
Neue Viren abseits von SARS-CoV-2
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Die Coronapandemie hat unter anderem dazu geführt, dass die Vielzahl anderer möglicher viraler Erreger von Atemwegsinfektionen und weiteren Erkrankungen in den Hintergrund gedrängt wurden. Dabei sind natürlich auch während der Pandemie einige andere bedeutende Virusinfektionen aufgetreten. Die Wiener Infektiologin Dr. Selma Tobudic gab einen Überblick.
Ich werde heute weder über SARS-CoV-2 noch über Influenza, RSV, Mpox oder das Parainfluenzavirus sprechen“, erklärte Dr. Selma Tobudic, Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien, einleitend bei ihrem Vortrag.
Andere Viren während der Pandemie
Eine Studie untersuchte während der Coronapandemie, welche anderen respiratorischen Viren außer SARS-CoV-2 zu Atemwegsinfektionen (RTI) führten.1 Dazu wurden Patienten mit RTI aus Notfallaufnahmen in 13 Ländern Europas und des Nahen Ostens zwischen Dezember 2020 und März 2021 herangezogen, die SARS-CoV-2-negativ waren. 1334 nasopharyngeale Abstriche wurden mittels eines respiratorischen PCR-Panels automatisiert getestet. Bei 36,3% wurden bakterielle oder virale Erreger identifiziert. Die häufigsten Viren waren Rhinoviren/Enteroviren (56,5%), gefolgt von anderen humanen Coronaviren (11%), Adenoviren (9,9%), Parainfluenzaviren (8,0%), RSV (7,3%)und humane Metapneumoviren (hMPV 3,6%). Das Alter spielte dabei eine Rolle. Bei Kindern traten z.B. Rhinoviren, RSV und hMPV häufiger auf als bei Erwachsenen.
„Hier muss man die unterschiedliche Saisonalität dieser Viren berücksichtigen“, fuhr Tobudic fort. So sind Influenza- und humane Coronaviren sowie RSV typische Winterviren, während Enteroviren, die nicht zu den Rhinoviren zählen, typischerweise im Sommer, hMPV und Rhinoviren im Frühjahr auftreten.
Humanes Metapneumovirus
Das hMPV wurde 2001 in den Niederlanden entdeckt und ist ein RNA-Virus. Es besitzt zwar ein dem RSV ähnliches Genom, das aber anders organisiert ist.
Bei Kleinkindern ist hMPV nach RSV die zweithäufigste Ursache für virale Infektionen der oberen Atemwege. Klinisch kommt es bei 68–90% zu Husten, 44–77% zu Rhinitis, 52–85% zu Fieber und 51–56% zu pfeifender Atmung. Die Seroprävalenz bei Fünfjährigen liegt bei nahezu 100%.
In den meisten europäischen Ländern liegt die Prävalenz von hMPV zwischen 5 und 20%, in einigen Ländern, wie Frankreich und Norwegen, zwischen 21 und 30%.2 Als Komplikationen können Bronchiolitis oder Pneumonie auftreten.
Bei Erwachsenen ist eine hMPV-Infektion (aufgrund einer unvollständig schützenden Immunantwort oder durch Infektion mit einem neuen Genotyp) praktisch immer mit Husten verbunden, jedoch nur bei 2% auch mit Fieber. Erwachsene mit einem erhöhten hMPV-Risiko sind Personen über 65 und Patienten mit COPD, Asthma, Malignomen und Immunsupprimierte.
Eine deskriptive Studie aus den USA über sechs Saisonen (2014–2019) zeigte, dass hMPV konsistent mehr Infektionen verursachte als RSV oder Influenza, während die Raten an ICU-Pflichtigkeit und Todesfällen vergleichbar waren.3
hMPV verursacht weltweit 64% der Todesfälle bei Säuglingen unter sechs Monaten (davon 79% in armen Ländern).4 Ein besonderes Problem stellt hMPV bei Patienten mit Lungentransplantation5, aber auch mit Stammzelltransplantation6 dar.
Humanes Bocavirus
Das humane Bocavirus (HBoV) ist ein DNA-Virus, das 2005 in nasopharyngealen Abstrichen bei Kindern mit Atemwegsinfektionen entdeckt wurde. Es gehört zur Familie der Parvoviren. Die Einteilung erfolgt in die Gruppen Primatenbocavirus 1 (mit den Spezies HBoV 1 und 3) und Primatenbocavirus 2 (mit den Spezies HBoV 2a–c und 4).
Das Virus löst oft nur milde respiratorische oder gastrointestinale Symptome aus. Es tritt sehr häufig in Koinfektionen mit anderen Erregern auf, sehr selten als Erreger von Enzephalitis bei Kindern. „Es gibt jedoch auch Berichte von fatalen Verläufen bei immunkompetenten Patienten“, warnte Tobudic.
Adenoviren
Das humane Adenovirus wurde 1953 auf Tonsillen von Kindern mit oberen Atemwegsinfektionen entdeckt. Es handelt sich um ein DNA-Virus mit 45 Spezies, von denen sieben (A–G) humanpathogen sind. Einige dieser Spezies (v.a. D und B) weisen zahlreiche, serologisch unterscheidbare Subtypen auf. Diese Viren zeigen ein breites Spektrum verschiedener Organmanifestationen – von banalen (Rhinitis, Tonsillitis) und schweren Atemwegsinfektionen (Bronchiolitis, Pneumonie) über Erkrankungen der Augen („red eyes“), des ZNS (Meningoenzephalitis bei Immunsuppression), des Gastrointestinaltrakts (Diarrhö, Appendizitis, Ileus), des Urogenitaltrakts (akute hämorrhagische Zystitis) und des Herzens (Myo- und Perikarditis).
Auch als Ursache der ungeklärten Hepatitisfälle bei Kindern, die vermehrt im April und Mai 2022 aufgetreten sind, werden Adenoviren vermutet. Dies ist jedoch bis heute nicht bewiesen. „Es handelte sich dabei auch nicht um eine neue Erkrankung, aber ihre Inzidenz war aus ungeklärten Gründen im Frühjahr 2022 erheblich höher als sonst“, kommentierte die Expertin. Was weiß man über diese Erkrankung? Mehr als 75% der Betroffenen waren jünger als fünf Jahre. Die Klinik bestand in Ikterus, gastrointestinalen Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen. AST und ALT waren jeweils massiv (>500IU/l) erhöht. Weltweit sind bis Mitte Juni 2022 insgesamt knapp unter 1000 Fälle aufgetreten, in Österreich weniger als zehn.7
Enteroviren
Enteroviren sind eine große Gattung von RNA-Viren mit 15 Spezies und mindestens 68 verschiedenen Serotypen. Humanpathogen sind die Spezies A bis D sowie die ebenfalls (wie übrigens auch die Polioviren) zu den Enteroviren gehörenden Rhinoviren A bis C.
Sie treten saisonal eher im Sommer und Herbst auf. 90% der Infektionen verlaufen asymptomatisch oder mit mildem, oft fieberhaftem Verlauf. Die Inkubationszeit liegt zwischen 5 und 35 Tagen. Je nach Spezies können respiratorische Manifestationen, Exantheme bzw. Enantheme, Hand-Fuß-Krankheit, Herpangina, aber auch ZNS-Infektionen, hämorrhagische Konjunktivitis, Pleurodynie und Myokarditis auftreten.8
Das Enterovirus A71 (EV-A71) ruft zu 70% asymptomatische Infektionen hervor, kann aber auch die Hand-Fuß-Krankheit und in seltenen Fällen eine Hirnstammenzephalitis mit neurogenem Lungenödem auslösen. Es wurde 1969 als Erreger von Meningitiden und Enzephalitiden in Kalifornien entdeckt und löste 1975 und 1978 Epidemien in Bulgarien und Ungarn, 1997 in Malaysia (mit 41 verstorbenen Kindern) sowie 1998 in Taiwan (mit 130000 Fällen und 78 Todesfällen) aus. Auch in Österreich traten (in der Steiermark) zwischen 2000 und 2003 zwölf Fälle von aseptischer Meningitis durch EV-A71 auf.9
Ein anderes Enterovirus, EV-D68, löste bei Ausbrüchen, die seit 2014 etwa alle zwei Jahre auftraten, schlaffe Myelitiden oder akute schlaffe Lähmungen aus. „Es handelt sich dabei um eine Erkrankung, die der Poliomyelitis ähnelt und von manchen daher als ,Polio 2.0‘ bezeichnet wurde“, führte Tobudic aus.
Quelle:
„Neue Virusinfektionen im Fokus“; Vortrag von Dr. Selma Tobudic, Wien, im Rahmen des ÖIK, Symposium 5: „Emerging Infections in Europe“, am 23. März 2023 in Saalfelden
Literatur:
1 Duclos M et al.: Microbiol Spectr 2022; 10(5): e0236822 2 Divarathna MVM et al.: Rev Med Virol 2020;30(1): e2090 3 Hani N et al.: Pediatr Infect Dis J 2022; 41(4): 284-9 4 Wang X et al., Lancet Glob Health 2021; 9(1): e33-e43 5 de Zwart A et al.: Clin Infect Dis 2022; 74(12): 2252-60 6 Seo S et al.: Clin Infect Dis 2016; 63(2): 178-85 7 Pérez-Gracia MT et al.: J Clin Transl Hepatol 2022;10(4):711-7
8 Bubba L et al.: Lancet Infect Dis 2020;20(3): 350-61 9 Ortner B et al.: J Med Virol 2009; 81(2): 317-24
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