
Bakteriämie mit Staphylococcus aureus
Bericht:
Reno Barth
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Jede Bakteriämie mit Staphylococcus aureus ist eine ernsthafte Erkrankung mit hoher Mortalität und erfordert eine genaue Abklärung. Die Therapie orientiert sich primär an der Resistenz gegen β-Laktam-Antibiotika. Während sensitive MSSA-Infektionen mit Cefazolin oder Staphylokokken-Penicillin behandelt werden, kommt bei resistentem MRSA Daptomycin oder Vancomycin zum Einsatz.
Ungeachtet ihrer weltweiten Verbreitung und einer Inzidenz von etwa 30 pro 100000 Personenjahren ist die optimale Vorgehensweise bei Staphylococcus-aureus-Bakteriämie (SAB) noch nicht geklärt, so Priv.-Doz. Dr. Gernot Fritsche, Universitätsklinik für Innere Medizin II in Innsbruck. Eine 2022 durchgeführte Befragung von mehr als 2000 Ärzt:innen gelangte zu dem Ergebnis, dass SAB seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema in der medizinischen Fachliteratur ist, grundlegende Behandlungselemente wie das optimale Antibiotikaregime, die Rolle oraler Antibiotika, die optimale Behandlungsdauer und die Definition von persistierender SAB aber „nach wie vor weitgehend unbekannt“ sind.1
S. aureus existiert als Kommensale auf der Hautoberfläche von rund zwei Drittel aller Menschen, kann als MSSA (Methicillin-sensibler S. aureus) oder MRSA (Methicillin-resistenter S. aureus) auftreten und verschiedenste Infektionen verursachen, v.a. Haut- und Weichteilinfektionen, Endokarditis, Fremdkörperinfektionen, Knochen- und Gelenksinfektionen, Pneumonien, Harnwegsinfektionen, Meningitis und eben auch Bakteriämie bzw. Sepsis.
Die Pathogenese der Infektion ist komplex. Die initiale Passage erfolgt durch die Leber. Gelingt es den Kupffer-Zellen nicht, die Bakterien vollständig zu eliminieren, kommt es zu einer erneuten Freisetzung ins Blut. Dort werden die Staphylokokken durch neutrophile Granulozyten und Makrophagen phagozytiert. Die Immunzellen dienen auch als Vehikel und ermöglichen so eine Streuung der Infektion. Staphylokokken können durch Endothelschädigung mittels Toxinen und Gerinnungsaktivierung erheblichen Schaden anrichten und sich durch eine Fibrin-Schutzschicht dem Immunsystem weitgehend entziehen.2
Suche nach der Eintrittspforte
Bei der Anamnese steht zunächst die Frage im Vordergrund, wie die Erkrankung entstanden sein könnte. Bei der Suche nach der Eintrittspforte ist an Läsionen oder Infektionen der Hautoberfläche zu denken. Auch Fremdkörper wie Gefäßzugänge, Prothesen, kardiale Devices, Zentralvenenkatheter o.Ä. kommen als Infektionsquelle infrage.
Bereits im Rahmen der ersten Evaluation sollte man an Quellen möglicher Komplikationen denken. Das bedeutet, mögliche septische Streuherde im Blick zu haben. Fritsche: „Gibt es Hinweise auf eine Endokarditis? Bestehen Vitiengeräusche, könnten Mikroembolien vorliegen? Deutet die Symptomatik auf eine Spondylodiszitis, ZNS-Streuherde oder Milzinfarkte hin?“
Die minimale Evaluation sollte gewissenhafte Anamnese und körperliche Untersuchung, wiederholte Blutkulturen und Thorax-Ultraschall umfassen. Wenn möglich sollte früh infektiologische Expertise eingeholt werden. Fritsche: „Damit kann man nachweislich die Mortalität bei SAB reduzieren.“ Bei konkretem Verdacht kann eine Reihe weiterer Untersuchungen indiziert sein. Fritsche nannte transösophagealen Ultraschall (TEE), thorakoabdominales CT, MRT der Wirbelsäule oder PET/CT. Auch invasive Diagnostik kann in bestimmten Situationen erforderlich werden. Die Blutkulturen müssen unter Therapie zum Zwecke der Verlaufskontrolle regelmäßig wiederholt werden.3
Zahlreiche Algorithmen für die Diagnostik der SAB wurden mittlerweile publiziert. Es geht dabei, so Fritsche, „immer darum, herauszufinden, ob es sich um eine komplizierte S.-aureus-Bakteriämie handelt oder nicht,“ und wie intensiv die Fokus-Suche gestaltet werden muss: „Wenn man den Fokus nicht in den Griff bekommt, so hat man alleine mit konservativer antibiotischer Therapie schlechte Karten.“ Von einer unkomplizierten SAB ist auszugehen, wenn keine implantierten Fremdkörper vorhanden sind, eine Endokarditis ausgeschlossen werden kann, Blutkulturen bereits 2 bis 4 Tage nach Therapiebeginn negativ sind, das Fieber innerhalb von 72 Stunden nach Beginn der antibiotischen Therapie abklingt und es keine Hinweise auf eine Absiedelung der Infektion gibt. Fritsche: „Alles andere ist als komplizierte SAB zu werten und das trifft leider auf die Mehrzahl der Fälle zu.“
Die klassische Klassifikation der SAB in unkompliziert/kompliziert weicht allerdings zunehmend alternativen Methoden der Risikoabschätzung. In jedem Fall ist die SAB eine sehr schwere Erkrankung mit einer Mortalität zwischen 15 und 40%. Eine Abschätzung des Mortalitätsrisikos über 28 Tage ist z.B. mit dem auf klinischen Variablen beruhenden qPITT-Score möglich.4 Auch zur Abschätzung des Endokarditisrisikos stehen mehrere Scores (POSITIVE, PREDICT, VIRSTA) zur Verfügung. Diese sind äußerst sensitiv und haben damit einen hohen negativen Prädiktionswert, der beispielsweise für den VIRSTA-Score bei 99,3% zum Ausschluss einer Endokarditis liegt.5
MSSA-Bakteriämie: Cefazolin oder Staphylokokken-Penicilline?
Auch für die Behandlung sind publizierte Algorithmen verfügbar, die sich an Resistenzsituation und Klinik orientieren. In der Therapie der MSSA-Bakteriämie bestehen regional unterschiedliche Gepflogenheiten, wie eine 2023 publizierte Arbeit zeigt. Während in den USA primär Cefazolin, ein Cephalosporin der ersten Generation, zum Einsatz kommt, setzt man in Europa, ebenso wie z.B. in Australien, primär auf die Staphylokokken-Penicilline.1
Beide haben Vor- und Nachteile. Beispielsweise sind die Penicilline stabil gegenüber β-Laktamasen der Klasse A und B und gelangen gut in den Liquor. Demgegenüber wird Cefazolin besser vertragen, kann mit längeren Applikationsabständen dosiert werden und ist deutlich kostengünstiger. Metaanalysen für Cefazolin zeigen im Vergleich zu den Anti-Staphylokokken-Penicillinen bei MSSA-Bakteriämie einen leichten Vorteil hinsichtlich der Gesamtmortalität. Fritsche betont jedoch, dass es zu dieser Frage kaum Daten aus kontrollierten Studien gibt.6
In einer retrospektiven Studie mit mehr als 3000 Patient:innen mit MSSA-Infektionen war die 30-Tage-Mortalität mit Cefazolin-Therapie um 37% und die 90-Tage-Mortalität um 23% niedriger als mit Nafcillin/Oxacillin.7 Eine Metaanalyse zur Verträglichkeit, die diverse retrospektive Kohortenstudien mit geringen Fallzahlen auswertete, zeigte unter Cefazolin im Vergleich zu den Staphylokokken-Penicillinen weniger Nephrotoxizität und Hepatotoxizität.8
Ein Caveat beim Einsatz von Cefazolin stellt allerdings der Inokulum-Effekt dar, der darin besteht, dass die antibakterielle Aktivität bestimmter Antibiotika bei höheren Keimzahlen abnehmen kann. Allerdings handelt es sich dabei um ein in vitro an S.-aureus-Isolaten beobachtetes Phänomen, dessen klinische Relevanz umstritten ist. Ein Cefazolin-Inokulum-Effekt („CzIE“) wurde in den USA bei rund einem Viertel derMSSA-Isolate beobachtet. Eine Metaanalyse aus 23 Studien lieferte keinen Hinweis auf erhöhte Mortalität bei MSSA mit CzIE. Die Autoren dieser Studie empfehlen daher keine Testung auf CzIE im klinischen Alltag.9
Für Kombinationstherapien bei der MSSA-SAB besteht keine Evidenz. Eine randomisierte Open-Label-Studie mit 215 Patient:innen verglich die Kombinationstherapie mit Cloxacillin und Fosfomycin mit einer Cloxacillin-Monotherapie und fand keine signifikanten Vorteile für die Kombination.10 Die randomisierte, doppelblinde Studie ARREST untersuchte Rifampicin als adjunktive Therapie zu Standard-Antibiotika bei 758 Patient:innen mit SAB und unterschiedlichem Primärfokus. Dabei zeigte sich kein signifikanter Benefit: Mortalität und Nebenwirkungen waren mit beiden Regimen vergleichbar, lediglich die Rekurrenzrate war im Rifampicin-Arm etwas geringer.11
MRSA-Bakteriämie: Studien zeigen leichte Vorteile für Daptomycin
In der Therapie der MRSA-SAB ist das Glykopeptid Vancomycin weltweit Substanz der ersten Wahl. Nur in Europa wird mittlerweile in knapp einem Viertel der Fälle das Lipopeptid Daptomycin verwendet. Sicherheitshalber jede SAB mit Vancomycin behandeln, sei keine gute Strategie, so Fritsche. Eine retrospektive Kohortenstudie mit 267 Patient:innen mit MSSA-Infektion zeigte, dass die 30-Tage-Mortalität mit einem Betalaktam-Antibiotikum (Nafcillin oder Cefazolin) um 79% niedriger war als mit Vancomycin. Auch eine Umstellung von Vancomycin auf ein Betalaktam ist sinnvoll, wenn sich herausstellt, dass es sich um eine MSSA-Infektion handelt.12
Vergleichsdaten für Vancomycin und Daptomycin bei MRSA-Bakteriämie wurden publiziert. Eine Metaanalyse aus 20 Studien (v.a. retrospektiven Kohortenstudien) fand eine 19% niedrigere Mortalität unter Daptomycin, der Vorteil war jedoch nicht signifikant. Daptomycin war allerdings besser bei sekundären Endpunkten wie Therapieversagen oder persistierender Bakteriämie.13 Auch die Kombination von Vanco- oder Daptomycin mit Betalaktam-Antibiotika wurde untersucht. Eine Metaanalyse von drei RCT und zehn Observationsstudien mit insgesamt ca. 1800 Patient:innen zeigte keine Vorteile betreffend Mortalität nach 30 oder 90 Tagen und keine signifikanten Unterschiede bei Nebenwirkungen. Die Kombination verkürzt jedoch die Dauer der Bakteriämie und vermindert Rekurrenzen. Fritsche: „Die Kombination kann nicht als Routineprozedere empfohlen werden.“14 Die randomisierte, kontrollierte Open-Label-Studie CAMERA-2 zeigte allerdings für die Kombinationstherapie Vanco-/Daptomycin mit Betalaktam im Vergleich zur Monotherapie vermehrt Nephrotoxizität und keinen klinischen Benefit.15
Frühe Umstellung auf orale Therapie in leichten Fällen
Nicht zuletzt aus logistischen Gründen ist eine frühe Umstellung von Patient:innen mit SAB auf orale Antibiotika wünschenswert. Untersucht wurde diese Strategie u.a. in der SABATO-Studie mit 213 Patient:innen mit unkomplizierter SAB, die nach 5 bis 7 Tagen i.v. Therapie auf orale Therapie mit Cotrimoxazol, Clindamycin oder Linezolid umgestellt wurden. Dabei erwies sich die frühe orale Therapie im Vergleich zur Standard-Therapie als nicht unterlegen.16 Eine Metaanalyse, die auch Fälle von Endokarditis und wenige MRSA-Erkrankte berücksichtigte, kam zu dem gleichen Ergebnis.17 Fritsche betont allerdings, dass es sich um leicht erkrankte Patient:innen handelte, die im klinischen Alltag nicht den Normalfall darstellen. In Europa wird mit diesen Daten sehr unterschiedlich umgegangen. Rund die Hälfte der Zentren behandelt praktisch ausschließlich parenteral, in den USA sind es laut Fritsche sogar 75%, die orale Therapien gar nicht oder nur in Ausnahmefällen anwenden.
Auch hinsichtlich der optimalen Therapiedauer ist das beste Vorgehen letztlich unklar, die Vorgaben beruhen auf alten Observationsstudien bzw. hauptsächlich auf Expertenmeinung. Üblicherweise wird bei der unkomplizierten MSSA-Bakteriämie 2 Wochen intravenös behandelt, bei komplizierter SAB 4 bis 6 Wochen, in manchen Fällen aber auch deutlich länger. Allerdings sind „die verfügbaren Daten einfach nicht ausreichend für evidenzbasierte Entscheidungen“, so Fritsche. Mehrere laufende Studien sollten mehr Klarheit bringen.
Quelle:
„SAB – Endlich wissen wie es richtig geht!“, Vortrag von Priv.-Doz. Dr. Gernot Fritsche, Innsbruck, im Rahmen des ÖIK am 21.März 2025 in Saalfelden
Literatur:
1 Westgeest AC et al.: Clin Infect Dis 2023; 77(8): 1092-1101 2 Kwiecinski JM, Horswill AR: Curr Opin Microbiol 2020; 53:51-60 3 Minter DJ et al.: Clin Infect Dis 2023; 77(11): e57-68 4 Bettle SE et al.: J Infect 2022; 84(2): 131-5 5 van der Vaart TW et al.: Clin Infect Dis 2022; 74(8): 1442-9 6 Weis S et al.: Clin Microbiol Infect 2019; 25(7): 818-27 7 McDanel JS et al.: Clin Infect Dis 2017; 65(1): 100-6 8 Eljaaly K et al.: Antimicrob Agents Chemother 2018; 62(4): e01816-7 9 Lo CK et al.: JAC Antimicrob Resist 2024; 6(3): dlae069 10 Grillo S et al.: Nat Med 2023; 29(10): 2518-25 11 Thwaites GE et al.: Lancet 2018; 391(10121): 668-78 12 Schweizer ML et al.: BMC Infect Dis 2011; 11: 279 13 Adamu Y et al.: PLoS One 2024; 19(2): e0293423 14 Yi Y et al.: Microb Drug Resist 2021; 27(8): 1044-56 15 Tong SYC et al.: JAMA 2020; 323(6): 527-37 16 Kaasch AJ et al.: Lancet Infect Dis 2024; 24(5): 523-34 17 Mourad A et al.: Clin Infect Dis 2025; 80(1): 29-36
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