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Ein kurzer Rückblick
DAM
Autor:
Mag. Markus Lechner
Rechtsanwalt, Lochau<br> E-Mail: lechnermarkus@aon.at

30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Den führenden Funktionären des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV), allen voran Dr. Wolfgang Gasser, war es stets ein Anliegen, Forderungen nach Veränderungen nicht nur auf standespolitischer Ebene zu erreichen, sondern wenn notwendig auch die Gerichte zu bemühen, empfundene Ungerechtigkeiten mit deren Hilfe zu beseitigen. An dieser Stelle soll daher – durchaus etwas nostalgisch – ein kurzer Rückblick insbesondere auf die erfolgreichen „Aktionen“ erfolgen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Durchschnittswertbetrachtungen</h2> <p>In seiner richtungsweisenden, von Dr. Wolfgang Gasser erwirkten Entscheidung VfSlg 13874/1994 vom 28. 9. 1994 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine ausschließliche Gegenüberstellung der Honorarverrechnungen des mit Rückforderungen konfrontierten Vertragsarztes mit der durchschnittlichen Höhe der Honorarverrechnungen anderer Vertragsärzte unzulässig sei. Dadurch werde nur ganz allgemein ein Verstoß gegen das Ökonomiegebot, nämlich dass die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig, das Maß des Notwendigen hingegen nicht überschreitend sein dürfe, behauptet, ohne dass im Einzelfall überprüfbar wäre, ob tatsächlich „überarztet“ wurde oder nicht. Wenngleich diese Entscheidung nach wie vor von mehreren Sozialversicherungsträgern gerne ignoriert wird und weiterhin mit Durchschnittswertbetrachtungen argumentiert wird: Die ASVG-Schiedsinstanzen haben diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs stets respektiert.</p> <h2>Solidaritätsbeitrag</h2> <p>Vor über 15 Jahren haben die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) und der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Einführung des sogenannten „Solidaritätsbeitrages“ auf die Medikamentenabrechnungen der Hausapotheken führenden Ärzte beschlossen. Bereits unmittelbar nach Abschluss dieser Vereinbarung kam insbesondere unter den niederösterreichischen Mitgliedern des ÖHV Widerstand auf: Es wurde vehement bestritten, dass der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und die ÖÄK eine Abschlussbefugnis für die gegenständliche Vereinbarung haben.<br /> In einem Musterverfahren gegen die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) preschte ein Vertragsarzt vor und brachte eine Feststellungsklage gegen die NÖGKK ein. Während sich das Bezirksgericht St. Pölten und das Landesgericht St. Pölten noch für unzuständig erachteten, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass sehr wohl die ordentlichen Gerichte für die Entscheidung über die eingebrachte Klage zuständig seien, weil keine gesamtvertragliche Streitigkeit vorliege. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Gesamtvertragsparteien nicht befugt seien, Regelungen über die Medikamentenabrechnung oder wie hier die Einführung eines „Solidaritätsbeitrages“ auf die Medikamentenabrechnungen mittels eines Gesamtvertrages zu treffen. Damit war der Vereinbarung zwischen ÖÄK und ÖHV die rechtliche Grundlage entzogen. Sämtliche in ganz Österreich bereits einbehaltene Solidaritätsbeiträge wurden an die Hausapotheker zurückbezahlt.</p> <h2>Befristung von Einzelverträgen</h2> <p>Zwischen einem niederösterreichischen Hausarzt und der NÖGKK war strittig, ob eine Befristung, allenfalls auch die mehrfache Befristung des kurativen Einzelvertragsverhältnisses zu Beginn der kassenärztlichen Tätigkeit zulässig ist oder nicht. Wie bei der NÖGKK vor Jahren üblich, wurde das kurative Einzelvertragsverhältnis zunächst auf ein Jahr befristet. Unmittelbar vor Ablauf der Befristung wurde dem Hausarzt mitgeteilt, dass mit ihm wegen angeblicher Durchschnittswertüberschreitungen noch kein unbefristetes, aber ein weiteres, auf ein Jahr befristetes Vertragsverhältnis eingegangen werde.<br /> Der Kassenarzt stellte einen Feststellungsantrag bei der Paritätischen Schiedskommission für NÖ, die ihm letztlich Recht gab: Der Kündigungsschutz eines Kassenvertragsarztes werde durch eine derartige Befristung unterlaufen. Trotz dieses Erfolges musste die Kurie der niedergelassenen Ärzte diese Rechtsansicht noch für alle niederösterreichischen Kassenvertragsärzte vor dem Verfassungsgerichtshof durchsetzen.</p> <h2>Naturalrabatte</h2> <p>Es konnten aber naturgemäß nicht nur juristische Erfolge erzielt werden, wie der Kampf des ehemaligen Sprechers des ÖHV Dr. Wolfgang Geppert und des ÖHV gegen die Einführung des Verbots der Naturalrabatte an Hausapotheker gezeigt hat:<br /> Als vor Jahren bekannt wurde, dass Pharmafirmen Rabatte auf Medikamentenlieferungen auch in Form von sogenannten Naturalrabatten gewährten, begann eine beispielslose Medienkampagne gegen Hausapotheker und diese Naturalrabatte. Von Betrug war die Rede, davon, dass Hausapotheker gratis erhaltene Medikamente zum Schaden sozialversicherter Patienten weiterverkaufen würden. Vermittelt wurde der Eindruck, Hausapotheken führende Ärzte würden ohne Rücksicht auf medizinische Bedürfnisse gerade jene Medikamente verschreiben, die sie in Form von Naturalrabatten gratis von Pharmafirmen erhalten hatten. Schleunigst wurde unter großem Medienecho ein Gesetz verabschiedet, das sowohl den Pharmafirmen verbot, Naturalrabatte zu gewähren, als auch Hausapotheken führenden Ärzten verbot, solche anzunehmen. Bei Zuwiderhandeln drohten saftige Verwaltungsstrafen. Letztlich erkannte der Verfassungsgerichtshof das Naturalrabattverbot für rechtskonform; dem Gesetzgeber sei es unbenommen, eine solche Regelung zu treffen.</p> <h2>Ausblick</h2> <p>Diese Entscheidung soll Ärzte aber nicht davon abhalten, in Hinkunft weiter (auch) mit juristischen Mitteln gegen Ungerechtigkeiten auch des Gesetzgebers vorzugehen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, konnten auf der „juristischen Schiene“, wie sie Dr. Wolfgang Gasser immer propagiert hat, die oben genannten entscheidenden Erfolge erzielt werden. Nur wer von vornherein nicht juristisch gegen Ungerechtigkeiten vorgeht, hat jedenfalls bereits verloren!</p></p>
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