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15. Österreichischer Infektionskongress (ÖIK)

Handschuhe: Pro und Contra

Auch wenn das Tragen von Einmalhandschuhen in vielen Bereichen der Medizin unabdingbar ist und nicht infrage steht, so gibt es doch auch hier eine Menge Details, auf die geachtet werden sollte. Man sollte sich bewusst sein, welcher Handschuh wofür geeignet oder nicht geeignet ist, und auch falsche Technik beim An- und Ausziehen sowie fehlerhafte Handschuhchargen können durchaus Probleme machen.

Man sollte eigentlich glauben, dass die Verwendung von Handschuhen in der Medizin unumstritten ist. Aber ganz so einfach ist es doch nicht, wie eine sehr spannende Pro/Contra-Sitzung am 15. Österreichischen Infektionskongress zeigte.

PRO

„Wir haben während der Pandemie viel über Händehygiene gesprochen, von den Masken ganz zu schweigen“, so Prof. Dr. Ojan Assadian, Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt und Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Additivfach Infektiologie und Tropenmedizin. „Was man dabei aber gern vergisst, ist das Prinzip der Nichtkontamination. Wenn man sich beispielsweise vorstellt, eine rektale Untersuchung ohne Handschuh durchzuführen, so hat man danach mindestens 100 Millionen Darmbakterien auf dem untersuchenden Finger, also 108. Davon bringt man beim Waschen mit Wasser und Seife ungefähr 1 Logstufe weg, nach Trocknen der Hände und Durchführung einer hygienischen Händedesinfektion mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel nochmals vier oder fünf Logstufen. Damit bleiben aber immer noch mindestens 100 bis 1000 übrig.“

Die Indikation für medizinische Einmalhandschuhe (EHS) ist also immer dann gegeben, wenn eine Kontamination der eigenen Hände mit potenziell (für sich selbst und/oder für andere) pathogenen Erregern sicher oder antizipierbar ist. Die Indikation für sterile chirurgische Handschuhe besteht dann, wenn unter Verwendung der eigenen Hände steril gearbeitet werden muss.

Soweit die Theorie. „Um die Indikation für Handschuhe allerdings in der Praxis richtigstellen zu können, braucht man ein umfangreiches mikrobiologisch-hygienisch-infektiologisches Wissen über Erreger, Transmission und Risikoabschätzung“, so Assadian. Wenn man z.B. einen Abszess manuell drainiert, so ist eine Kontamination der Hände hochwahrscheinlich. Wenn man hingegen eine Impfung verabreicht, ist eine umfangreiche Kontamination mit Körpersekreten unwahrscheinlich.

Assadians Fazit
  • Handschuhe sind ein unverzichtbares Mittel in der Medizin.

  • Einmalhandschuhe schützen die Hände des Trägers vor Kontamination und tragen so indirekt zur Patientensicherheit bei.

  • Ihre Indikation und ihr Gebrauch müssen aber geschult und trainiert werden.

  • Akzeptable chirurgische Ergebnisse sind nur unter Verwendung von sterilen chirurgischen Handschuhen möglich.

  • Bestimmte Teilaspekte der Handhabung müssen allerdings noch näher untersucht werden.

  • Letztlich geht es daher nicht um die Frage, ob medizinische Untersuchungshandschuhe heute zu viel oder zu wenig verwendet werden, sondern darum, ob sie situationsadäquat zum Einsatz kommen.

CONTRA

„Mein Thema ist ja eigentlich nicht, gegen Handschuhe in der Medizin zu argumentieren, sondern über die mit medizinischen Handschuhen verbundenen Risiken zu sprechen, und die gibt es durchaus“, begann Univ.-Prof. Dr. Cornelia Lass-Flörl, Direktorin des Institutes für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, ihren Contra-Part.

Zunächst einmal sollte man wissen, dass es im medizinischen Setting unterschiedliche Arten von Handschuhen gibt, etwa aus Nitril, Vinyl, Latex oder Polyethylen. Nitril-Handschuhe sind wasserabweisend und beständig gegen viele Chemikalien und besonders Öle. Allerdings sind sie durchlässig für viele Lösungsmittel wie Aceton oder Dichlormethan. Bei Latexallergie sind sie die beste Alternative und bieten auch einen guten Schutz gegen Mikroben. Vinyl-Handschuhe sind ebenfalls eine Alternative für Personen mit Latexallergie. Das Material ist wasserabweisend und relativ preisgünstig. Es ist allerdings nicht sehr robust und verfügt über eine eher kurze Lebensdauer. Latexhandschuhe werden wegen der allergenen Wirkung heute seltener eingesetzt. Es handelt sich allerdings um ein robustes, langlebiges Material, das sich auch zum Umgang mit scharfen Gegenständen eignet. Es ist wasserabweisend und beständig gegen viele Säuren und Laugen, bietet jedoch keinen Schutz gegen Öle und Lösungsmittel. Handschuhe aus Polyethylen sind nicht elastisch und können daher nur lose über die Hand gestülpt werden. Ähnlich den Vinyl-Handschuhen sind sie wenig robust, dafür aber preisgünstig. „Ich möchte behaupten, dass es in der Ärzteschaft ein mangelhaftes Wissen zum Thema EHS gibt, das unbedingt erweitert werden sollte“, fuhr Lass-Flörl fort.

Es gibt eine vierteilige europäische Norm (EN 455), der medizinische Handschuhe entsprechen müssen. Hier geht es um Dichtigkeit, Reißfestigkeit, Grenzwerte für Chemikalien, Puderrückstände, Proteine und Endotoxine sowie um die Haltbarkeitsdauer. Darüber hinaus müssen Schutzhandschuhe gegen Mikroorganismen nach einer weiteren europäischen Norm (EN 374) geprüft und gekennzeichnet werden. „Trotz all dieser Prüfungen und Bestimmungen tauchen in medizinischen Einrichtungen immer wieder fehlerhafte Handschuhchargen auf“, warnte die Hygienikerin.

Erfahrungsgemäß treten häufig folgende Probleme auf:

  • Handschuhe sind untereinander verklebt und daher unverwendbar oder sie reißen beim Anziehen.

  • Sie weisen knötchenartige Einschlüsse auf.

  • Rollrand reißt beim Überziehen.

  • Löcher an unterschiedlichen Stellen

  • Einzelentnahme aus Verpackung oft nur unter erheblichem Zug möglich, daher Rissgefahr oder es lösen sich mehrere Handschuhe gleichzeitig aus der Verpackung.

„Man muss sich ja bewusst machen, dass– im Gegensatz etwa zu Kondomen mancher Hersteller – EHS nicht einzeln auf Dichtigkeit geprüft werden. Die Prüfungen umfassen nur Stichproben“, berichtete Lass-Flörl. „Zudem hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass 80% aller Handschuhperforationen unbemerkt bleiben“, fuhr Lass-Flörl fort.

Eine Möglichkeit, dem – zumindest im chirurgischen Bereich – entgegenzuwirken,ist das Tragen von Doppelhandschuhen, die mit einem Indikatorsystem versehen sind. Kommt es zu einer Perforation des Außenhandschuhs, so bietet der Innenhandschuh immer noch Schutz. Gleichzeitig wird eine Farbreaktion ausgelöst, die den Träger auf die Perforation hinweist. Eine US-Studie hat gezeigt, dass sich dadurch das Risiko einer Exposition des Operateurs gegenüber Patientenblut um 87% verringern lässt.

Auch die Wahl von EHS in der falschen Größe kann ein Problem sein. Ist der Handschuh zu klein, ermüdet die Hand leicht, ist er zu groß, fehlen Feingefühl und Feinmotorik. Auch werden EHS oft zu lang getragen, was Erregertransmissionen und okklusionsbedingte Mazerationseffekte begünstigt. Bei Kontakt mit Chemikalien steigt die Penetrationswahrscheinlichkeit.

Bei nicht korrektem Tragen von EHS steigt die Kontaminationsgefahr der Umgebung. Eine Desinfektion von Einmalhandschuhen darf nur dann erfolgen, wenn diese dafür geeignet sind.

In manchen Fällen werden Unterziehhandschuhe aus Baumwolle verwendet, und dies mehrfach. Dies kann zu einer Verunreinigung des Unterziehhandschuhs führen, was durch den darüber getragenen EHS nicht zu 100% verhindert wird.

Wird der EHS unmittelbar nach der Händedesinfektion oder dem Eincremen der Hände angezogen, so können Rückstände von Händedesinfektionsmitteln darin verbleiben. Beim Anziehen von EHS unmittelbar nach dem Händewaschen verbleibt Restfeuchtigkeit in den Fingerzwischenräumen und es kann zu Mazerationseffekten der Haut kommen. Auch beim Ausziehen der EHS können, bei falscher Technik, Kontaminationen entstehen. „Schließlich kann nicht oft genug betont werden, dass EHS die Händedesinfektion nicht ersetzen können“, warnte die Expertin.

Lass-Flörls Fazit

Nur eine korrekte Anwendung von EHS schützt vor Infektionen!

„Handschuhe: Nutzen und Risiko“; Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian und Univ.-Prof. Dr. Cornelia Lass-Flörl im Rahmen der Pro/Contra-Sitzung 1 des ÖIK am 22. März 2023, Saalfelden

bei den Vortragenden

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