
Antibiotikatherapie: Cefiderocol und die Zukunft
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Beim 14. Österreichischen Infektionskongress unternahmen zwei ausgewiesene Experten eine Bestandsaufnahme der Therapiesituation im resistenten gramnegativen Bereich und blickten dabei auch in die Zukunft.
Eine neuartige Strategie der antimikrobiellen Therapie ist die Verwendung von Hybridantibiotika. Hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Option Nummer 1 ist die Hybridisierung von zwei Molekülen, von denen jedes unterschiedliche antimikrobielle Ansatzpunkte hat. Option Nummer 2 ist die Verbindung eines Antibiotikums mit einem Molekül, das für den beschleunigten Transport des Hybrids verantwortlich ist. „Zur letzteren Gruppe gehört auch Cefiderocol“, so OA Dr. Oskar Janata, Klinik Donaustadt, Wien. In diesem Fall bedeutet das, dass ein Cephalosporin, das strukturell dem Ceftazidim und dem Cefepim ähnelt, mit einer Katecholstruktur mit siderophoren Eigenschaften verbunden wurde. Der Siderophor-Anteil wird von einem aktiven Eisentransportsystem der Zelle erkannt, sodass das Cefiderocol-Molekül in den periplasmatischen Raum der Bakterienzelle gelangt, wo es aufgespalten wird. Das Cephalosporin kann dann an Penicillin-bindende Proteine gebunden werden und übt so seine Wirkung aus.
Aber auch für die Option 1 gibt es zahlreiche Beispiele, wie etwa die Kombination von Fluorchinolonen und Oxazolidinonen. „Auch die Hybridisierung eines Antibiotikums mit einem Antimykotikum ist prinzipiell möglich“, berichtete Janata.
Resistenzen und was man dagegen tun kann
Was invasive Infektionen und Bakteriämien angeht, so sind grampositive Erreger in Österreich kein großes Problem – die Rate an Methicillin-resistentem Staphylococcusaureus(MRSA)ist hierzulande seit Jahren niedrig und stabil. Das weitaus größere Problem ist die Entwicklung von Resistenzen im gramnegativen Bereich. Und solche Resistenzen sind nicht selten. Janata: „In unserer Klientel in der Klinik Donaustadt haben wir gesehen, dass bei Atemwegsinfektionen etwa 25% aller Patienten bereits mit resistenten Erregern ins Krankenhaus kommen.“
Bei Enterobacteriaceae tritt z.B. AmpC als Resistenzmechanismus häufig auf. Dabei sind zwei Gruppen von Erregern zu unterscheiden: solche, die AmpC chromosomal angelegt, und solche, die es über ein Plasmid erhalten haben. Dabei können auch Erreger der ersten Gruppe AmpC zusätzlich über ein Plasmid auf andere Bakterien übertragen. Zu den Spezies mit chromosomalem AmpC gehören Enterobacter, Citrobacter freundii, Morganella morganii und andere. Arten ohne chromosomales AmpC, die es über ein Plasmid erhalten können, sind E. coli, Klebsiellen, Proteus mirabilis, Salmonellen und Shigellen. „Dabei ist entscheidend, dass man auch auf AmpC testet – wenn man nämlich die AmpC-Produktion im Test nicht provoziert, so kann man falsch hohe Empfindlichkeitswerte erhalten“, warnte Janata. „Und wenn AmpC vorhanden ist, so lässt etwa die Wirksamkeit von Aztreonam, Piperacillin/Tazobactam und Cefepim deutlich nach und Cefotaxim verliert seine Wirkung ganz. In diesem Fall erweisen sich nur einige Antibiotika als stabil wirksam, wie Ertapenem, Meropenem, Fluorchinolone und Cotrimoxazol. Für die Behandlung z.B. einer Sepsis bleiben in der Praxis dann oft nur Carbapeneme.“
Doch leider gibt es auch Resistenzen gegen Carbapeneme, und auch diese nehmen zu. „Besonders Carbapenem-Resistenzen bei Pseudomonas aeruginosa hängen direkt von der Menge der verabreichten Carbapeneme auf einer Abteilung ab“, berichtete der Experte.
Ein zweiter Erreger, der bei Carbapenem-Resistenzen eine Rolle spielt, ist Stenotrophomonas maltophilia. „Hier kann ein Medikament wie Cefiderocol, das als erstes Betalaktam auch gegen Stenotrophomonas wirkt, sehr hilfreich sein“, so Janata.
Empirische Therapie
In der empirischen Therapie gibt es bewährte Switch-Strategien, wie z.B. die Umstellung von Cefepim auf Meropenem oder Piperacillin/Tazobactam. „Die Frage ist aber, worauf stelle ich einen Patienten um, der schon Meropenem oder auch eine Betalaktam/Betalaktamase-Inhibitor(BL/BLI)-Kombination wie Ceftolozan/Tazobactam (CEF/TAZ) oder Ceftazidim/Avibactam (CEF/AVI) gehabt hat und dann wieder anfiebert?“, fragte Janata.
Bei Meropenem-resistentem P. aeruginosa können CEF/TAZ oder CEF/AVI wirksam sein. „Schwieriger ist eine auf Metallo-Betalaktamasen (MBL) beruhende Meropenem-Resistenz, wie sie bei Enterobakterien häufiger vorkommt. Hier gibt es wenige gute Optionen“, so Janata. „Cefiderocol wirkt hier in der Regel aber schon. Gerade bei 4MRGN-Erregern (multiresistente gramnegative Erreger, die gegen 4 Antibiotikaklassen resistent sind), sollte man Cefiderocol in Betracht ziehen“, forderte Janata.
Der Blick in die Zukunft
„Es kommen mit der Zunahme multiresistenter gramnegativer Erreger zweifellos neue Probleme auf uns zu“, so Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT). „Zwar helfen uns die neuen BL/BLI-Kombinationen oft noch, aber bei Erregern, die resistent gegen einen BLI wie Avibactam, Relebactam und/oder Vaborbactam sind, stehen nicht mehr viele Optionen zur Verfügung. Cefiderocol ist eine davon.“
Die Entwicklung neuer Antibiotika wird zweifellos erforderlich sein. „Leider stellen manche neuen Substanzen keine wirklichen Innovationen dar“, schränkte Thalhammer ein. Laut WHO entfallen 42% der zurzeit in der Pipeline befindlichen Antibiotika auf BL/BLI-Kombinationen, gefolgt von neuen Tetrazyklinen (11%). Es gibt allerdings auch neue Wirkprinzipien. „Hier wird es bis zu den klinischen Daten aber noch dauern.“
Eines der Probleme vieler Antibiotika ist die fehlende Aktivität gegen OXA-48. Von den zugelassenen BLI weist nur Avibactam eine solche Aktivität auf, weiters auch einige der noch in Entwicklung befindlichen BLI.
„Ein Medikament, auf das wir eigentlich schon seit 15 Jahren warten, und immer noch vergeblich, ist Aztreonam/Avibactam“, mahnte Thalhammer. „Das kann man sich natürlich in gewisser Weise selbst mixen, indem man dem Patienten Aztreonam und dazu Ceftazidim/Avibactam verabreicht“, plauderte der Infektiologe aus der Schule. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, und es gibt auch Studien, die zeigen, dass man mit der Kombination Aztreonam/Avibactam MBL-Produzenten, insbesondere Enterobacterales, gut behandeln kann.“
Aber auch andere BL/BLI-Kombinationen, wie Imipenem/Relebactam oder Meropenem/Vaborbactam, eignen sich als Kombinationspartner für Aztreonam. „Das setzt natürlich voraus, dass man bei Patienten, bei denen man den Bedarf an einer solchen Kombination ahnen kann, wie z.B. nach Lungentransplantation, die entsprechenden Antibiotika rechtzeitig synergistisch austesten lässt“, so der Infektiologe.
Was ist noch zu erwarten?
Aber auch eine altbekannte Substanz wie Cefepim kann, in Kombination mit einem BLI – sei es die alt bekannte Clavulansäure oder ein neuer BLI wie etwa Zidebactam – wirksam gegen Erreger sein, gegen die sie als Monosubstanz wirkungslos wäre.
Ein wahrscheinlich bald erscheinendes Präparat ist Cefepim/Enmetazobactam, wobei dieser BLI, wie der Name schon sagt, eine Weiterentwicklung von Tazobactam darstellt. Dieses Medikament ist stabil gegen AmpC und OXA-48 und hemmt zudem ESBL („Extendedspectrum“-Betalaktamasen). Es soll vor allem dann eingesetzt werden, wenn ESBL vermutet oder nachgewiesen sind, nicht zuletzt, um breiter – und im Gegensatz zu Cefepim/Enmetazobactam auch gegen Carbapenem-resistente Enterobakterien (CRE) – wirksame Antibiotika wie Plazomicin, Meropenem/Vaborbactam oder CEF/TAZ einzusparen. „Ich glaube allerdings nicht, dass diese Kombination das Piperacillin/Tazobactam ablösen wird, schon allein aus ökonomischen Gründen“, schränkte Thalhammer ein.
Auch Cefepim/Taniborbactam zeigte in Studien eine Wirksamkeit gegen eine Reihe von resistenten Enterobakterien, wie E. coli und Klebsiellen. Es wirkt aber auch gegen P. aeruginosa und S. maltophilia, die ESBL, AmpC oder OXA-48 produzieren. In einer klinischen Studie erwies sich Cefepim/Taniborbactam bei Patienten mit komplizierten Harnwegsinfekten als nicht unterlegen gegenüber Meropenem (wobei die Nebenwirkungsrate bei Cefepim/Taniborbactam ein wenig höher war). Cefepim/Zidebactam dürfte unter anderem eine gute Option zur Therapie von Acinetobacter-baumannii-Infektionen werden.
„Bei oralen Therapieoptionen gegen multiresistente gramnegative Erreger sind wir derzeit noch sehr schlecht aufgestellt“, so Thalhammer. Hier könnte in Zukunft die Kombination von Ceftibuten mit Avibactam oder auch dem neuen BLI Etzadroxil Abhilfe schaffen.
Die Kombination der beiden BLI Sulbactam und Durlobactam erbrachte in einer Studie mit Infektionen durch Carbapenem-resistenten Acinetobacter baumannii in Kombination mit Imipenem/Relebactam (IMI/REL) eine niedrigere 28-Tages-Mortalität und weitaus weniger Nephrotoxizität als die Kombination von IMI/REL mit Colistin.
„Nachdem Cefiderocol gewissermaßen den Bann gebrochen hat, wird nun eine Reihe synthetischer Siderophore untersucht“, fuhr Thalhammer fort. Und schließlich befinden sich auch gezielte MBL-Inhibitoren in Entwicklung.
Für Patienten mit Betalaktamallergie gibt es Alternativen wie etwa Eravacyclin und Omadacyclin, die Weiterentwicklungen von Tigecyclin darstellen, oder auch das Fünftgenerations-Chinolon Delafloxacin, das im Gegensatz zu den Tetrazyklinen auch eine Wirkung gegen Pseudomonas aufweist.
Quelle:
„Cefiderocol abseits der Trampelpfade“, Symposium 3 des Österreichischen Infektionskongresses (ÖIK) am 23. März 2022, Saalfelden
Literatur:
bei den Vortragenden
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