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Sinnvolle Vorgehensweise bei BI-RADS 3-Befunden
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Wolfram Santner, M.H.A.
Mitglied des Leitungsgremimus<br> Brustzentrum Aarau Cham Zug<br> Facharzt für Radiologie<br> Hirslanden Klinik Aarau<br> E-Mail: wolfram.santner@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">BI-RADS 3 ist eine notwendige, aber nicht unproblematische Klassifikation in der Brustdiagnostik. BI-RADS 3 kann helfen, potenziell bösartige Befunde frühzeitig im kurzfristigen Intervall zu detektieren, ohne mittels sofortiger Biopsie die Frau einer eventuellen Überdiagnose auszusetzen. Richtig angewendet hilft sie zu verhindern, dass die Frau sich durch eine (gegebenenfalls zu leichtfertig vergebene) gutartige Einschätzung eines Bildbefundes in falscher Sicherheit wiegt. Falsch angewendet führen zu grosszügig verordnete Verlaufskontrollen durch den Radiologen zu einer Verunsicherung bei Frauen und zuweisenden Gynäkologen. Zudem belasten sie das Gesundheitswesen. Welches sind die offiziellen Empfehlungen? Wie sollte man sinnvollerweise vorgehen?</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>BI-RADS 3 ist keine unbestimmte Klassifikation, sondern für spezielle Bildbefunde reserviert. Die Beachtung des Kontexts (Screening- Mammografie vs. klinisch-diagnostische Mammografie) ist wichtig. BI-RADS 3 soll nach Möglichkeit nicht im organisierten Screening verwendet werden (dort: BI-RADS 0). Eine saubere Trennung im «grauen» Screening ist nicht immer möglich.</li> <li>Die offiziellen ACR-BI-RADS-Leitlinien ermöglichen die Klassifikation als BI-RADS 3 und Verlaufskontrollen im verkürzten Intervall für einen recht langen Zeitraum: 6 + 6 + 12 (+ 12) Monate = 2–3 Jahre. Dies ist aber im Kontext der meist üblichen jährlichen Screenings in den USA zu sehen.</li> <li>Ein raschere Reklassifikation (nach Möglichkeit innerhalb von 6 bis maximal 18 Monaten) als benigne (BI-RADS 2) oder im Sinne einer Hochstufung zur Biopsie (BI-RADS 4) ist trotzdem als sehr sinnvoll zu erachten.</li> <li>Die Verwendung von MRI und neuen Techniken der Mammografie (z.B. Tomosynthese) kann helfen, langfristige Kontrollen zu vermeiden.</li> <li>Die Entscheidung über das Vorgehen sollte nach Möglichkeit immer in Absprache mit der betroffenen Frau getroffen werden (persönliches Sicherheitsbedürfnis, Verunsicherung, psychischer Stress). Ein Gespräch des Radiologen mit der Patientin mit Befunderklärung am Bildschirm lohnt sich immer. Manche Frauen haben mit Kontrollen oder zusätzlicher Bildgebung kein Problem, andere wünschen eher eine rasche bioptische Klärung.</li> </ul> </div> <h2>Einleitung und Erklärung</h2> <p>Zuerst sollte man einen Blick auf die Geschichte der BI-RADS-Klassifikation werfen und eine kurze Zusammenschau mit anderen Klassifikationssystemen vornehmen. BI-RADS steht für das «Breast Imaging Reporting and Data System» des American College of Radiology (ACR). Dieses wurde in den späten 1980er-Jahren als Scoringsystem für Mammografien eingeführt und seitdem mehrfach angepasst. Mit den Revisionen kam es auch zu einer Einbeziehung anderer Modalitäten (Ultraschall, MRI). Seit 2013 liegt die 5. Auflage vor.<sup>1, 2</sup> Die BI-RADS-Klassifikation hat sich mittlerweile weltweit etabliert und ist auch ins Deutsche übersetzt worden. Trotzdem gab und gibt es auch Kritik.<sup>3</sup> Es ist eine Klassifikation, welche stark auf das amerikanische Screeningsystem mit meist einjährigen Screeningintervallen abgestimmt ist. Zudem wurde es zu einer Zeit geschaffen, in der es nur wenige und meist rein mammografische Screeningzentren gab, damals noch ohne Möglichkeit von weiterer Bildgebung oder Biopsie. Dass sich aber auch andere Klassifikationssysteme etabliert haben, allen voran das britische Klassifikationsschema, welches unter anderem auch in Norwegen Anwendung findet, ist im deutschsprachigen Raum weniger bekannt. Das UK 5 Point Scoring System des Royal College of Radiology (RCR) ist zwar auf den ersten Blick ähnlich dem BI-RADS, allerdings zielt es mehr auf ein «One-Stop-Shop»-Verfahren ab, in welchem Verlaufskontrollen nicht unbedingt gewünscht sind und bereits ab Kategorie 2 (äquivalent zu BI-RADS 3) eine Biopsie möglich ist (Tab. 1). Auch verzichtet es im Grunde auf durchgehende Prozentabschätzungen des Malignitätsrisikos und ordnet stattdessen den Befund verbal ein. Die Kategorie 3 (intermediär) im britischen System entspricht einem Risiko von 50/50. Wird im Screening von einem der beiden Ärzte, die die Mammografien befunden, im «double reading» eine Kategorie 3 oder höher vergeben, kann diese im Regelfall bei divergierendem Befund des Zweitlesers in der Konsensuskonferenz nicht mehr zurückgestuft werden und es ist unumgänglich, die Frau erneut einzubestellen.<sup>4–6</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1702_Weblinks_s21_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="733" /></p> <h2>Das BI -RADS-Schema</h2> <p>Das BI-RADS-Schema kennt 7 Kategorien. In vereinfachter Beschreibung sind dies: 0 (weitere Bildgebung notwendig und/oder Vergleich mit Voraufnahmen), 1 (negatives Mammogramm = unauffälliger Befund), 2 (benigne), 3 (wahrscheinlich benigne), 4a/4b/4c (suspekt in unterschiedlicher Graduierung), 5 (hochgradig malignitätsverdächtig), 6 (bekannte, bioptisch bewiesene Malignität).<br /> Hierbei können insbesondere die Bewertungskategorien BI-RADS 0 und BIRADS 3 im praktischen Einsatz fälschlicherweise vermengt oder falsch eingesetzt werden. Im ACR-BI-RADS-Atlas wird angemerkt, dass BI-RADS 3 nicht eine unbestimmte Kategorie ist, die einfach nur verwendet wird, wenn der Radiologe unsicher ist, ob er eine Zuordnung zu «benigne» oder zu «verdächtig» vornehmen soll. Diese Kategorie wurde für spezielle Bildbefunde reserviert, von denen man annimmt, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von grösser als 0 % , aber kleiner als 2 % maligne sind. Diese schwierig zu treffende 0-bis-2 % -Risikoabwägung ist einer der Kritikpunkte am System. Zudem gilt es für Frauen ohne erhöhtes Risiko. Bei Risikopatientinnen würde es automatisch zu einer Potenzierung des Risikos kommen. Beim hereditären Brustkrebs kann das Risiko bis zu 10-fach höher sein.<sup>7–9</sup> Aus 2 % Risiko würden dann 20 % Risiko für eine Läsion werden, was eigentlich eine Verschiebung nach BI-RADS 4 bedeutet.<br /> Etwas verständlicher ist zumindest die Beschreibung, für welche speziellen mammografischen Bildbefunde BI-RADS 3 gedacht ist. Es sind dies unverkalkte, umschriebene, solide Raumforderungen, fokale Asymmetrien sowie solitäre Gruppen punktförmiger Verkalkungen. Im Ultraschall gilt es für solide Herdläsionen mit umschriebenem Rand, ovaler Form und paralleler Ausrichtung (zumeist Fibroadenome) oder isolierte komplizierte Zysten.</p> <h2>Kontext der Untersuchung</h2> <p>Nach dem ACR ist bei der Vergabe der BI-RADS-3-Klassifikation neben der oben erwähnten Morphologie von Befunden auch der Kontext der Untersuchung zu beachten. Die Frage lautet: Handelt es sich um eine Screeninguntersuchung oder um eine klinische/diagnostische Bildgebung (sog. Assessment)? BI-RADS 3 soll nach Möglichkeit nicht im Screening verwendet werden, da diese Beurteilung nur nach Beendigung der vollständigen diagnostischen Brustbildgebung sinnvoll ist. Im organisierten Screening ist die Vergabe von BI-RADS 0 empfohlen, da die Bildgebung nach der Mammografie noch nicht abgeschlossen ist, die Frau die durchführende radiologische Einrichtung aber meist bereits verlassen hat. Im opportunistischen («grauen») Screening ausserhalb des Screeningprogramms ist hingegen eine saubere Trennung nicht so leicht möglich. Hier wird die Anwendung des zusätzlichen Ultraschalls meist nach der Brustdichte gewählt und die Frau bleibt bis zum Abschluss der Untersuchung vor Ort.</p> <h2>Welche Intervalle sind möglich? Wie lauten die offiziellen Empfehlungen?</h2> <p>Eine vereinfachte Übersicht bietet Abbildung 1. Nehmen wir das Beispiel einer Frau mit einem erstmals dokumentierten BI-RADS-3-Befund an, einem glatt berandeten, rundherdartigen Befund (Differenzialdiagnose Fibroadenom). Nach dem ACR-BI-RADS-Atlas wird bei BI-RADS- 3-Veränderungen eine Kontrolle nach 6 Monaten empfohlen. Die Kontrolle nach 6 Monaten ergibt einen grössenkonstanten Befund. Der Befund wird abermals als BIRADS 3 klassifiziert, die Frau wird nochmals zur Kontrolle nach 6 Monaten bestellt, laut dem ACR für beide Mammae, da dies ohnehin dem erwähnten einjährigen Screeningintervall (in den USA, Anm.) entspricht. Ist der Befund abermals unverändert, kann der Befund weiterhin als BI-RADS 3 klassifiziert werden, aufgrund der Befundkonstanz wird nun eine 12-Monats-Kontrolle empfohlen (lt. dem ACR aus erwähntem Grund wieder für beide Mammae). Ist der Befund weiterhin konstant, wird der Radiologe je nach seiner Einschätzung und Ausbildung entscheiden, ob es ausreicht, dass die Läsion bereits 2 Jahre stabil war, oder ob er nochmals eine 12-Monats-Kontrolle empfiehlt, um eine Stabilität über drei Jahre nachzuweisen. Somit kann nach offiziellen Empfehlungen ein stabiler BI-RADS- 3-Befund 2–3 Jahre bestehen bleiben. Ein Schrumpfen oder Verschwinden der Läsion während der oben genannten Intervalle bedeutet eine Rückstufung auf BIRADS 1 oder 2, ein Wachstum oder eine Veränderung in der Morphologie eine Hochstufung auf BI-RADS 4.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1702_Weblinks_s21_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1445" /></p> <h2>Diskussion und Fazit</h2> <p>BI-RADS 3 gibt dem Radiologen die Möglichkeit, gewisse Befunde mit einer geringen Restunsicherheit zu belassen und zu kontrollieren. Gerade in Zeiten der digitalen Bildgebung und Speicherung ist die Möglichkeit gegeben, auch retrospektiv Befunde besser zu bewerten oder eine Zweitmeinung dazu einzuholen. Dies und vielleicht auch die (unbegründete) Furcht vor gerichtlichen Klagen der Patientinnen lassen die Ärzte immer vorsichtiger werden. Das macht die Klassifikation als BI-RADS 3 durchaus attraktiv. Doch ist diese Klassifikation nicht hierfür gedacht, und eine zu grosszügige Anwendung führt sowohl für Frauen als auch Zuweiser zu einer unbefriedigenden Situation. Sie gilt als Angriffsfläche bei der Kritik an der Brustkrebsfrüherkennung und führt zu mehr Untersuchungen, verbunden mit zusätzlichen Kosten für das Gesundheitswesen. Viele organisierte Programme und auch die Qualitätslabel zur Zertifikatvergabe von Brustzentren haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, auf fachlicher Ebene bessere Voraussetzungen zu schaffen – mit Vorgaben in Bezug auf Befunderstellung, Erfüllung von Mindestzahlen und Fortbildungen für durchführende Radiologen. Trotzdem bleibt die Befunderstellung letztendlich auch ein menschlicher Prozess, bei welchem neben fachlicher Expertise auch «Gefühl» eine Rolle spielt. Wichtig ist, Frauen, deren Befund mit BI-RADS 3 klassifiziert worden ist, über die gewünschte Verlaufskontrolle aktiv zu informieren, in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und möglichst rasch zu einer Reklassifikation zu kommen. Zwar erlauben die Vorgaben des ACR-BI-RADS-Lexikons Kontrollen über 2–3 Jahre, eine Festlegung auf «gutartig » oder «biopsiewürdig» sollte aber nach Möglichkeit deutlich früher erfolgen. Meiner Meinung nach sollte dies in den allermeisten Fällen spätestens 18 Monate nach Erstdokumentation einer Veränderung machbar sein. Die Einbeziehung moderner Bildgebung, allen voran Tomosynthese und MRI, kann helfen, BI-RADS-3-Befunde schneller zu reklassifizieren, Recalls zu reduzieren und rascher Klarheit zu schaffen. Diesbezüglich gibt es mittlerweile auch eine gut dokumentierte Datenlage.<sup>10–12</sup> Über das Vorgehen ist nach Möglichkeit auch in Rücksprache mit der betroffenen Frau zu entscheiden, in Verbindung mit einer Einschätzung, wie die gewünschte Nachkontrolle von dieser aufgenommen wird (persönliches Sicherheitsbedürfnis, Verunsicherung, psychischer Stress).<sup>13, 14</sup> Ein Gespräch des Radiologen mit der Patientin, bei dem er ihr den Befund am Bildschirm erläutert, lohnt sich immer. Manche Frauen haben mit Kontrollen oder zusätzlicher Bildgebung kein Problem, andere wünschen eher eine rasche bioptische Klärung.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Burnside ES et al.: The ACR BI-RADS experience: learning from history. J Am Coll Radiol 2009; 6: 851-60 <strong>2</strong> Sickles E et al.: ACR BI-RADS<sup>®</sup> Atlas, Breast Imaging Reporting and Data System. In: Reston, VA: American College of Radiology 2013; 5 <strong>3</strong> Boyer B et al.: Variability and errors when applying the BIRADS mammography classification. Eur J Radiol 2013; 82: 388-97 <strong>4</strong> Maxwell AJ et al.: The Royal College of Radiologists Breast Group breast imaging classification. Clin Radiol 2009; 64: 624-7 <strong>5</strong> Taylor K et al.: Quantification of the UK 5-point breast imaging classification and mapping to BI-RADS to facilitate comparison with international literature. Br J Radiol 2011; 84: 1005-10 <strong>6</strong> Wilkinson LS, Ridley NT: The practical application of the UK 5-point scoring system for breast imaging: how standardisation of reporting supports the multidisciplinary team. Br J Radiol 2011; 84: 965-6 <strong>7</strong> Antoniou A et al.: Average risks of breast and ovarian cancer associated with BRCA1 or BRCA2 mutations detected in case Series unselected for family history: a combined analysis of 22 studies. Am J Hum Genet 2003; 72: 1117-30 <strong>8</strong> Ford D et al.: Risks of cancer in BRCA1-mutation carriers. Breast Cancer Linkage Consortium. Lancet 1994; 343: 692-5 <strong>9</strong> Chen S, Parmigiani G: Meta-analysis of BRCA1 and BRCA2 penetrance. J Clin Oncol 2007; 25: 1329-33 <strong>10</strong> Powell JL et al.: Impact of the addition of digital breast tomosynthesis (DBT) to standard 2D digital screening mammography on the rates of patient recall, cancer detection, and recommendations for short-term follow-up. Acad Radiol 2017; 24: 302-7 <strong>11</strong> Houssami N et al.: Digital breast tomosynthesis (3D-mammography) screening: A pictorial review of screen-detected cancers and false recalls attributed to tomosynthesis in prospective screening trials. Breast 2016; 26: 119-34 <strong>12</strong> Narayan AK et al.: Comparative effectiveness of breast MRI and mammography in screening young women with elevated risk of developing breast cancer: a retrospective cohort study. Breast Cancer Res Treat 2016; 158: 583-9 <strong>13</strong> Schou Bredal I et al.: Recall mammography and psychological distress. Eur J Cancer 2013; 49: 805-11 <strong>14</strong> Solbjor M et al.: Experiences of recall after mammography screening--a qualitative study. Health Care Women Int 2011; 32: 1009-27</p>
</div>
</p>
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