„Man braucht ganz viel Kampfgeist“
Das Interview führte Dr. Gabriele Senti
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Studium, Teilzeitjob, Vereinsleitung, Fitnesstraining, Konzertbesuche. Tina Holmes führt ein beeindruckend aktives Leben. Und das, obwohl sie aufgrund ihrer Erkrankung an spinaler Muskelatrophie (SMA) dabei auf einen Rollstuhl und persönliche Assistenz angewiesen ist. Was sie antreibt? Ungerechtigkeit!
Frau Holmes, was war Ihr größter Erfolg in Bezug auf Ihre Erkrankung?
T. Holmes: Es gab bisher schon sehr viele Höhen und Tiefen. Mein größter Erfolg ist, dass aufgrund eines neuen Medikaments der Krankheitsverlauf nicht nur gestoppt wurde, sondern sogar massive Verbesserungen eingetreten sind. Ich konnte zuvor nicht mehr selbstständig trinken oder ein Buch durchblättern. Jetzt ist das wieder möglich und ich kann sogar in einem Aktivrollstuhl unterwegs sein, statt immer im elektrischen Rollstuhl zu sitzen.
Dafür braucht es Muskelkraft …
T. Holmes: Ja, das geht natürlich nur mit viel Training. Ich habe wöchentliche Physiotherapieeinheiten und trainiere zusätzlich viermal die Woche in meinem eigenen kleinen Fitnessstudio. Zudem unterstützt mich ein Team aus Ärzten, Therapeuten und Menschen in diversen Gesundheitsberufen. Das ist ähnlich wie im Spitzensport: Es geht immer um die Teamleistung.
Und Ihre größte Herausforderung?
T. Holmes: Die größte Herausforderung besteht nach wie vor darin, die medizinischen Gegebenheiten so zu nutzen, dass ich trotzdem ein selbstständiges Leben führen kann. Damit das funktioniert, habe ich rund um die Uhr persönliche Assistenz. Die bekommt man in Österreich sehr selten. Man braucht auch ganz viel Kampfgeist, um das durchsetzen zu können. Fast alle Bundesländer haben Deckelungen bei 250 Stunden eingeführt. Das reicht nicht, denn ein Monat hat mehr als 700 Stunden.
Wer gleicht die fehlenden Stunden aus?
T. Holmes: Das sind meistens Angehörige und Familienmitglieder, die dann aber auch irgendwann körperlich und psychisch daran zerbrechen – an Burnout oder Krankheitsbildern, die durch die Pflegetätigkeit entstehen. Präventiv müsste hier eigentlich schon früh angesetzt und Familien mit kleinen Kindern müssten unterstützt werden. Die Hilfe kommt zu spät, wenn man Familien die ersten 20 Jahre mit der Pflege des Kindes alleinlässt.
Wie sieht Ihr Engagement für andere SMA-Patienten konkret aus?
T. Holmes: Ich habe vor zwei Jahren die Patientenvertretung SMA Österreich mitgegründet. Seither ist viel passiert. Wir haben für die Finanzierung des Medikaments Spinraza gekämpft und mitdiskutiert, als es darum ging, SMA ins Neugeborenen-Screening aufzunehmen. Aktuell fokussieren wir uns auf Folgendes: Was sind die Bedürfnisse von SMA-Patienten? Wo kann man aufklären oder sensibilisieren?
Welches sind die brennendsten Themen?
T. Holmes: Wir arbeiten gerade intensiv an der Vernetzung der Patienten und daran, ihnen wissenschaftlich fundierte Informationen zu liefern. Jahrelang gab es keine Behandlungsmöglichkeiten und viele Patienten haben resigniert. Wir sagen ihnen jetzt: Es gibt nun Möglichkeiten, meldet euch und lasst euch beraten. Ein weiteres großes Problem ist die Finanzierung der persönlichen Assistenz.
Was motiviert Sie zu Ihrem Einsatz?
T. Holmes: Ich kann mit Ungerechtigkeit nicht leben. Es kann nicht sein, dass einzelne Personengruppen im Regen stehen gelassen werden. Es ist unsere Aufgabe als Menschen, sozial zu agieren.
Werden SMA-Patienten vom Gesundheitssystem übersehen?
Tina Holmes, Obfrau von SMA Österreich
T. Holmes: Sie werden mittlerweile deutlich weniger übersehen. Trotzdem gibt es nach wie vor Baustellen. Die drei für SMA zugelassenen Medikamente werden beispielsweise völlig unterschiedlich finanziert. Diese Unsicherheit der Finanzierung kann die Therapiewahl beeinflussen. Wichtig wäre auch, den Zugang zu Ergo- oder Physiotherapie zu erleichtern. Es gibt nicht genug Therapeuten, die sich mit SMA auskennen. Die dafür notwendigen Ausbildungen haben sehr wenige und sie sind deshalb über Monate ausgebucht. Zudem ist der Stundensatz für viele Patienten nicht leistbar. Die Zuschüsse sind zu gering.
Welche Botschaften hätten Sie für unsere Leser*innen?
T. Holmes: Ich wünsche mir, dass Neurolog*innen noch mehr mit den Patienten zusammenarbeiten, mehr als Team agieren. Ich bin überzeugt, dass beide Seiten sehr viel voneinander lernen können.
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