Dermatologie im Wandel der Zeit – eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft
Anlässlich des 135-Jahre-Jubiläums der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie beleuchteten Expert:innen des Faches Entwicklungen der vergangenen Jahre, aktuelle Herausforderungen und innovative Perspektiven ihres Fachgebiets: von der medizinischen Versorgung über den gesellschaftlichen Wandel bis hin zur bedeutenden Rolle von künstlicher Intelligenz und Telemedizin.
Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) blickt auf eine 135-jährige Erfolgsgeschichte zurück – geprägt von kontinuierlichem Wachstum, medizinischer Innovation und einer bemerkenswerten Entwicklung der Mitgliederstruktur. „Mit aktuell 1355 Mitgliedern zählt die ÖGDV zu den führenden medizinischen Fachgesellschaften in Österreich, und ihr Beitrag zur Patient:innenversorgung und zur Weiterentwicklung der Dermatologie wirkt weit über die Landesgrenzen hinaus“, sagte Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Vorsitzender der ÖGDV und Abteilungsleiter am Universitätsklinikum Wiener Neustadt, beim Pressegespräch Mitte Oktober 2025 anlässlich des Jubiläums.
Ein Zeichen des gesellschaftlichen Fortschritts ist laut Müllegger der Frauenanteil in der ÖGDV: „Mit 54% Frauenanteil spiegelt die Fachgesellschaft die Entwicklung in der Medizin wider. Insgesamt sind derzeit 724 Frauen und 616 Männer unter den Mitgliedern vertreten. Besonders in den österreichischen Kliniken zeigt sich ein signifikanter Frauenanteil von mindestens 50% bis hin zu 83% am Klinikum Klagenfurt.“
Jährlich werden 3,3 Mio. Patient:innen betreut
Innerhalb der ÖGDV setzt sich die Mitgliedschaft aus verschiedenen Gruppen zusammen: 822 Hautfachärzt:innen, 414 Ärzt:innen in Ausbildung, Studierende, fördernde Mitglieder, Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder. „Besonders hervorzuheben sind die enge Kooperation und Vernetzung zwischen niedergelassenen und klinisch tätigen Dermatolog:innen, die maßgeblich zur hohen Versorgungsqualität in Österreich beitragen“, so Müllegger. Eine Umfrage aus 2023 unterstreicht die eindrucksvollen Leistungen der niedergelassenen Dermatolog:innen: Jährlich werden 3,3 Millionen Patient:innen behandelt – 1,8 Millionen von 270 Kassenärzt:innen und 1,5 Millionen von 420 Wahlärzt:innen. Müllegger: „Auch die Anzahl der durchgeführten chirurgischen Leistungen ist mit 270000 und 206000 zwischen beiden Gruppen ausgewogen, was die Bedeutung beider Sektoren für die dermatologische Versorgung unterstreicht.“
Klinische Versorgung: historische Wurzeln und moderne Infrastruktur
Die Geschichte der Dermatologie in Österreich reicht zurück bis ins Jahr 1849, als unter Carl Ludwig Sigmund und Ferdinand von Hebra einer der weltweit ersten Lehrstühle für Hauterkrankungen in Wien entstanden ist. Die dermatologische Infrastruktur hat sich seitdem stetig erweitert: Heute bestehen 14 Kliniken und Abteilungen für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, die jüngste davon am Universitätsklinikum Wiener Neustadt. Die Abteilung in der Medizinischen Universität Innsbruck verfügt über das größte Bettenangebot (45 Betten), bei den Elisabethinen Linz stehen 42 Betten zur Verfügung.
Allein am AKH Wien werden pro Jahr 74000 ambulante Patient:innen betreut; die Universitätsklinik Salzburg verzeichnet mit 3331 stationären Patient:innen die höchste Zahl an jährlichen stationären Behandlungen. Die Behandlungszahlen spiegeln die hohe Versorgungsdichte und das breite Tätigkeitsspektrum der Dermatolo-g:innen in Österreich wider.
Müllegger: „Diese eindrucksvollen Zahlen unterstreichen die zentrale Rolle der ÖGDV als Motor der dermatologischen Versorgung, Innovation und Aus- und Weiterbildung in Österreich. Die Gesellschaft bietet ihren Mitgliedern ein starkes Netzwerk, fördert die medizinische Entwicklung und setzt sich aktiv für den hohen Qualitätsstandard in der Patient:innenbetreuung ein.“
Ein weiblich geprägtes Fach mit gesellschaftlicher Verantwortung
Die Dermatologie zählt heute zu den medizinischen Fächern mit dem höchsten Frauenanteil – und prägt das Bild der modernen Medizin damit maßgeblich. Rund 65% der österreichischen Fachärzt:innen für Dermatologie und Venerologie sind weiblich, wobei der Anteil bei den Assistenzärzt:innen mit über 70% sogar noch höher liegt. „Das Fach steht beispielhaft für die gesellschaftliche und berufliche Entwicklung der letzten Jahre, in der Frauen zunehmend das Bild und die Inhalte der Medizin bestimmen“, erklärte Prim. Dr. Nina Susanna Häring, MBA, Leiterin der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Landeskrankenhaus Feldkirch.
Einer der wichtigsten Gründe für die hohe Attraktivität des Faches für Frauen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch planbare Arbeitszeiten und wenige Notfalldienste. Viele junge Ärztinnen schätzen auch die langfristigen Beziehungen zu Patient:innen, die gerade in der Betreuung chronischer Fälle aufgebaut werden können. Häring: „Darüber hinaus vereint die Dermatologie ein vielfältiges und spannendes Tätigkeitsfeld: Das Spektrum reicht von operativen und ästhetischen Aspekten über allergologische sowie onkologische Fragestellungen bis hin zu wissenschaftlicher Forschung zu Hautgesundheit. Besonders gefragt sind dabei Fähigkeiten wie Präzision, ästhetisches Feingefühl und empathische Kommunikation.“ Zudem bieten sich zahlreiche ambulante und selbstständige Berufsoptionen, die auch Teilzeitarbeit und innovative Schwerpunktsetzungen ermöglichen.
Versorgung bei spezifisch weiblichen Hautthemen
Das Fach steht exemplarisch für die erfolgreichen Bemühungen der letzten Jahre, die Gleichstellung von Frauen in Medizin und Wissenschaft voranzubringen. Damit ist die Dermatologie nicht nur eines der weiblichsten Fächer in Österreich, sondern auch ein Vorbild für andere Bereiche der Medizin, die den Wandel aktiv gestalten und echte Chancengleichheit ermöglichen wollen.
Gleichzeitig ist die Dermatologie ein weites Feld für spezifisch weibliche Hautthemen. Ein Beispiel sind Hautveränderungen in der Schwangerschaft und Stillzeit – inklusive der Schwangerschaftsdermatosen, die etwa 0,3–0,5% aller Schwangeren betreffen und erfahrene dermatologische Betreuung erfordern, da sie für Mutter und Kind relevant sein können. Dazu kommen klassische Frauenthemen wie hormonelle Hautveränderungen, Akne, Rosazea und Haarausfall, die individuell und oft ganzheitlich behandelt werden müssen. Nicht von ungefähr beleuchtete auch die ÖGDV-Jahrestagung Ende November 2025 die „Women’s Dermatology“ als eigenen Themenschwerpunkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Teledermatologie – Innovationen in der Hautmedizin
Die Telemedizin hat sich in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Eckpfeiler der modernen Gesundheitsversorgung entwickelt. Gerade in der Dermatologie, einem Fachgebiet, das stark auf visuelle Diagnostik angewiesen ist, eröffnet die fortschreitende Digitalisierung völlig neue Wege der Versorgung von Patient:innen. „Während in klassischen telemedizinischen Anwendungen bereits ein einfaches Telefongespräch zwischen Patient:in und Arzt/Ärzt:in als Fernbehandlung gilt, ermöglicht die Kombination von Telekommunikation, digitaler Fotografie und speziell entwickelten Applikationen heute eine weit umfassendere und effizientere Diagnostik aus der Ferne“, erläuterte Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Hofmann-Wellenhof, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz, und Leiter der der ÖGDV-Arbeitsgruppe Telemedizin.
Abb. 1: v.l.n.r.: Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Hofmann-Wellenhof, Prim. Dr. Nina Susanna Häring, MBA, Univ.-Doz. Dr. Regina Fink-Puches, Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger
Ein Vorzeigeprojekt für innovative telemedizinische Versorgung läuft derzeit in der Steiermark unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Edith Arzberger. In Kooperation mit dem Gesundheitsfonds Steiermark, der Österreichischen Gesundheitskasse Steiermark und der Ärztekammer Steiermark wurde eine mobile Internetapplikation entwickelt, mit der praktische Ärzt:innen patient:innenbezogene Bilder von Hauterkrankungen samt kurzer Krankengeschichte direkt an Fachärzt:innen für Dermatologie übermitteln können. Binnen 48 Stunden erhalten die behandelnden Mediziner:innen eine fachärztliche Einschätzung – ein Quantensprung in der zeitnahen Diagnosestellung. Die Analyse der ersten 5000 Fälle zeigt eindrucksvolle Ergebnisse: In rund 19% der Fälle war keine Therapie notwendig. Etwa 61% der Patient:innen konnten von den Allgemeinmediziner:innen weiterbehandelt werden, während nur etwa 17% eine zusätzliche hautärztliche Untersuchung benötigten. Besonders bemerkenswert ist die hohe Zufriedenheit bei den Patient:innen: Über 95% bewerteten die teledermatologische Versorgung positiv, basierend auf einer Auswertung von knapp 700 Rückmeldungen.
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Dermatologie
Parallel zur Telemedizin hält die künstliche Intelligenz (KI) immer stärker Einzug in die dermatologische Diagnostik und Behandlungsplanung. Speziell für die Früherkennung und Einschätzung von Hauttumoren werden innovative KI-Algorithmen eingesetzt, die den Vergleich und die Bewertung von Hautläsionen automatisiert übernehmen. Die Hautklinik Wien, repräsentiert durch Experten wie Ao. Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler und Priv.-Doz. Dr. Philip Tschandl, PhD, gehört zu den internationalen Vorreitern dieser Forschungsrichtung und konnte ihre Erkenntnisse bereits mehrfach in renommierten Fachjournalen veröffentlichen.
Eine jüngst in Österreich entwickelte KI-Anwendung erlaubt es sogar medizinischen Laien, mittels Smartphone verdächtige Hautveränderungen zu fotografieren und innerhalb kürzester Zeit eine Risikoabschätzung zu erhalten. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Validierung solcher Systeme ist zu erwarten, dass KI-basierte Tools zukünftig einen noch wichtigeren Bestandteil der dermatologischen Praxis und darüber hinaus der gesamten Medizin darstellen werden. (red)
Quelle:
Pressegespräch „Dermatologie im Wandel der Zeit – eine Erfolgsgeschichte mit Zukunft“, 16. Oktober 2025, Wien
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