
Mpox: Was wissen wir?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Affenpocken oder Mpox sind eine vor allem in Afrika endemische Erkrankung, die allerdings bei einem Ausbruch 2022 weltweit um die 80000 Menschen betroffen hat. Vorwiegend waren dies MSM, vor allem in den USA und Europa. Eine Impfung ist prä- und postexpositionell möglich. Optionen der antiviralen Therapie sind in gewissem Ausmaß vorhanden.
Affenpocken werden heute allgemein als „Mpox“ (Kurzform, abgeleitet von „monkey pox“) bezeichnet. „Das Mpox-Virus gehört zur Familie der Poxviridae und der Gattung Orthopoxvirus, zu der auch das Variola- und das Vacciniavirus zählen“, berichtete der Tropenmediziner und Impfexperte Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Wien. Es handelt sich um ein DNA-Virus, das mit 200 Kilobasenpaaren und einem Durchmesser von etwa 300nm verhältnismäßig groß ist.
Epidemiologie
Das Mpox-Virus wurde in den 1970er-Jahren erstmals beschrieben. Der epidemiologische Hotspot ist die Demokratische Republik Kongo. Zwischen 2000 und 2009 sind aber auch Mpox-Fälle in den USA aufgetreten. Von 2010 bis 2019 kam es zu einer weiteren Ausbreitung, einerseits in andere afrikanische Länder (z.B. Nigeria), aber auch in Großbritannien, Singapur und Israel traten einzelne Fälle auf. „In den Endemiegebieten haben aber die Inzidenzraten der Mpox in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen, und auch die Altersverteilung hat sich – in Richtung höherer Altersgruppen – verändert“, so Kollaritsch. „Das ist auch erklärbar, weil die früher bestehende Kreuzimmunität durch die Pockenimpfung nun immer mehr verschwindet.“
Mpox tritt in drei Kladen auf: Die zentralafrikanische Klade kommt vor allem im Kongo vor und macht schwere Verlaufsformen. Die westafrikanische Klade ist ebenfalls endemisch und erzeugt leichtere Verläufe. Als Weiterentwicklung dieser Klade ist nun jedoch eine pandemische Virusform (Klade 3) aufgetreten, die sich durch ca. 50 Einzelnuklid-Polymorphismen von der Klade 2 unterscheidet. Diese betreffen u.a. auch das Oberflächen-Glykoprotein B21, das für die immunologische Erkennung wichtig ist. „Diese Veränderungen sind eigentlich untypisch für ein DNA-Virus“, bemerkte der Experte.
Seit Mai 2022 ist es nun zu einem Ausbruch mit weltweitem Ansteigen der Fallzahlen gekommen. Bis Ende August 2022 war ein Spitzenwert von mehr als 1000 neuen Fällen täglich erreicht worden. Seither sanken die Neuerkrankungen bis Februar 2023 wieder stark ab und erreichten fast das Ausgangsniveau vor Mai 2022 (Abb. 1). „Insgesamt sind weltweit bis Anfang November 2022 fast 80000 Fälle aufgetreten, fast 30000 allein in den USA“, fuhr Kollaritsch fort. Im gleichen Zeitraum waren in Österreich 325 Fälle zu verzeichnen. Die weltweite Letalitätsrate lag bei 0,05%. „Man kann diese Erkrankung daher als relativ benigne bezeichnen, sollte sie aber durchaus ernstnehmen.“
Abb. 1: 7-Tages-Durchschnitt der weltweit bestätigten Fälle von Mpox (modifiziert nach WHO – Our World in Data ; zuletzt aufgerufen am 22.2.2023)
Auffallend war, dass die Erkrankung vor allem jüngere Erwachsene (zwischen 18 und 49) – und fast ausschließlich Männer – befallen hat. Zumindest in Europa und den USA waren vor allem MSM betroffen. Der Übertragungsweg war in der Mehrzahl der Fälle sexuell (und nicht selten im Rahmen von Sexpartys), seltener durch Haushaltskontakte.
Impfung
Traditionelle Pockenimpfstoffe beruhten auf vermehrungsfähigen Vaccinia-Viren und verlangten eine spezielle Impftechnik, die sogenannte Skarifikation. Der Impferfolg wurde optisch – anhand der Lokalreaktion als Maßstab für die Wirkung – überprüft. „Diese Impfung hatte, das kann man nicht leugnen, schwere Nebenwirkungen, bis hin zur postvakzinalen Enzephalitis oder Myo-/Perikarditis“, räumte Kollaritsch ein. „Diese Vakzinen würden heute keine Zulassung mehr bekommen; sie waren aber damals die einzige Möglichkeit, energisch gegen Pocken vorzugehen.“ Und die Daten gaben der Impfung recht: So lag Anfang der Siebzigerjahre die Letalität der Pocken ohne Impfung bei 52%, bei Impfung innerhalb der vergangenen zehn Jahre hingegen nur bei 1,4%. „Wir hätten übrigens heute auch das Problem, dass wir bis zu 25% der Bevölkerung – aus dermatologischen oder immunologischen Gründen – gar nicht gegen Pocken impfen könnten“, fuhr Kollaritsch fort.
Auf Basis des sogenannten Ankara-Virus, einer Variante des Vaccinia-Virus, wurden daraufhin Pockenimpfstoffe der dritten Generation entwickelt (im Wesentlichen durch eine große Zahl von Passagen in embryonalen Hühner-Fibroblasten). Auf dieser Basis entstanden heute noch erhältliche Impfstoffe, die sowohl zur Prä- als auch zur Postexpositionsprophylaxe bei Pocken und Mpox zugelassen sind. Sie induzieren eine ausgezeichnete und breite B- und T-Zell-Antwort und sind apathogen. Ihr Sicherheitsprofil ist gut genug, um sie auch immunsupprimierten Patienten verabreichen zu können. „Insbesondere findet sich keinerlei Hinweis auf kardiale Nebenwirkungen wie bei den alten Pockenvakzinen“, betonte der Experte.
Laut geltender österreichischer Impfempfehlung werden prä- bzw. postexpositionell zwei Dosen s.c. im Abstand von 28 Tagen verabreicht. Bei Personen, die mit Pockenimpfstoffen der zweiten Generation vorgeimpft sind (Nachweis!), genügt eine einmalige Nachimpfung. Eine Zulassung für Personen unter 18 Jahren besteht zwar nicht; eine Postexpositionsprophylaxe (s.c.) kann jedoch trotzdem erfolgen.
„Eine Indikation für die Impfung gegen Mpox außerhalb von Risikogruppen besteht nicht“, so Kollaritsch abschließend.
Klinik
„Das typische klinische Bild der endemischen Mpox in afrikanischen Ländern umfasst zahlreiche Läsionen – es können über 100 sein – im Gesicht, am Stamm und an den Extremitäten“, berichtete Assoc.Prof. Dr. Alessandra Handisurya, Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien.
Der Ausbruch 2022 unterscheidet sich allerdings in einigen Punkten von früheren Mpox-Ausbrüchen. So war bei Ersterem das Durchschnittsalter höher, die Geschlechterverteilung anders (98% MSM), die Inkubationszeit kürzer, die Anzahl der Läsionen und der betroffenen Körperregionen geringer. Vor allem war auch der Übertragungsweg ein anderer (früher respiratorisch, 2022 zumeist sexuell). Niedriger war auch die Hospitalisierungsrate – die Mpox 2022 waren weitgehend selbstlimitiert. Dafür traten häufiger Komorbiditäten wie HIV-Infektion oder andere sexuell übertragbare Krankheiten auf.
Die Entwicklungsstadien der Hautläsionen sind: Makulae – Papeln – Bläschen – Pusteln – Krusten. Neben genitalen treten auch extragenitale Läsionen auf, wobei in seltenen Fällen die genitalen Läsionen ganz fehlen und z.B. isolierte Läsionen im Mund-Rachen-Bereich vorhanden sein können.
Komplikationen können sich einstellen, wie etwa Schmerzen, Konjunktivitis, Keratitis bis hin zur Erblindung, bakterielle Superinfektionen und Abszesse, Strikturen, Ödeme und in Einzelfällen Enzephalitis, Myokarditis und Arthritis.
Diagnostik und Therapie
Die Diagnostik erfolgt in erster Linie durch DNA-Nachweis mittels PCR aus Effloreszenzen, Krusten oder Rachenabstrichen. „Aufgrund der sexuell assoziierten Übertragung wären eine STD-Abklärung sowie eine HIV-, Hepatitis- und Syphilisserologie empfehlenswert“, so Handisurya. Zudem muss ein Erkrankungsfall innerhalb von 24 Stunden an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde gemeldet werden.
Die therapeutischen Möglichkeiten sind begrenzt, was jedoch aufgrund der selbstlimitierenden Natur der Mpox 2022 kein allzu großes Problem darstellt. Zum einen kann symptomatisch behandelt werden (analgetisch, antipyretisch, antibiotisch). Zum anderen kann bei schwerem Verlauf (z.B. hohe Läsionsanzahl), Komplikationen, Läsionen an besonderen Stellen (z.B. Auge) sowie bei Hochrisikopatienten – wie stark Immunsupprimierten, Kindern unter acht Jahren oder schwangeren Frauen – eine antivirale Therapie in Erwägung gezogen werden.
Drei antivirale Substanzen stehen zur Verfügung: Tecovirimat, Cidofovir und Brincidofovir. Tecovirimat hemmt das Ausschleusen des Virus aus der Zelle, die beiden anderen Substanzen hemmen die DNA-Replikation. Tecovirimat ist allerdings das einzige für Mpox zugelassene Mittel in Europa (seit 2022). Die Substanz wird oral oder i.v. verabreicht und senkt die Viruslast, die Zahl der Läsionen und – vermutlich – auch die Mortalität. Die Verträglichkeit und Sicherheit wurden in Phase-I- bis -III-Studien als gut bewertet. „Eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie zur Effizienz von Tecovirimat bei Mpox beim Menschen fehlt allerdings“, so Handisurya abschließend.
Quelle:
„(Affen-)Pocken – aus der Vergangenheit in die Gegenwart“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch und Assoc. Prof. Dr. Alessandra Handisurya am 2. Österreichischen E-Impfkongress, 3. Dezember 2022
Literatur:
bei den Vortragenden