
Diagnose „Sprachentwicklungs- störung“ oft falsch
Bedingt durch die Migrationsströme der vergangenen Jahrzehnte wachsen immer mehr Kinder mehrsprachig auf. Viele zeigen Probleme beim Erlernen der Zweitsprache Deutsch und erhalten häufig die Verdachtsdiagnose „Sprachentwicklungsstörung“, obwohl eigentlich ein sogenannter „unvollkommener Zweitspracherwerb“ vorliegt. Das liegt an der Ähnlichkeit der Merkmale, die nur von Spezialisten unterschieden werden kann. Viele dieser Kinder mit Migrationshintergrund suchen zu einer genaueren Abklärung die Ambulanz für Kinder mit Verdacht auf Sprachentwicklungsstörungen an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien auf, wo vier Kinder pro Woche untersucht werden können. Hierbei wird das „Wiener Modell“ der Sprachdiagnostik angewandt, was bedeutet, dass Studierende der Humanmedizin als Native Speaker der jeweiligen Muttersprachen der Kinder gemeinsam mit Linguisten der MedUni Wien die Sprachkompetenz in der ersten Sprache analysieren. Bei rund vierzig Kindern zeigte sich im Jahr 2019, dass etwa die Hälfte der Kinder keine klinisch relevante Sprachentwicklungsstörung hatte. Eher lagen soziolinguistische Störfaktoren vor, wie etwa ein eingeschränkter Input in der Muttersprache. „Viele Kinder mit Migrationshintergrund erhalten in ihrer Muttersprache einen eingeschränkten Input, da die Eltern selbst beispielsweise eine politisch unterdrückte Minderheitensprache als Muttersprache erworben haben und deshalb keinen reichen Wortschatz weitergeben können oder im Laufe der Migration kompliziertere Satzstrukturen und gehobenen Wortschatz nicht mehr brauchen und ihren Kindern deshalb auch nicht mehr weitergeben können“, so die Autorin der rezent veröffentlichten Studie dazu, Univ.-Prof. Dr. Brigitte Eisenwort. (red)
Quelle:
Presseaussendung der MedUni Wien vom 16. November 2020
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