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Typ-2-Diabetes: Update 2017
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
30
Min. Lesezeit
06.07.2017
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<p class="article-intro">Die Studien EMPA-REG OUTCOME und LEADER mit kardiovaskulären Endpunkten haben dazu geführt, dass die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie bei der Behandlung von Typ-2-Diabetikern empfiehlt, zwischen solchen mit einer bekannten kardiovaskulären Erkrankung und solchen ohne zu unterscheiden. PD Dr. med. François Jornayvaz, Leiter Diabetologie am Universitätsspital Genf, erläuterte am SGAIM-Frühjahrskongress die Gründe für diese Empfehlungen. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die HbA<sub>1c</sub>-Zielwerte werden individuell festgelegt und sollte im Allgemeinen bei 6,5–8,0 % liegen.</li> <li>Allein mit Lebensstiländerungen kann das HbA<sub>1c</sub> um 1–2 % gesenkt werden.</li> <li>Bei Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung müssen aufgrund der aktuellen Datenlage Empagliflozin und Liraglutid bevorzugt werden.</li> <li>Bei Niereninsuffizienz mit einer GFR <30ml/min kommen nur Insulin und DPP-4-Hemmer infrage.</li> </ul> </div> <p><br /> Bei der Behandlung des Diabetes wird der HbA<sub>1c</sub>-Zielwert heute individuell zwischen 6,5 (6,0) und 8,0 % (8,5 % ) festgelegt, wobei Faktoren wie das Alter, relevante Komorbiditäten, vaskuläre Komplikationen usw. berücksichtigt werden (Abb. 1). «Bei einem jüngeren Typ-2-Diabetiker ohne Komorbiditäten wird man ein HbA<sub>1c</sub> von 6,5–7 % anstreben, während bei einem älteren Patienten mit einer leichten Niereninsuffizienz, der vielleicht schon einen Myokardinfarkt erlitten hat, ein Zielwert von 7,5–8 % sinnvoll ist. Der höchste akzeptable Wert für Patienten, die z.B. aufgrund eines Malignoms nur noch eine geringe Lebenserwartung haben, liegt bei 8,5 % », führte Dr. med. François Jornayvaz, Genf, aus. «Bei Werten >8,5 % kommt es zu einer katabolen Stoffwechsellage, es kann eine Glukosurie auftreten und es besteht das Risiko einer Dehydrierung.»</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s17.jpg" alt="" width="1424" height="1140" /></p> <h2>Primär: mehr Bewegung und Gewichtsreduktion!</h2> <p>Der Hauptpfeiler der nicht pharmakologischen Behandlung ist in allen Stadien das Lebensstilmanagement. Wenn es gelingt, den Patienten zu mehr Bewegung und einer Gewichtsreduktion zu motivieren, kann das HbA<sub>1c</sub> um 1–2 % gesenkt werden. Benötigt der Patient zusätzlich eine medikamentöse Therapie, ist der erste Schritt, wenn keine Kontraindikationen vorhanden sind, immer eine Therapie mit Metformin. «Metformin ist sehr wirksam, auch damit kann das HbA<sub>1c</sub> um 1–2 % reduziert werden», so Jornayvaz.</p> <h2>Bei kardiovaskulärer Erkrankung frühzeitige Kombination von Metformin mit SGLT2-I oder GLP-1-RA</h2> <p>Wird das individuelle HbA<sub>1c</sub>-Ziel innerhalb von drei Monaten nicht erreicht, muss Metformin mit einem oder mehreren weiteren Antidiabetika kombiniert werden. Bei der Wahl des zweiten blutzuckersenkenden Medikamentes gehen die neuen Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie<sup>1</sup> weiter als die aktuellen amerikanischen Guidelines<sup>2</sup>. Aufgrund der Resultate der EMPA-REG-OUTCOME-<sup>3</sup> und der LEADER-Studie<sup>4 </sup>empfiehlt die SGED eine Unterscheidung zwischen Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung und solchen ohne. Zur Erinnerung: Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie zeigte bei Typ-2-Diabetikern mit einer bekannten kardiovaskulären Erkrankung einen signifikanten Vorteil für den SGLT2-Hemmer (SGLT2-I) Empagliflozin vs. Placebo in Bezug auf den kombinierten primären Endpunkt (Tod aus kardiovaskulärer Ursache, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall), die kardiovaskuläre Mortalität und die Rate an Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz.<sup>3</sup> Zudem zeigte sich eine protektive Wirkung von Empagliflozin auf die Nieren. «Bei Therapiebeginn mit einem SGLT-2-I kommt es klassischerweise zu einem leichten Abfall der GFR. Davon darf man sich nicht verunsichern lassen. Die GFR bleibt danach stabil, während sie ohne SGLT2-I kontinuierlich sinkt» (Abb. 2),<sup>5</sup> erklärte Jornayvaz. Auch in der LEADER-Studie wurden Typ-2-Diabetiker mit einer kardiovaskulären Erkrankung untersucht.<sup>4</sup> Hier erwies sich der GLP-1-Rezeptorantagonist (GLP-1-RA) Liraglutid in Hinblick auf den kombinierten primären Endpunkt (Tod aus kardiovaskulärer Ursache, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall) und die kardiovaskuläre Mortalität Placebo als signifikant überlegen. Und auch für Liraglutid fand sich ein nephroprotektiver Effekt.<br />Bei Typ-2-Diabetikern mit einer bekannten kardiovaskulären Erkrankung empfiehlt die SGED deshalb eine frühzeitige Kombination von Metformin mit einem SGLT2-I oder einem GLP-1-RA (zurzeit gibt es nur publizierte Daten zu Empagliflozin und Liraglutid). Wird das HbA<sub>1c</sub>-Ziel unter dieser Kombination nicht erreicht, wird empfohlen, zusätzlich einen DPP-4-Hemmer (nur zusätzlich zu einem SGLT2-I), Insulin oder Gliclazid zu geben (Abb. 3). <br />Bei Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung kann Metformin mit einem SGLT2-I, einem GLP-1-RA oder einem DPP-4-I kombiniert werden (Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1703_Weblinks_s18.jpg" alt="" width="2150" height="814" /><br />Liegt eine schwere Niereninsuffizienz mit einer eGFR <30ml/min vor, kommen von den oralen Antidiabetika nur die DPP-4-I infrage (Abb. 3), wobei Linagliptin die einzige Substanz ist, die keine Dosis- reduktion erfordert.<br />«Bei Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankung und mit normaler Nierenfunktion, die mit einem der üblichen Antidiabetika gut eingestellt sind und keine Hypoglykämien haben, gibt es keinen Grund, auf eines der neuen Medikamente umzustellen», schloss Jornayvaz.</p> <div id="fazit"> <h2>Praktische Hinweise</h2> <p>«Durch die Hemmung der renalen Glukosereabsorption haben die SGLT2-I eine diuretische Wirkung, weshalb u.U. die Dosis von Diuretika oder auch von Antihypertensiva reduziert werden muss.»<br />«Unter SGLT2-I kann es gelegentlich zu genitalen Pilzinfektionen kommen. Diese sind jedoch grösstenteils leicht, lassen sich mit Fluconazol gut behandeln und rezidivieren im Allgemeinen nicht. Ein Absetzen des SGLT2-I oder ein Unterbrechen der Therapie ist in der Regel nicht nötig.»<br />«Bei initial sehr hohen HbA<sub>1c</sub>-Werten und wenn u.U. noch Unklarheit über den Diabetestyp herrscht, ist es nie falsch, mit Basalinsulin zu starten. Nach der Rekompensation kann Insulin häufig durch orale Antidiabetika oder einen GLP-1-RA ersetzt werden.»</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Lehmann R et al; Arbeitsgruppe der SGED/SSED: Empfehlungen der SGED/SSED: Massnahmen zur Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. 2016, Version 30.3.17. http://sgedssed.ch/informationen-fuer-fachpersonen/richtlinien-guidelines/ <strong>2</strong> ADA: Standards of medical care in diabetes – 2017. Diabetes Care 2017; 40(Suppl. 1): S1-135 <strong>3</strong> Zinman B et al: Empagliflozin, cardio- vascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>4</strong> Marso SP et al: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 311-22 <strong>5</strong> Wanner C et al: Empagliflozin and progression of kidney disease in type 2 diabetes. New Engl J Med 2016; 375: 323-34</p>
</div>
</p>
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