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ASCO 2020: Highlights beim metastasierten Mammakarzinom

Die Jahrestagung der American Society of Oncology 2020 unterschied sich von allen bisherigen schon durch das virtuelle Format, erfreulicherweise wurden dennoch die Ergebnisse einiger wesentlicher Studien präsentiert. Der vorliegende Artikel stellt eine subjektive Auswahl der Highlights auf dem Gebiet des metastasierten Mammakarzinoms dar.

KEYNOTE-355

Mit KEYNOTE-3551 wurden erstmals Phase-III-Daten zum PD-1-Inhibitor Pembrolizumab in Kombination mit Chemotherapie in der First-Line-Therapie des metastasierten tripelnegativen Mammakarzinoms präsentiert. Insgesamt wurden 847 Patientinnen eingeschlossen und 2:1 zu Chemotherapie (Paclitaxel, nab-Paclitaxel oder Carboplatin/Gemcitabin) mit Pembrolizumab oder Placebo randomisiert. Die koprimären Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS) in der PD-L1-positiven Population und der Gesamtpopulation (ITT) sowie das Gesamtüberleben (OS), wobei letztere Ergebnisse noch nicht vorgestellt wurden. Im Unterschied zur IMpassion130-Studie konnten in KEYNOTE-355 auch Patientinnen mit einem erkrankungsfreien Überleben ≥6 Monate/ <12 Monate eingeschlossen werden, was relevant ist, da gerade beim tripelnegativen Brustkrebs häufig Frührezidive zu beobachten sind. Der PD-L1-Status wurde mittels des 22C3-Assays nach dem CPS-Score („combined positive score“; Expression von PD-L1 auf Tumorzellen und Immunzellen) determiniert. In der Patientengruppe mit einem CPS-Score ≥10 zeigte sich durch die Addition von Pembrolizumab eine klinisch relevante Verlängerung des PFS von 5,6 auf 9,7 Monate (HR: 0,65; 95% CI: 0,49–0,86; p=0,0012), mit 2 bzw. 1,9 Monaten Unterschied wurde das Outcome in der Kohorte mit CPS ≥1 und in der ITT-Population nicht signifikant verbessert. In den Subgruppenanalysen zeichnete sich kein eindeutiger Trend ab, welche Patientinnen besonders stark oder besonders wenig von der Kombination profitieren. Die Toxizität war insgesamt vergleichbar, erwartungsgemäß waren jedoch deutlich mehr immunmediierte Nebenwirkungen unter Pembrolizumab zu beobachten. Diese betrafen jedoch in erster Linie Schilddrüsenfunktionsstörungen, schwere Komplikationen wie Pneumonitiden waren hingegen selten. Die vorliegenden Daten bestätigen also die Ergebnisse von IMpassion130 und unterstützen die Annahme, dass die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei immunogenen Formen des tripelnegativen Mammakarzinoms eine wesentliche Rolle spielt. Die potenzielle Immunogenität der Erkrankung kann derzeit am ehesten anhand der PD-L1-Expression erfasst werden, wobei in KEYNOTE-355 und IMpassion130 unterschiedliche Assays verwendet wurden. In Zusammenschau mit anderen Studien zeichnet sich auch die Conclusio ab, dass Immuntherapeutika vor allem bei frühem Einsatz und bei Kombination mit Chemotherapie wirksam sind. Zum jetzigen Zeitpunkt ist in Anbetracht der noch ausständigen Daten zum Gesamtüberleben ein direkter Vergleich zwischen dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab und dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab nicht möglich, auch die Zulassung von Pembrolizumab beim tripelnegativen Mammakarzinom ist erst nach Vorliegen der OS-Daten zu erwarten.

TBCRC 048

Die Poly-ADP-Ribose-Polymerase(PARP)-
Inhibitoren Olaparib und Talazoparib sind beim Mammakarzinom gegenwärtig zur Therapie der metastasierten Erkrankung mit nachgewiesener BRCA1-oder BRCA2-Keimbahnmutation zugelassen. Durch die Blockade von PARP wird die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen verhindert, die resultierenden Doppelstrangbrüche können aufgrund der BRCA-assoziierten homologen Rekombinationsdefizienz (HRD) nicht repariert werden. Da HRD jedoch nicht ausschließlich als Folge einer BRCA-Keimbahnmutation auftritt, stellt sich die Frage, ob PARP-Inhibitoren auch bei anderen Ursachen der HRD wirksam sind. Insgesamt 54 Patientinnen wurden in die einarmige Phase-II-Studie TBCRC 048 eingeschlossen.2 Die Patientinnen mussten eine nachgewiesene Keimbahnmutation in Genen aufweisen, die mit DNA-Reparatur in Verbindung stehen (ATM, ATR, BARD1, BRIP1, CHEK2, FANCA, FANCC, FANCD2, FANCE, FANCF, FANCM, MRE11A, NBN, PALB2, PTEN, RAD50, RAD51C, RAD51D), auch Patientinnen mit somatischer BRCA1/2-Mutation waren erlaubt, jedoch durfte keine Keimbahn-BRCA1/2-Mutation bestehen. Die häufigsten genetischen Alterationen waren Keimbahnmutationen in ATM, CHEK2 und PALB2 sowie somatische BRCA1/2-Mutationen. In Kohorte 1 (Patientinnen mit Keimbahnmutationen, n=27) war eine Ansprechrate von 33% zu beobachten, wobei ein Ansprechen einzig bei Patientinnen mit PALB2-Mutation zu beobachten war (n=11, Ansprechrate: 82%). Bei Patientinnen mit somatischer BRCA1/2-Mutation betrug die Ansprechrate 50%. Natürlich können diese Ergebnisse nur als präliminär angesehen werden, es zeichnet sich jedoch ab, dass PARP-Inhibitoren auch jenseitsder Keimbahn-BRCA-Mutation eine Rolle spielen werden.

HER2CLIMB

Im Rahmen dieser großen randomisierten Phase-II-Studie wurde bei 612 Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs Capecitabin/Trastuzumab plus Placebo mit Capecitabin/Trastuzumab plus Tucatinib verglichen.3 Dabei handelt es sich um einen Tyrosinkinasehemmer mit spezifischer inhibitorischer Aktivität gegen HER2, weshalb eine niedrigere Diarrhörate im Vergleich zu Lapatinib und Neratinib beschrieben wurde. Die initialen Ergebnisse von HER2CLIMB waren bereits im Rahmen des San Antonio Breast Cancer Symposium 2019 berichtet worden, es fand sich in einer stark vorbehandelten Population (vorherige Therapie mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 verpflichtend) eine signifikante und klinisch relevante Verlängerung des PFS (HR: 0,54; 95% CI: 0,42–0,71; p<0,001) und OS (HR: 0,66; 95% CI: 0,50–0,88, p=0,005) unter Tucatinib. Bei HER2CLIMB ist hervorzuheben, dass 291/612 (47,5%) Patientinnen bei Einschluss Hirnmetastasen hatten, davon 174 aktive Hirnmetastasen, also neu diagnostiziert oder progredient nach vorheriger Lokaltherapie. Das macht diese Studienpopulation einzigartig, und entsprechend groß war das Interesse an den Ergebnissen in der Hirnmetastasenkohorte, speziell bei aktiver zerebaler Erkrankung.

Diese Ergebnisse wurden nun im Rahmen des ASCO 2020 präsentiert. In der Gesamtkohorte von Patientinnen mit Hirnmetastasen zeigte sich konsistent mit den oben genannten Ergebnissen eine deutliche Verlängerung von PFS (9,9 vs. 4,2 Monate; HR: 0,32; 95% CI: 0,22–0,48; p<0,00001) und OS (18,1 vs. 12 Monate; HR: 0,58; 95% CI: 0,4–0,85; p=0,005). Beeindruckend war die Tatsache, dass bei Patientinnen mit aktiven Hirnmetastasen, die zweifelsohne die problematische Gruppe darstellten, die Ergebnisse sowohl in Hinblick auf PFS (9,5 vs. 4,1 Monate; HR: 0,36; 95% CI: 0,22–0,57; p<0,0001) als auch OS (20,7 vs. 11,6 Monate; HR: 0,49; 95% CI: 0,30–0,80; p=0,004) vergleichbar waren. Die Ansprechrate bei intrazerebralen Metastasen betrug 47% bzw. 20% in der Tucatinib- bzw. der Placebogruppe. Bei
akzeptabler Verträglichkeit zeichnet sich mit Tucatinib also eine neue Standardoption bei Patientinnen mit Hirnmetastasenab.

ECOG-ACRIN 2108

Initiale Daten von Beobachtungsstudien suggerierten einen Überlebensvorteil bei Operation des Primärtumors bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs. Ein solcher Effekt konnte in drei randomisierten Studien aus Indien, der Türkei und von der österreichischen ABCSG nicht nachgewiesen werden, nunmehr wurden Daten einer vierten, prospektiven randomisierten Studie aus den USA vorgestellt.4 Insgesamt 256 Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs und stabiler Erkrankung nach 4–8 Monaten systemischer Therapie wurden zu Operation oder Kontrolle randomisiert. Zwischen den beiden Gruppen war kein Unterschied in Hinblick auf PFS und OS zu verzeichnen, in der kleinen Kohorte der tripelnegativen Tumoren wurde sogar ein numerischer OS-Nachteil in der Lokaltherapiegruppe beobachtet (HR: 3,5; 95% CI: 1,16–10,57). Somit bleibt die Lokaltherapie des Primärtumors auf Einzelfälle beschränkt.

Zusammenfassung

Insgesamt gesehen unterstreichen die Daten von KEYNOTE-355, dass die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren tatsächlich eine relevante Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten bei tripelnegativem metastasiertem Brustkrebs darstellt, TBCRC 048 stärkt die Hypothese, dass PARP-Inhibitoren auch jenseits der BRCA-Keimbahnmutation eine Rolle spielen werden. Die Aktivität von Tucatinib bei Hirnmetastasen war begeisternd und diese Substanz bietet basierend auf den Daten von HER2CLIMB die Chance für eine prolongierte Erkrankungskontrolle in einer Population von Patientinnen mit Hirnmetastasen. Zuletzt wurde mit der ECOG-ACRIN-2108-Studie bedauerlicherweise eine weitere Studie präsentiert, in der sich durch die frühe operative Sanierung des Primärtumors kein Benefit für die Patientinnen zeigte.

1 Cortez J et al.: ASCO 2020, Abstr. #1000; 2 Tung N et al.: ASCO 2020, Abstr. #1002 3 Lin NU et al.: ASCO 2020, Abstr. #1005 4 Khan SA et al.: ASCO 2020, Abstr. #LBA2

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