
Covid-19 und Biologika: Sicht der Rheumatologie
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Man würde vielleicht annehmen, dass Patienten mit rheumatischen Erkrankungen unter immunsuppressiver Therapie ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 aufweisen. Nach bisherigen Daten ist dies jedoch nicht der Fall. Es könnte sogar sein, dass ein gewisses Ausmaß an Immunsuppression einen prognostischen Vorteil bringt. Dennoch bleiben noch viele Fragen offen, wie Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss, Medizinische Universität Innsbruck, in einem Webinar erklärte.
Keypoints
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Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben generell ein erhöhtes Risiko für Virusinfektionen.
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Manche Therapien, wie Kortikosteroide, B-Zell-depletierende Substanzen oder Tyrosinkinasehemmer, können das Risiko aggravieren.
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Derzeit gibt es aber kaum Hinweise auf einen schwereren Verlauf von Covid-19 bei Rheumapatienten.
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Covid-19 verhält sich anders als z. B. Influenza, vor allem bezüglich Hyperinflammation.
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Spezielle konventionelle oder biologische DMARD sind eventuell mit einem milderen Verlauf assoziiert.
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Das Risiko für schwere Verläufe ist abhängig von Begleiterkrankungen wie Hypertonie, Diabetes etc.
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Einige Medikamente, wie Kortikosteroide, Anti-IL-6 oder Anti-IL-1, können in späteren Krankheitsphasen (ARDS, Hyperinflammation) möglicherweise hilfreich sein.
Studien, die in erster Linie aus China, aber auch aus Italien stammen, haben gezeigt, dass eine Reihe von Komorbiditäten die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient mit Covid-19 intensivpflichtig wird, erhöht. Dazu gehören Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, maligne Erkrankungen, zerebrovaskuläre Störungen, COPD und chronische Nierenerkrankungen.
Anfälligkeit von Rheumapatienten
Eine Studie zeigte, dass etwa die Hälfte der Infektionen, die bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen unter Biologika auftreten, den Respirationstrakt betrifft. Dies entspricht auch der klinischen Erfahrung mit Rheumapatienten. Die Rate schwerer Infektionen ist unter TNF-α-Blockern um ca. 60% höher als bei Kontrollpersonen, aber dies trifft auch – und sogar in höherem Maß – auf konventionelle DMARD wie Methotrexat, Hydroxychloroquin, Azathioprin oder Cyclophosphamid und in hohem Maß auch auf systemische Kortikosteroide zu. Wie zu erwarten erhöhen auch NSAR und H2-Blocker das Infektionsrisiko.
Studien mit dem Januskinasehemmer Tofacitinib zeigten bei Monotherapie ein geringeres Risiko für schwere Infektionen als bei Kombinationstherapie mit konventionellen DMARD und Glukokortikoiden. Im Vergleich unterschiedlicher Biologika zeigt sich weitgehend ein vergleichbares Risiko für Virusinfektionen bzw. das Auftreten von Herpes zoster, wobei es hier ein deutlich erhöhtes Risiko bei Einnahme von Januskinaseinhibitoren gibt. Allerdings ist die Datenlage zu diesem Thema noch nicht befriedigend.
Hemmer von IL-17, wie sie bei Psoriasis und Psoriasisarthritis eingesetzt werden, scheinen keinen wesentlichen Effekt auf Virusinfektionen auszuüben. Auch für Anti-B-Zell-Therapien ist die Datenlage hinsichtlich respiratorischer Virusinfektionen nicht eindeutig, wenngleich ein erhöhtes Risiko für Reaktivierung beispielsweise von Hepatitis B evident ist. Bekannt ist hingegen, dass Patienten mit B-Zell-Defekten bzw. Immunglobulindefizienzen häufig respiratorische virale Infekte bekommen.
Klinische Verläufe von Covid-19
Die generelle klinische Erfahrung mit Covid-19 ist, dass im Verlauf der Infektion oft eine Hyperinflammation mit starker Erhöhung von IL-6, Ferritin, CRP und auch IL-1 stattfindet, was die Erkrankung deutlich von der Influenza oder z.B. auch einer RSV-Pneumonie unterscheidet. Man kann sich nun die Frage stellen, ob Rheumapatienten hier nicht gerade wegen ihrer immunsuppressiven Therapien sogar im Vorteil sind.
In einer chinesischen Studie mit über 1000 Covid-19-Patienten waren nur zwei mit einer Immundefizienz eingeschlossen, und beide hatten keinen schweren Verlauf.
Dies entspricht auch italienischen Daten mit immunsupprimierten Patienten, etwa mit Leberzirrhose, nach Transplantation, mit Autoimmunhepatitis oder Chemotherapie.
Bei sehr schweren Verläufen von Covid-19 kommt es zumsogenannten Makrophagen-Aktivierungs-Syndrom (MAS), ein Begriff, der synonym mit dem häufig verwendeten Terminus „Zytokinsturm“ ist. Dabei kommt es im Fall von Covid-19 insbesondere im Lungenparenchym und in den Alveolen zu einer stark erhöhten Sekretion von Zytokinen wie TNF-α, IL-1β, IL-6, IL-8 und anderen. Zudem kann auch eine lokale vaskuläre Dysfunktion mit Bildung von Mikrothrombosen und Blutungen auftreten.
Schon bei SARS-1 wurde klar, dass der Charakter der anfänglichen Immunantwort auf die Virusinfektion entscheidend für den weiteren Verlauf und letztlich auch für das Überleben des Patienten ist. Wenn die Entzündungsantwort pathologisch und dysreguliert ist, kommt es nicht zuletzt wegen einer verspäteten Interferonantwort zu einer starken Virusreplikation, was wiederum eine massive Infiltration mit Monozyten/Makrophagen und Neutrophilen und einen Zytokinsturm hervorruft. Dies führt zu verstärkter Apoptose von Alveolar- und Endothelzellen, suboptimaler T-Zell-Antwort, gestörter Virusclearance und letztlich zu ARDS und Tod.
Ist hingegen die Immunantwort bzw. die Entzündungsreaktion reguliert und adäquat, so kommt die Interferonantwort früh, die Infiltration mit Entzündungszellen und die Sekretion von Zytokinen fallen bei Weitem nicht so stark aus, die Schädigung von Alveolar- und Endothelzellen bleibt gering, die T-Zell-Antwort ist optimal und die Virusclearance effektiv. Dies führt zu einer protektiven Immunität und sichert das Überleben des Patienten.
Es gibt einen direkten, linearen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der systemischen Zytokinspiegel und dem Schweregrad von Covid-19.
Ob und wann bestimmte Medikamente – wie etwa IL-6-Blocker, Baricitinib oder auch Kortikosteroide – bei schweren Verläufen von Covid-19 eingesetzt werden, ist derzeit noch Gegenstand klinischer Forschung. Hierzu gibt es noch keine endgültigen Leitlinien.
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
Quelle:
Giftiger Livestream „Covid-19 und Biologika“, „Biologikatherapie unter Covid-19 aus Sicht der Rheumatologie“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Medizinische Universität Innsbruck, 8.April2020, derzeit verfügbar als E-Learning unter www.infektiologie.co.at
Literatur:
beim Vortragenden
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