
Aufbau der Interdisziplinären Onkologischen Nachsorgeambulanz (IONA)
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Alexandra Böhm
Interdisziplinäre Onkologische Nachsorgeambulanz (IONA)
Mein Gesundheitszentrum Mariahilf
Österreichische Gesundheitskasse
Wien
E-Mail: alexandra.boehm@oegk.at
Im Rahmen der heurigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie wurde im Rahmen der Sitzung „Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs in Europa“ dieerfolgreiche Umsetzung der Interdisziplinären Onkologischen Nachsorgeambulanz (IONA) für Patient*innen mit Krebs im Kindes- und Jugendalter im Wiener Gesundheitszentrum Mariahilf vorgestellt.
Keypoints
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IONA bietet eine interdisziplinäre standardisierte Langzeitnachsorge von Patienten ab dem Alter von 18 Jahren, die im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenenalter hämato-/onkologisch erkrankt sind und ihre medizinische Therapie und Kurzzeitnachsorge an der zuständigen Klinik abgeschlossen haben.
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IONA begleitet Patienten in ihrem Transitionsprozess von den Kinderkliniken in den Erwachsenenbereich durch enge Zusammenarbeit mit den zuweisenden Spitälern.
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IONA ermöglicht die Abklärung von medizinischen Fragestellungen vor dem Hintergrund der hämato-/onkologischen Vorgeschichte.
Krebs im Kindes- und Jugendalter kann heute in sehr vielen Fällen erfolgreich behandelt werden. Die Betroffenen werden in Wien – je nach hämato-/onkologischer Grunderkrankung – entweder im St. Anna Kinderspital oder an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde (Neuroonkologie) betreut. Auch nach Abschluss der Therapie sind die Patient*innen bisher über viele Jahre für die Kurzzeitnachsorge in den Kinderspitälern geblieben – zum Teil auch noch weit ins Erwachsenenalter hinein. Danach waren sie jedoch oft auf sich alleine gestellt und mussten sich die erforderlichen Untersuchungen für die lebenslang notwendige Langzeitnachsorge im niedergelassenen Bereich selbst organisieren. Diese sogenannte „Transition“ gelang aber oft nicht, da die Erkennung und Behandlung von multifaktoriellen therapie- und krankheitsassoziierten Folgeerkrankungen (Abb. 1) entsprechende Expertise benötigen.
Abb. 1: Potenzielle Spätfolgen einer hämato-/onkologischen Erkrankung im Kindes- und Jugendalter
Nun bietet die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) seit Anfang 2020 im Gesundheitszentrum Mariahilf eine altersgerechte medizinische und psychosoziale Langzeitnachsorge. Damit wurde ein seit Langem geäußerter Wunsch der betreuenden Spitäler und der Interessenvertretungen der Betroffenen (wie der „Survivors“ der Österreichischen Kinderkrebshilfe) erfüllt. Möglich macht dies eine Kooperation zwischen der Stadt Wien und der ÖGK. Die Stadt Wien finanziert den Großteil des Pilotprojekts, mit Unterstützung durch die Kinder-Krebshilfe Wien-NÖ-Bgld. Die gemeinsame Planung hat wesentlich zur erfolgreichen Umsetzung der Ambulanz beigetragen.
IONA ist eng an die Expertise der Hämato-Onkologischen Abteilung (3. Medizinische Abteilung) des Hanusch-Krankenhauses, Wien, angebunden, beides wird von Prim. Univ. Prof. Dr. Felix Keil geleitet. Bei der betreuenden Hämato-/Onkologin vor Ort handelt es sich um die Verfasserin dieses Beitrages, Priv.-Doz. Dr. Alexandra Böhm. Mit einem Team aus zwei klinischen Psychologinnen (Mag. Sarah Rinner und Mag. Theresa Missmann) und einer Sozialarbeiterin (Marlene Huemer, BA) bietet sie den sogenannten „Survivors“ eine spezialisierte Betreuung an. Diese umfasst an die Behandlung und Erkrankung angepasste Kontrolluntersuchungen und Beratung zu Risikofaktoren, um mögliche Spätfolgen früh zu erkennen und zu behandeln, von denen bis zu zwei Drittel der Survivors betroffen sind. Dazu kommen eine psychosoziale Betreuung bei Problemen mit der Stimmung, der Konzentration und dem Gedächtnis, in Beziehungen, mit der Familie, am Arbeitsplatz etc., Beratung zu sozialrechtlichen Fragen und gegebenenfalls eine neuropsychologische Diagnostik. Die Administration und Terminvereinbarungen übernimmt eine Verwaltungskraft. Das Gesundheitszentrum bietet darüber hinaus mit seinem breiten fachärztlichen Spektrum ein optimales multiprofessionelles Netzwerk für diese Patient*innengruppe.
Erfolgreicher Start
Seit dem Start der Ambulanz Anfang 2020 wurden bereits mehr als 300 Patient*innen übernommen, bei denen die Erstdiagnose zum Teil 40 Jahre her ist. Der überwiegende Teil der Patient*innen ist an einem Tumor des Zentralnervensystems (ZNS), einer akuten Leukämie oder einem Lymphom erkrankt (Abb. 2) und wird direkt vom St. Anna Kinderspital und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde zugewiesen. Dadurch kann eine kontinuierliche Betreuung garantiert werden. Sowohl zwischen den betreuenden Ärzt*innen als auch Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen und Verwaltungsangestellten findet in entsprechenden Boards kontinuierlich ein Austausch statt, der möglichst reibungslose Abläufe und einen Informationsfluss ermöglicht. Auch während der akuten Phasen der Covid-19-Pandemie werden per Video- und Audiotelefonie gemeinsame Gespräche durchgeführt. Das Erstgespräch erfolgt gemeinsam mit der Ärztin und einer der beiden Psychologinnen und dauert durchschnittlich bis zu eine Stunde. Anschließend werden die weiteren notwendigen Untersuchungen und Abläufe besprochen, es erfolgt eine psychosoziale Anamnese und danach konzentriert sich jede Berufsgruppe auf die jeweiligen individuellen Fragestellungen. Mit der IONA wurde eine Versorgungslücke geschlossen. Sie ist für junge Erwachsene von großer Bedeutung und verbessert das Service für die Patient*innen deutlich.
Literatur:
bei der Verfasserin
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