
RSV und was man dagegen tun kann
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Hauptleidtragende einer Infektion mit dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) sind Säuglinge und ältere Menschen. Derzeit können Kinder nur passiv – mit Antikörpern – immunisiert werden. Eine aktive Impfung fürältere Menschen könnte bald zugelassen werden. Ein neuer Antikörper für Säuglinge verspricht höhere Effizienz und weniger Injektionen.
Keypoints
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RSV-Infektionen können von banal bis lebensbedrohlich reichen.
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Sie betreffen vor allem Säuglinge und ältere Menschen.
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Derzeit stehen für Säuglinge nur passive Immunisierungen mit Antikörpern zur Verfügung.
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Eine aktive Impfung für ältere Menschen könnte vor der Zulassung stehen.
Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) ist ein RNA-Virus aus der Familie der Pneumoviridae. Es verfügt über zwei wichtige Glykoproteine, das F(usions)-Protein und das G-Protein. Das F-Protein ist für die Synzytienbildung zuständig und löst auch eine Immunreaktion aus, die zur Epithelschädigung führt. Das G-Protein ist an der Adhäsion des Virus an die Zelle beteiligt. Die Virusreplikation erfolgt in zilientragenden Epithelzellen der Atemwege. „Durch Zelldetritus und Mukus kommt es zur Verlegung vor allem der kleinen und kleinsten Atemwege und damit zur inhomogenen Überblähung der Lungenareale. So entsteht das typische Bild der Bronchiolitis. Die Regeneration benötigt vier bis acht Wochen“, erklärte Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger, Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie an der Medizinischen Universität Graz. „Am Anfang der Pandemie hatten wir fast keine RSV-Fälle im Krankenhaus, aber ab Sommer 2021 ist die Inzidenz angestiegen und bis zum Winter hatten wir – ähnlich wie bei Influenza – dann besonders viele RSV-Infektionen“, fuhr der Kinderarzt fort.
Klinik der Erkrankung
RSV kann in jedem Lebensalter Infektionen auslösen, deren Spektrum von banal bislebensbedrohlich reicht. Häufig betroffen sind einerseits Neugeborene bzw. Säuglingeund andererseits ältere Menschen. Das typische Bild beim Säugling im ersten bzw. auch zweiten Lebenswinter ist die Bronchiolitis, die auch zu Apnoe, Elektrolytentgleisung und Ateminsuffizienz führen kann. Bei älteren Menschen entsteht als typisches klinisches Bild eine Viruspneumonie. „In beiden Altersgruppen ist die Krankheitslast durch RSV-Infektionen hoch“, ergänzte Strenger.
Bei Säuglingen führt die Bronchiolitis durch Husten und Rhinitis schnell zu einem reduzierten Allgemeinzustand, zu Trinkverweigerung und eventuell auch Dehydratation. Die Atemnotsymptomatik besteht in Tachypnoe, Einziehungen, Nasenflügeln sowie Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und kann bis zur Zyanose führen. In der Blutgasanalyse zeigen sich Hypoxie und Hyperkapnie, in der Auskultation Knistern, Giemen – evtl. auch eine „silent chest“. Das Thoraxröntgen zeigt oft nur diskrete Infiltrate, manchmal Atelektasen (oft im rechten Oberlappen) sowie kleine Überblähungsareale.
Bei Erwachsenen hängt die Erkrankungsschwere vom Alter (je älter, desto schwerer) und von der Grunderkrankung ab, wobei vor allem Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, COPD, Asthma bronchiale und Diabetes mellitus die Hospitalisierungsrate erhöhen.
Möglichkeiten der Prophylaxe
Hier lassen sich zwei Ansätze unterscheiden: aktive Impfungen im engeren Sinn sowie passive Immunisierung durch Übertragung von Antikörpern. Für eine passive Immunisierung stehen monoklonale Antikörper zur Verfügung, die Säuglingen mit Risikofaktoren verabreicht werden. Auch durch aktive Impfung der Mutter vor der Geburt erreicht man eine passive Immunisierung für das Kind. Jedoch wurde dies bisher nur in Studien durchgeführt.
Erste aktive Immunisierungen gegen RSV wurden schon in den 1960er-Jahren entwickelt. Der damals verwendete mit Formalin inaktivierte Impfstoff führte jedoch bei der ersten Infektion nach der Impfung zur sogenannten „vaccine-induced enhanced respiratory disease“. „Das war ein schwerer Rückschlag für die Impfstoffentwicklung“, berichtete Strenger.
Impfung für Schwangere
Idealerweise wäre die Situation für Säuglinge so, dass sie durch mütterliche Antikörper so lange geschützt wären, bis sie selbst geimpft werden könnten. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall. Ein Ansatz, um einen sogenannten Nestschutz zu erreichen, ist die Impfung der Schwangeren, um das Kind durch transplazentar übertragene Antikörper zu schützen. Dies wurde z.B. in einer Studie mit 4636 schwangeren Frauen gemacht, die zwischen der 28. und 36. Schwangerschaftswoche geimpft wurden.1 Hier zeigten sich in den ersten 90 Lebenstagen eine Impfeffektivität von 39,4% für medizinisch signifikante Infektionen der unteren Atemwege (1,5% vs. 2,4% in der Placebogruppe) und für Hospitalisierungen wegen solcher Infektionen eine Effektivität von 44,4% (3,7% Placebo vs. 2,1%). Dies entsprach allerdings nicht den vordefinierten Wirksamkeitskriterien. „Aber es ist immerhin ein Anfang“, kommentierte Strenger.
Monoklonale Antikörper
Eine aktive Immunisierung für die Säuglinge selbst fehlt allerdings noch, und auch der Impfstoff für Schwangere ist nicht zugelassen. „Was wir jedoch schon seit Jahren machen können, sind passive Immunisierungen über die Wintersaison.“ Derzeit ist dafür der monoklonale Antikörper Palivizumab zugelassen, der in der ersten (und in Ausnahmefällen auch der zweiten) Wintersaison alle vier Wochen i.m. gegeben wird. Es handelt sich dabei um einen rekombinanten, humanisierten IgG-Antikörper gegen das F-Protein, der Risikokindern verabreicht wird. Dies sind Frühgeborene (nach Risikoscore), Kinder mit hämodynamisch relevantem Herzfehler, pulmologischer Indikation, neuromuskulären Erkrankungen, Trisomie 21 oder Immundefekten. Eine Cochrane-Analyse von fünf RCT zeigte, dass Palivizumab zwar klar die Hospitalisierungen wegen RSV-Infektion bzw. respiratorischer Erkrankungen senkt, nicht jedoch die Mortalität.2 „Das heißt, es wirkt, aber es könnte durchaus besser wirken“, resümierte Strenger.
Ein neuer monoklonaler Antikörper mit längerer Wirkdauer, Nirsevimab, ist seit 3.November 2022 zugelassen (in Österreich allerdings noch nicht verfügbar). Er hat den Vorteil, dass man ihn nur einmal pro Saison i.m. verabreichen muss. Er bindet an die beiden Untereinheiten des viralen Fusionsproteins und verhindert so dessen Eintritt in die Zelle. Seine virusneutralisierende Wirkung soll in vitro wie in vivo besser sein als jene von Palivizumab.
In einer Studie wurden 1490 Neugeborene, die zumindest 35 Gestationswochen hinter sich hatten, 2:1 randomisiert mit Nirsevimab oder Placebo behandelt, wobei der Antikörper am Beginn der Wintersaison appliziert wurde.3 Infektionen der unteren Atemwege traten in den ersten 150 Lebenstagen bei 1,2% unter Nirsevimab und bei 5,0% unter Placebo auf (Effektivität 74,5%; p<0,001). RSV-bedingte Hospitalisierungen traten unter dem Antikörper bei 0,6%, unter Placebo bei 1,6% auf (Effektivität 62,1%; p=0,07).
„Die Nirsevimab-Daten für Frühgeborene sind sogar noch etwas besser“, ergänzte der Pädiater. „Es stellt sich also die Frage, ob man nur Früh- oder auch Reifgeborene mit diesem Medikament behandeln soll und wer das bezahlen wird.“
Die Therapie der RSV-Bronchiolitis ist derzeit vor allem supportiv. Antivirale Substanzen sind in der Pipeline.
Aktive Immunisierung
Eine aktive Immunisierung für ältere Erwachsene steht möglicherweise vor der Tür. Sie ist proteinbasiert (beruht auf dem F-2-Protein) und soll Erwachsenen ab 60 Jahren verabreicht werden. Bei FDA und EMA ist eine Fast-Track-Zulassung eingereicht. Mit der Zulassung wird frühestens im Sommer 2023 gerechnet. Weiters ist auch ein Adenovirus-basierter Vektorimpfstoff in Entwicklung (derzeit Phase II).
Quelle:
„RSV“, Vortrag von Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger, Graz, im Rahmen des ÖIK, Symposium 4 „Virale respiratorische Infektionen“, am 22. März 2023 in Saalfelden
Literatur:
1 Madhi SA et al.: N Engl J Med 2020; 383(5): 426-39 2 Garegnani L et al.: Cochrane Database Syst Rev 2021; 11(11): Cd013757 3 Hammitt LL et al.: N Engl J Med 2022; 386(9): 837-46
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