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Gewissenhaft handeln!

Ärztliche Zeugnisse

§55 ÄrzteG regelt die Ausstellung ärztlicher Zeugnisse und ist für alle zur Berufsausübung berechtigten Ärzte, somit auch für Ärzte für Allgemeinmedizin, von zentraler Bedeutung.

Der Wortlaut des §55 ÄrzteG besagt:

„Ein Arzt darf ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen.“

Das bedeutet, dass jeder Arzt – und somit auch Ärzte für Allgemeinmedizin – verpflichtet ist, vor Ausstellung eines ärztlichen Zeugnisses stets eine sorgfältige medizinische Untersuchung durchzuführen und die zu bestätigenden Tatsachen genau zu erheben. Die Ausstellung des Zeugnisses muss auf Grundlage des besten ärztlichen Wissens und Gewissens erfolgen.

Was ist ein ärztliches Zeugnis?

Der Begriff „ärztliches Zeugnis“ ist dabei weit auszulegen: Unter einem ärztlichen Zeugnis versteht man jede vom Arzt ausgestellte Urkunde, in der medizinische Tatsachen bestätigt werden, die einer spezifisch ärztlichen Beurteilung unterliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.9.2021, Ro 2020/09/0016, festgehalten, dass zum einen nicht nur klassische „ärztliche Zeugnisse“ unter §55 ÄrzteG zu subsumieren sind, sondern auch ärztliche Gutachten und gutachterliche Stellungnahmen, zum anderen aber auch, dass im Regelfall, also grundsätzlich, eine persönliche Untersuchung des Patienten zu erfolgen hat. Gutachten, Stellungnahmen und ärztliche Zeugnisse aufgrund der reinen Aktenlage zu erstellen, sei nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zulässig.

Dies bedeutet auch für Allgemeinmediziner, dass ärztliche Zeugnisse und Gutachten nur nach gewissenhafter Untersuchung ausgestellt werden dürfen. Die Tatsachen, die bestätigt werden, müssen eigenständig, sorgfältig und grundsätzlich persönlich erhoben werden.

Dazu zählen beispielsweise Krankschreibungen, Bestätigungen über die Impffähigkeit, Atteste über den Gesundheitszustand wie z.B. Sporttauglichkeitsbestätigungen oder auch Stellungnahmen zu Fragen der Berufsunfähigkeit oder der Notwendigkeit von Kuraufenthalten.

Verstöße und deren mögliche Folgen

Verstöße gegen §55 ÄrzteG sind grundsätzlich als Berufspflichtenverletzung disziplinär ahndbar, sodass Verweise und Geldstrafen durch die Disziplinarkommissionen drohen. So wurde ein Arzt z.B. disziplinär verurteilt, weil er einem Zeugen in einem Strafverfahren eine fieberhafte Erkrankung bestätigt hat, aber nur durch Handauflegen und nicht mit einem Fiebermesser die Körpertemperatur gemessen hat.

Verstöße können aber auch schadenersatzpflichtig machen: Wird ein Patient krankgeschrieben, ohne dass der Arzt den Patienten persönlich sieht, und ist der Patient tatsächlich nicht krank, können nicht nur Schadenersatzforderungen vonseiten des Arbeitgebers des Patienten erhoben werden (der Arbeitgeber muss ja den Lohn fortzahlen), sondern auch vonseiten der Sozialversicherung, die bekanntlich nach dem Ende der Lohnfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers Krankengeld auszahlen muss.

Aber auch ein Patient kann Schadenersatzansprüche an einen Arzt stellen, der Sporttauglichkeitsbestätigungen ohne gewissenhafte Untersuchung des Patienten ausstellt, wenn der Patient durch eine so übersehene Erkrankung bei der Sportausübung zu Schaden kommt (z.B. Bestätigung der Tauchtauglichkeit, obwohl bei einer gewissenhaften, persönlichen Untersuchung eine Lungenerkrankung, bei der Tauchen medizinisch kontraindiziert ist, hätte festgestellt werden können).

In Zeiten, in denen die soziale Krankenversicherung negative Zahlen schreibt und zum Sparen gezwungen ist, werden vermehrt jene ärztlichen Zeugnisse überprüft werden, die zur allgemeinmedizinischen Routine gehören: Ist ein Krankentransport medizinisch indiziert oder könnte der Patient – wenn auch beschwerlich – mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren? Hat der Krankentransport liegend oder sitzend zu erfolgen? Sind MRT und/oder CT medizinisch indiziert oder werden Überweisungen nur auf Patientenwunsch ausgestellt? Werden solche und andere Bestätigungen gar nur von der Ordinationsgehilfin ausgestellt, ohne dass der Arzt den Patienten sieht?

Neben Rückforderungsansprüchen durch Sozialversicherungsträger wären diesfalls, insbesondere im Wiederholungsfall trotz vorheriger Abmahnung, aber auch Kündigungen des Kassenvertrages als Konsequenz gegen die aufgezeigten Verstöße des §55 ÄrzteG denkbar.

Fazit

Allen Ärzten wird daher abschließend empfohlen, ärztliche Zeugnisse, gutachterliche Stellungnahmen und Gutachten nur nach vorheriger gewissenhafter, sorgfältiger und persönlicher Untersuchung der Patienten auszustellen.

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