
Perioperative Ernährung bei gastrointestinalen Eingriffen
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Reinhold Kafka-Ritsch
Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie
Innsbruck
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Im Bereich der perioperativen Ernährung bei geplanten Operationen am Magen-Darm-Trakt wurden in den letzten Jahren einige Dogmen über Bord geworfen – mit dem Ziel, den Patienten bestmöglich auf die geplante Operation vorzubereiten und die Erholung zu erleichtern.
Keypoints
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Präoperative Nüchternheit und mechanische Darmvorbereitung sind kontraproduktiv und zu vermeiden.
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Ein Patient mit funktionierendem Zahnstatus braucht keine Breikost!
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Es gibt praktisch keine Situation (eine Schluckstörung ausgenommen), in welcher ein Patient nach einer geplanten Operation am Verdauungstrakt keine klaren Flüssigkeiten zu sich nehmen darf.
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Enteral ist besser als parenteral.
Entscheidende Maßnahmen setzte 1995 Prof. Henrik Kehlet, ein Anästhesist aus Dänemark, der die Notwendigkeit und den positiven Effekt optimaler perioperativer Behandlung erkannt und massiv propagiert hat. Unter dem Motto „We make them sick!“ hat er die präoperative Nüchternheit hinterfragt und ein sogenanntes „Fast Track“-Programm etabliert.
Auf seine Initiative hin wurde auch die mechanische Darmvorbereitung (das „Abführen“) auf unbedingt notwendige Situationen limitiert. Dies konnte in mehreren hochqualitativen, blind randomisierten Studien belegt werden. Trotz der erdrückenden Datenlage ist die Darmvorbereitung von vielen Chirurgen beibehalten worden, welche sich nicht mit der Tatsache anfreunden wollten, dass man auch einen stuhlgefüllten Darm resezieren und anastomosieren kann. In letzter Zeit hat die roboterassistierte Chirurgie große Fortschritte gemacht. Interessanterweise wird hier wieder eine Darmvorbereitung gewünscht, weil die fehlende Haptik das Hantieren bei stuhlgefülltem Darm erschwert.
ERAS-Empfehlungen
In den ERAS-Empfehlungen – ERAS („enhanced recovery after surgery“) ist die Weiterentwicklung des Fast-Track-Programms von Kehlet – wird weiterhin an dem Vermeiden der Darmvorbereitung festgehalten, eventuell in Kombination mit oraler Antibiotikaprophylaxe. Zusätzlich wird der Patient am Vorabend der Operation mit einer kohlenhydratreichen Nahrung zum Auffüllen der Kohlenhydratspeicher und präoperativ bis 2Stunden vorher mit klaren kohlenhydratreichen Getränken optimal auf die Operation vorbereitet (Abb.1,2). Damit wird einerseits der Stress des Nüchternseins für den Patienten reduziert und andererseits werden die postoperative Übelkeit und das Erbrechen (PONV) positiv beeinflusst. Postoperativ sollten jedem Patienten, sobald er wach ist und schlucken kann, klare Flüssigkeiten angeboten werden. Das Ziel von ERAS-Programmen ist es, ab dem 2. postoperativen Tag ohne i.v. Infusionen auszukommen.
An unserer Klinik wird jedem Patienten mit vernünftigem Zahnstatus geraten, sorgfältig zu kauen. Damit ist die Empfehlung von Breikost nicht notwendig und der Kostaufbau mit leichter Vollkost kann ab dem 2. Tag gestartet werden. Ziel ist es, den oralen Kostaufbau so früh wie möglich zu starten. Der Patient entscheidet selbst, wie viel er verträgt. Prinzipiell ist der menschliche Körper auf Hungerphasen gut vorbereitet und es muss nicht gleich die volle Kalorienzufuhr erreicht werden. Falls nicht ausreichend orale Nahrung zugeführt werden kann, ist eine zusätzliche parenterale Ernährung beim nicht mangelernährten Patienten frühestens ab dem 5.Tag sinnvoll.
Prähabilitation
Prähabilitation – eine Verbesserung des Gesundheits- und Ernährungszustandes eines Patienten vor einer großen Operation – ist ein zuletzt hinzugefügter Baustein des ERAS-Programms. Mangelernährung sollte im Vorfeld mit einem einfachen Screening-Tool erkannt und ausgeglichen werden, ebenso wie ein Vitamin- oder Eisenmangel. Eisen muss meist intravenös zugefügt werden, da die orale Aufnahme u.a. bei einer tumorbedingten Eisenmangelanämie nicht zielführend ist.
Immunonutrition
Zum Thema Immunonutrition – sie umfasst die zusätzliche Einnahme von immunmodulierenden Substanzen wie Glutamin, Arginin, Omega-3-Fettsäuren etc. – gibt es Hinweise, dass infektiöse Komplikationen reduziert werden können. Die Datenlage ist bei sehr heterogenen Studien mit großer Streuungsbreite in den Komplikationen noch nicht ausreichend, um dies flächendeckend empfehlen zu können.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass perioperative Nüchternheit bei elektiven Operationen in der Viszeralchirurgie in den meisten Fällen kontraproduktiv und daher obsolet ist, der orale Nahrungsaufbau so bald wie möglich durchgeführt werden soll und die enterale immer der parenteralen Ernährung vorzuziehen ist.
Literatur:
beim Verfasser
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