Antihypertensiva und Krebsrisiko
Autor:
Univ.-Prof. PD DDr. Thomas Weiss, PhD FESC
Internist und Kardiologe
Lehrstuhl für experimentelle Kardiologie, Sigmund Freud Universität Wien
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Seit mehreren Jahrzehnten wird versucht, einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antihypertensiva und einem erhöhten Krebsrisiko zu belegen oder zu verwerfen. Nach wie vor herrscht Uneinigkeit.
Birgt die Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten ein Krebsrisiko? Dieses Thema wird schon sehr lange diskutiert. Seit 50 Jahren stehen Antihypertensiva im Verdacht, das Tumorrisiko zu erhöhen. Entsprechend lang wurde dieser Frage nachgegangen und in Publikationen in namhaften Journalen, wie „The Lancet“, erörtert, ob Antihypertensiva das Tumorrisiko erhöhen.
Eine eindeutige Antwort wurde bei den damals gängigen Medikamenten, wie beispielsweise Rauvolfia (Indische Schlangenwurzel), nicht gefunden. Immer wieder gab es auf Basis von Ergebnissen einiger Kohortenstudien und Metaanalysen Aufreger rund um unterschiedliche Wirkstoffe – allen voran Thiaziddiuretika, die fallweise eine leicht erhöhte Inzidenz für dermatologische Tumoren bei hoher kumulativer Dosis aufweisen (Tab. 1).
Tab. 1: Fallweise leicht erhöhte Inzidenz für dermatologische Tumoren bei hoher kumulativer Dosis von Thiaziddiuretika. Modifiziert nach Battistoni A 2020
Bisherige Forschung
Allerdings gibt es hier große regionale Unterschiede. Während eine dänische Forschungsgruppe Assoziationen zwischen hohen Kumulativdosen (>200000mg) Hydrochlorothiazid (HCT), die einer Einnahme von 12,5mg über einen Zeitraum von 43 Jahren entsprechen, und der Entwicklung eines Basalioms fand, gibt es umgekehrte Ergebnisse aus Korea. Mit höherer Kumulativdosis HCT war in den Arbeiten einer koreanischen Gruppe bei Untersuchungen von 3,5 Millionen Patient:innen die Inzidenz von Hauttumoren geringer (Abb. 1). Eine eindeutige Antwort gibt es bis heute nicht.
Abb. 1: Inzidenz von Hauttumoren („non-melanoma skin cancer“ [NMSC] und Melanome) bei Untersuchungen von 3,5 Millionen Patient:innen mit Hydrochlorothiazid-Therapie. Modifiziert nach Park E et al. 2022
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden UV-Belastung in den letzten 40 Jahren und eher hellem Hauttyp in Skandinavien sind diese Ergebnisse sicher mit Vorsicht zu interpretieren, zumal auch die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Felix Mahfoud in einer experimentellen, randomisierten Studie keinen zusätzlichen Hinweis auf DNA-Schädigung unter HCT-Einnahme bei UV-Exposition feststellen konnte (Abb. 2). Nichtsdestotrotz ist aufgrund der bekannten Erhöhung der Photosensibilität durch HCT eine gewisse Vorsicht bei der Einnahme von Thiaziddiuretika geboten (siehe Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie).
Abb. 2: UV-Strahlung 1957–2010. Modifiziert nach Herman JR 2010
Durch das erhöhte Tumorrisiko bei Hypertonie an sich ist die Untersuchung einer möglichen Veränderung des Tumorrisikos durch Antihypertensiva stets von einem kaum statistisch korrigierbaren Bias begleitet. Dies erklärt zusammen mit einem veränderten kanzerogenen Risikokontinuum der letzten 50 Jahre zu einem großen Teil die diskrepanten Untersuchungsergebnisse.
Neben zahlreichen Studien zur Erhöhung des Tumorrisikos gibt es auch einige Arbeiten über tumorprotektive Wirkungen, die allerdings oftmals durch eine Reduktion der kardiovaskulären Endpunkte durch eine adäquate Blutdruckkontrolle verwässert sind.
Fazit und Empfehlungen
Als Fazit bleiben inhomogene Ergebnisse und das Fehlen eines definitiven Beweises für einen Zusammenhang zwischen Antihypertensiva und Krebsrisiko. Wichtig ist, zwischen Assoziation und kausalem Zusammenhang zu unterscheiden – Letzterer wurde bis heute nicht eindeutig belegt. Stellt man den kardiovaskulären Nutzen dem kanzerogenen Risiko gegenüber, überwiegt der Benefit einer antihypertensiven Therapie bei Weitem.
Es gibt dahingehend auch klare Empfehlungen seitens der Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie:
-
Kein Absetzen oder Umstellen von Hydrochlorothiazid
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Regelmäßige Selbstkontrolle und alle zwei Jahre eine ärztliche Kontrolle der Haut
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Übermäßige UV-Exposition meiden
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Die allgemeinen Empfehlungen zum Schutz vor Hautkrebs befolgen
Literatur:
● Wenzel RR, Mayer G: Antihypertensiva & Krebs. Austr J Hypert 2019; 23(1): 8-17 ● Dyer AR et al.: High blood-pressure: a risk factor for cancer mortality? Lancet 1975; 1(7915): 1051-6 ● Aromaa A et al.: Breast cancer and use of rauwolfia and other antihypertensive agents in hypertensive patients: a nationwide case-control study in Finland. Int J Cancer 1976; 18(6): 727-38 ● Herman JR: Global increase in UV irradiance during the past 30 years (1979–2008) estimated from satellite data. J Geophys Res Atmos 2010 ● Lemus-Deschamps L, Makin JK: Fifty years of changes in UV Index and implications for skin cancer in Australia. Int J Biometeorol 2012; 56(4): 727-35 ● Park E et al.: A study of the therapeutic mechanism of Jakyakgamcho-Tang about functional dyspepsia through network pharmacology research. Korean Int Med 2022; 19(13): 1824-34 ● Battistoni A et al.: Antihypertensive drugs and the risk of cancer: a critical review of available evidence and perspective. J Hypertens 2020; 38(6): 1005-15. doi: 10.1097/HJH.0000000000002379. PMID: 32371788
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