit „Single Fraction“-Stereotaxie
Autorin:
OÄ Dr. Gisela Gastinger-Grass
Zentrum für Radioonkologie und Strahlentherapie
Klinik Donaustadt, Wien
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Die Stereotaxie (Hochpräzisionsbestrahlung) ist eine etablierte Behandlungsmethode für primäre und sekundäre maligne Tumoren der Lunge. Außer der üblichen fraktionierten Bestrahlung bestehend aus drei bis zehn Behandlungen („Multi Fraction“) gibt es für selektionierte Patient:innen auch die Option einer Einzeitbestrahlung („Single Fraction“).
Keypoints
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Durch Screeninguntersuchungen werden immer mehr Patient:innen mit Lungenkrebs im Frühstadium diagnostiziert, gleichzeitig verbessern sich aufgrund von zielgerichteten systemischen und lokalen Therapien die Behandlungsoptionen bei Oligometastasierung.
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Im Falle internistischer Vorerkrankungen oder funktioneller Inoperabilität ist die Lungenstereotaxie eine valide Behandlungsalternative zur Operation.
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Die „Single Fraction“ ist bei inoperablen Patient:innen mit kleinen, peripheren Tumoren äquieffektiv zur Mehrzeitbestrahlung und nebenwirkungsarm.
Schädel- und Körperstereotaxie sind mittlerweile gängige Behandlungsmethoden bei kleinen Tumoren. Während im Gehirn sowie bei Wirbelsäulenläsionen Einzeitbestrahlungen schon lange üblich sind, ist man derzeit bei atembeweglichen Organen (Lunge, Oberbauchorgane) noch zurückhaltend. Speziell die Lunge stellt hier aufgrund atemabhängiger Tumorbewegungen von bis zu 20mm vor allem in kraniokaudaler Richtung eine Herausforderung dar. Dank technischer Fortschritte begegnet man dieser Schwierigkeit heute bereits anders als noch vor ein paar Jahren.
Moderne Bestrahlungstechniken
Anstelle der routinemäßigen 3D-Planungs-CT erfolgt als Vorbereitung für eine Lungenstereotaxie meistens initial eine 4D-CT mit dem zusätzlichen Aspekt der simultanen Aufzeichnung der Atemkurve der Patient:innen. Nach Rekonstruktion und Synchronisierung der Bilder mit den Atemphasen wird das Tumorvolumen („gross tumor volume“, GTV) auf mindestens zehn Phasen durch Ärzt:innen grafisch definiert und so das ITV („internal target volume“) erstellt, das jenes Volumen darstellt, das die gesamte Atembewegung des Tumors abbildet. Aus dem ITV wird ein PTV („planning target volume“) generiert, welches das eigentliche Planungszielvolumen inkl. Sicherheitssaum ist.
Abb. 1: Stereotaxiebestrahlungsplan „Single Fraction“ einer Patientin mit einer größenprogredienten, PET-positiven Läsion im rechten Oberlappen. Im Zentrum findet sich ein Dosismaximum von über 30Gy mit einem steilen Dosisabfall zum Randbereich hin
Die weitere Bestrahlungsplanung erfolgt computergestützt, meistens als D-CAT („dynamic conformal arc therapy“), wobei sich Dosisleistung, Größe und Form des Bestrahlungsfeldes sowie die Rotationsgeschwindigkeit während der Bestrahlung ändern, um eine optimale Anpassung der Dosis an die Form des Zielgebiets zu erreichen.
Die Bestrahlung selbst erfolgt unter IGRT(„image guided radiotherapy“)-Bedingungen mittels In-Room-Bildgebung per Cone-Beam-CT (integrierte Bildgebung am Linearbeschleuniger [Linac]), die eine sofortige Korrektur der Patient:innenposition ermöglicht.
Zur Atemüberwachung dient das C-RAD-System (Catalyst), das einerseits eine Lagerungshilfe darstellt und andererseits ein Gating ermöglicht, also eine Bestrahlung nur in vordefinierten Atemphasen. Hierfür verwendet man zum Teil auch noch Bauchpressen, die eine stärkere Atemexkursion der Patient:innen mit konsekutiver Verschiebung des Zielgebiets nicht zulassen. Alternativ zum 4D-ITV-Konzept werden bei zwerchfellnahen, besonders atembeweglichen Lungentumoren Planungs-CT und Bestrahlung in DIBH („deep inspiration breath-hold“) durchgeführt, sofern dies die Patient:innen tolerieren.
Indikationen
Die Stereotaxie ist eine verbreitete Behandlungsmethode für primäre und sekundäre Malignome der Lunge. Screeninguntersuchungen für Risikogruppen, aber auch Zufallsbefunde im Rahmen anderer Untersuchungen führen zu einer immer größeren Anzahl von Patient:innen, die im Frühstadium einer Lungenkrebserkrankung diagnostiziert und daher rein lokal kurativ behandelt werden können. Auch im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium bei Oligometastasierung oder einem Oligoprogress kommen lokale Verfahren zum Einsatz.
Wenngleich die operative Sanierung bei jüngeren, ansonsten gesunden Patient:innen in der Regel immer noch Methode erster Wahl ist, ist die Stereotaxie bei aufgrund von Alter, Allgemeinzustand, Vorerkrankungen oder funktionell nicht operablen Patient:innen zumindest eine Behandlungsalternative mit vergleichbarem onkologischem Outcome bei geringer Toxizität.
Fraktionierung: „Single Fraction“ vs. „Multi Fraction“
Traditionell werden Bestrahlungen als fraktionierte Therapien durchgeführt, wobei die konventionelle Fraktionierung eine Einzeldosis von 1,8–2Gy aufweist und die Gesamtbehandlungsdauer mehrere Wochen beträgt. Bei einer Stereotaxie liegt die Einzeldosis definitionsgemäß bei mindestens 5Gy, wodurch eine größere biologische Strahlenwirksamkeit pro Sitzung erzielt wird und daher weniger Behandlungseinheiten erforderlich sind, typischerweise nicht mehr als zehn. Dies ist derzeit jedoch nur bei kleineren Tumoren ohne unmittelbaren Nahebezug zu Risikostrukturen möglich.
International übliche Therapiekonzepte sind 3x20Gy, 4x12Gy, 8x7,5Gy oder 10x5Gy, wobei die Art der Dosisvorschreibung, die die Steilheit des Dosisgradienten am Rande des Zielgebiets vorgibt, von entscheidender Bedeutung ist. Ausgehend vom angloamerikanischen Sprachraum gibt es aus Gründen der Kosteneffizienz und bedingt durch die oftmals langen Anreisewege schon länger Bestrebungen, Behandlungen möglichst kurz und effizient zu gestalten. Mehrere Publikationen haben gezeigt, dass bei ausgewählten Patient:innen mit kleinen, in der Lungenperipherie gelegenen Läsionen mithilfe moderner Bestrahlungstechniken auch Einzeitbestrahlungen zu einem exzellenten onkologischen Ergebnis führen können.
Abb. 3: CTThorax 10 Monate post radiationem: minimale postaktinische Veränderungen, kein Rundherd mehr abzugrenzen
Für das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) im Frühstadium gibt es zwei randomisierte Phase-II-Studien, die RTOG-0915-Studie1 und den Roswell-Park-Trial.2 In der RTOG-0915-Studie erhielten die Patient:innen entweder eine SBRT-„Single Fraction“ à 34Gy oder aber eine Mehrzeitbestrahlung mit 4x12Gy. Nach einem Follow-up von fünf Jahren waren die Toxizitätsrate mit 2,6% vs. 11,1% sowie die lokale Kontrollrate mit 89,4% vs. 93,2% immer noch vergleichbar. Ähnliche Ergebnisse zeigte der Roswell-Park-Trial, in dem man eine „Single Fraction“ à 30Gy mit 3x20Gy verglich. Auch hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied, sowohl die Toxizitätsrate nach zwei Jahren mit 17% vs. 15% als auch die lokale Kontrollrate mit 95% vs. 97% betreffend.
Für Lungenmetastasen verschiedenster anderer Malignome gibt es ebenso gute Daten zur Einzeitbestrahlung, hier ist vor allem der australisch-neuseeländische SAFRON-Trial3 zu erwähnen, für den Patient:innen mit ein bis drei Metastasen nichthämatologischer Malignome inkludiert wurden. Diese erhielten entweder eine „Single Fraction“ mit 28Gy oder 4x12Gy für jede einzelne Metastase.
Höhergradige Toxizitäten waren mit <5% selten, die lokale Kontrollrate nach einem und drei Jahren lag bei 93% und 64% für die „Single Fraction“ und bei 95% und 80% für die „Multi Fraction“. Eine Subgruppenanalyse ergab, dass die schlechtere lokale Kontrolle nach drei Jahren bei einer Einzeitbestrahlung eigentlich nur bei SBL von kolorektalen Karzinomen auftrat, weshalb bei dieser etwas strahlenresistenteren Histologie eine Dosiseskalation bis 30–34Gy empfohlen wird.
Einen signifikanten Unterschied zwischen Gesamtüberleben, krankheitsfreiem Überleben oder Lebensqualität zwischen den Fraktionierungen gab es auch für die Indikation Lungenmetastasen nicht.
An unserem Institut führen wir die „Single Fraction“ seit September 2022 durch, bisher haben wir zwölf Patient:innen so behandelt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es keinen Hinweis auf ein Rezidiv (Nachsorge mittels CT-Thorax alle drei Monate, bei Unklarheiten FDG-PET-CT). Radiomorphologisch zeigte sich durchgängig eine geringere Reaktion des Lungengewebes als nach der „Multi Fraction“, subjektiv kam es bei den Patient:innen zu keiner Zunahme von Dyspnoe oder FEV1, die Lebensqualität hat sich infolge der Bestrahlung nicht verschlechtert.
Zusammenfassend ist die „Single Fraction“ bei peripheren, kleinen Läsionen (<2cm Durchmesser) äquieffektiv und so nebenwirkungsarm wie die „Multi Fraction“. Sie bietet eine geringe Kostenersparnis im Vergleich zur „Multi Fraction“ bei hoher Patient:innenzufriedenheit. Die lokale Kontrolle ist so hoch wie bei der SABR im Allgemeinen und lässt sich, genauso wie die Fernmetastasierungsrate, vermutlich durch die Kombination mit einer Immuntherapie weiterverbessern (siehe I-SABR-Trial).
Literatur:
1 Videtic GM et al.: Long term follow-up on NRG Oncology RTOG 0915 (NCCTG N0927): a randomized phase II study comparing 2 stereotactic body radiation therapy schedules for medically inoperable patients with stage I peripheral non-small cell lung cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2019; 103(5): 1077-84 2 Singh AK et al.: One versus three fractions of stereotactic body radiation therapy for peripheral stage I to II non-small cell lung cancer: a randomized, multi-institution, phase 2 trial. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2019; 105(4): 752-9 3 Siva S et al.: Long-term outcomes of TROG 13.01 SAFRON II randomized trial of single- versus multifraction stereotactic ablative body radiotherapy for pulmonary oligometastases. J Clin Oncol 2023; 41(19): 3493-8
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