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Stoffwechselprozesse besser verstehen
Jatros
30
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12.07.2018
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<p class="article-intro">Diabetes mellitus Typ 2 ist eine multifaktorielle Krankheit, für deren Entstehung unter anderem auch der Lebensstil eine Rolle spielt. Welche physiologischen Prozesse und Zusammenhänge dabei wichtig sind, ist noch nicht bis ins Letzte geklärt. An der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck wird intensiv an Stoffwechselkrankheiten geforscht. Die stellvertretende Direktorin der Klinik, Prof. Susanne Kaser, erläutert die Schwerpunkte ihrer Arbeit.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Ihre Arbeitsgruppe forscht an Stoffwechselkrankheiten. Welches sind die Schwerpunkte im Bereich Diabetes?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Im Bereich Diabetes forschen wir hauptsächlich zur Insulinresistenz und zur nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD). Der Begriff umfasst ja die „einfache“ Fettleber ohne Entzündung bis hin zur entzündlichen nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH), die auch zu einer Leberzirrhose führen kann. Die Inzidenz der NAFLD nimmt weltweit zu und wird zu einem großen Gesundheitsproblem. Weshalb aber ein Teil der Betroffenen eine entzündliche Erkrankung entwickelt, ist noch nicht geklärt. Besonders interessiert uns in diesem Zusammenhang auch die Auswirkung verschiedener Ernährungsweisen auf den Stoffwechsel, da hier noch vieles unklar ist, wie die häufig wechselnden Ernährungsempfehlungen zeigen. Wir fokussieren dabei auf die Wirkungen von kohlenhydrat- bzw. fettreichen Diäten und untersuchen beispielsweise die Rolle der Fruktose und welche Fette sich wie auf den Stoffwechsel auswirken. Ein anderes Thema, zu dem es noch wenige Erkenntnisse gibt, ist das Zusammenspiel zwischen Fett- und Leberzellen und anderen für den Glukosestoffwechsel wichtigen Organen.<br /><br /> <strong>Schon länger ist der Einfluss von Übergewicht und mangelnder Bewegung auf den Stoffwechsel im Allgemeinen und (Typ-2-)Diabetes im Speziellen bekannt. Welche neuen Erkenntnisse gibt es hierzu?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Bisher ging man davon aus, dass adipöse Menschen nicht per se metabolisch ungesund sind, sondern dass es auch sogenannte gesunde Adipöse gibt. Davon kommt man jetzt zunehmend ab und sieht jegliches Übergewicht als zumindest für den Stoffwechsel schädlich an. Wesentlich dafür verantwortlich ist, dass es im sogenannten weißen Fettgewebe vermehrt zu Entzündung mit Ausschüttung von Entzündungsmediatoren und einer veränderten Freisetzung von Fettsäuren und Adipozytokinen kommt. Diese entfalten im gesamten Organismus eine schädigende Wirkung, zum Beispiel auf Herz und Blutgefäße. Das sogenannte braune Fett hingegen hat eine positive Wirkung auf den Energiehaushalt. Derzeit wird intensiv daran erforscht, wie man sich dieses zunutze machen kann. Dabei geht es unter anderem darum, wie weißes Fett in braunes rückumgewandelt werden kann. Offenbar spielt beim Thema Übergewicht auch die Darmflora, das Mikrobiom, eine große Rolle, doch auch hier besteht noch Forschungsbedarf.<br /><br /><strong> Das Mikrobiom insgesamt steht derzeit stark im Fokus der Forschung. Was weiß man bereits über seine Rolle im Stoffwechsel?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Das Mikrobiom ist sehr komplex und ständigen Veränderungen unterworfen. Bislang wurden mehr als 1000 Bakterienspezies identifiziert, die in unterschiedlicher Zusammensetzung im Mikrobiom des Darms vorkommen. Die Zusammensetzung variiert von Individuum zu Individuum und ist abhängig von unterschiedlichen Faktoren. Dazu zählen unter anderem Alter, Geschlecht, aber auch die Ernährung. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ernährungsbedingte Veränderungen im Mikrobiom Übergewicht und das Entstehen von Diabetes fördern können. Das Mikrobiom spielt offenbar auch beim Entstehen der nicht alkoholischen Fettleber eine Rolle, wie experimentelle, aber auch erste klinische Studien zeigen. Die Forschung geht nun dahin, herauszufinden, wie man die Zusammensetzung des Darmmikrobioms so beeinflussen kann, dass die positiven Wirkungen überwiegen. Hier kommt natürlich wieder die Ernährung ins Spiel. Ungeklärt ist allerdings, ob Veränderungen im Bereich der Darmflora Folge oder Ursache von Stoffwechselerkrankungen sind.<br /><br /><strong> Typ-2-Diabetes betrifft längst nicht mehr nur ältere Menschen. Wie ist der Stand der Forschung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Das ist glücklicherweise bei uns noch nicht so ein großes Problem, wie uns die Kollegen aus der Pädiatrie zumindest hier im Westen bestätigen. Was man allerdings aus internationalen Studien weiß, ist, dass die Prognose umso ungünstiger ist, je früher ein Typ- 2-Diabetes einsetzt. Die Folgeschäden, vor allem an den Nieren, treten bei jungen Typ-2-Diabetikern früher und erheblich stärker auf als bei erwachsenen Typ- 2-Diabetikern.<br /><br /><strong> Nehmen Sie bzw. Ihr Team an internationalen Studien teil? Woran haben Sie zuletzt geforscht?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Wir haben eine Kooperation mit einer schwedischen Universität. Gemeinsam forschen wir am Fettgewebe und versuchen, Prädiktoren für die Insulinresistenz zu finden. In einer kürzlich publizierten Arbeit konnten wir zeigen, wie sich Ernährungsmuster auf das Fettgewebe auswirken. Interessanterweise zeigen sich hier große geschlechtsspezifische Unterschiede.<sup>1</sup></p> <p><strong>Haben Sie aktuell auch in Ihrer Klinik Studien aufgelegt? Wenn ja, zu welchen Themen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Bei uns läuft gerade eine Studie, in der wir herausfinden möchten, ob es Prädiktoren dafür gibt, welche Frauen mit Vorgeschichte eines Schwangerschaftsdiabetes besonders gefährdet sind, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Unser besonderes Interesse liegt darin, frühe Veränderungen im Fettgewebe bei Hochrisikopatientinnen zu identifizieren und dann auch Biomarker zu etablieren, die eine frühe Erkennung möglich machen.<br /><br /> <strong>Benötigen Sie für diese Studien noch Zuweisungen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Für diese Studie suchen wir freiwillige Probandinnen, die eine Vorgeschichte von Gestationsdiabetes und einen BMI zwischen 25 und 35kg/m<sup>2</sup> haben sowie über 35 Jahre alt sind. Auch gesunde Kontrollpersonen, also Frauen, die bisher keinen Schwangerschaftsdiabetes hatten, aber ansonsten die gleichen Charakteristika aufweisen, können in die Studie eingeschlossen werden. Der Nutzen für potenzielle Studienteilnehmerinnen besteht darin, dass ihr Energie- und Glukosestoffwechsel sehr viel detaillierter und zudem über einen längeren Zeitraum untersucht wird, als es im klinischen Alltag üblich und möglich ist. Interessierte können sich sehr gerne per Mail oder Telefon zwecks näherer Information bei mir melden (Tab. 1).</p> <p><br /><br /> <strong>Wo liegen speziell an der Universitätsklinik Innsbruck die Herausforderungen im Bereich Diabetesforschung?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Wir erfahren hier an der Klinik für Innere Medizin I eine große Unterstützung für unsere Forschungsarbeit. Das ist sehr positiv. Schön wäre es aber, wenn es eine bessere Vernetzung mit anderen Kliniken oder Instituten gäbe – zum einen innerhalb der Medizinischen Universität, zum anderen aber auch darüber hinaus mit anderen Fachbereichen der Leopold-Franzens-Universität.<br /><br /> <strong>Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Da wünsche ich mir auch österreichweit eine bessere Vernetzung der einzelnen Universitäten oder Forschungseinrichtungen. Gemeinsam können wir Forschungsprojekte besser initiieren und voranbringen. Außerdem müssen Forschung und Bildung nicht nur in der Medizin, sondern ganz allgemein wieder einen höheren Stellenwert bekommen, denn das sind ganz besonders wichtige Bereiche für unsere Zukunft. Von der Politik müssen wir uns in puncto Gesundheit alle wünschen, dass Prävention einen viel größeren Stellenwert einnimmt – hier denke ich zum Beispiel an den Nichtraucherschutz.<br /><br /> <strong>Vielen Dank für dieses Gespräch!</strong></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1803_Weblinks_s35_tab1.jpg" alt="" width="300" height="280" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Dobner J et al.: Fat-enriched rather than high-fructose diets promote whitening of adipose tissue in a sex-dependent manner. J Nutr Biochem 2017; 49: 22-9</p>
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