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Stoffwechselprozesse besser verstehen

<p class="article-intro">Diabetes mellitus Typ 2 ist eine multifaktorielle Krankheit, für deren Entstehung unter anderem auch der Lebensstil eine Rolle spielt. Welche physiologischen Prozesse und Zusammenhänge dabei wichtig sind, ist noch nicht bis ins Letzte geklärt. An der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck wird intensiv an Stoffwechselkrankheiten geforscht. Die stellvertretende Direktorin der Klinik, Prof. Susanne Kaser, erläutert die Schwerpunkte ihrer Arbeit.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Ihre Arbeitsgruppe forscht an Stoffwechselkrankheiten. Welches sind die Schwerpunkte im Bereich Diabetes?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Im Bereich Diabetes forschen wir haupts&auml;chlich zur Insulinresistenz und zur nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD). Der Begriff umfasst ja die &bdquo;einfache&ldquo; Fettleber ohne Entz&uuml;ndung bis hin zur entz&uuml;ndlichen nicht alkoholischen Steatohepatitis (NASH), die auch zu einer Leberzirrhose f&uuml;hren kann. Die Inzidenz der NAFLD nimmt weltweit zu und wird zu einem gro&szlig;en Gesundheitsproblem. Weshalb aber ein Teil der Betroffenen eine entz&uuml;ndliche Erkrankung entwickelt, ist noch nicht gekl&auml;rt. Besonders interessiert uns in diesem Zusammenhang auch die Auswirkung verschiedener Ern&auml;hrungsweisen auf den Stoffwechsel, da hier noch vieles unklar ist, wie die h&auml;ufig wechselnden Ern&auml;hrungsempfehlungen zeigen. Wir fokussieren dabei auf die Wirkungen von kohlenhydrat- bzw. fettreichen Di&auml;ten und untersuchen beispielsweise die Rolle der Fruktose und welche Fette sich wie auf den Stoffwechsel auswirken. Ein anderes Thema, zu dem es noch wenige Erkenntnisse gibt, ist das Zusammenspiel zwischen Fett- und Leberzellen und anderen f&uuml;r den Glukosestoffwechsel wichtigen Organen.<br /><br /> <strong>Schon l&auml;nger ist der Einfluss von &Uuml;bergewicht und mangelnder Bewegung auf den Stoffwechsel im Allgemeinen und (Typ-2-)Diabetes im Speziellen bekannt. Welche neuen Erkenntnisse gibt es hierzu?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Bisher ging man davon aus, dass adip&ouml;se Menschen nicht per se metabolisch ungesund sind, sondern dass es auch sogenannte gesunde Adip&ouml;se gibt. Davon kommt man jetzt zunehmend ab und sieht jegliches &Uuml;bergewicht als zumindest f&uuml;r den Stoffwechsel sch&auml;dlich an. Wesentlich daf&uuml;r verantwortlich ist, dass es im sogenannten wei&szlig;en Fettgewebe vermehrt zu Entz&uuml;ndung mit Aussch&uuml;ttung von Entz&uuml;ndungsmediatoren und einer ver&auml;nderten Freisetzung von Fetts&auml;uren und Adipozytokinen kommt. Diese entfalten im gesamten Organismus eine sch&auml;digende Wirkung, zum Beispiel auf Herz und Blutgef&auml;&szlig;e. Das sogenannte braune Fett hingegen hat eine positive Wirkung auf den Energiehaushalt. Derzeit wird intensiv daran erforscht, wie man sich dieses zunutze machen kann. Dabei geht es unter anderem darum, wie wei&szlig;es Fett in braunes r&uuml;ckumgewandelt werden kann. Offenbar spielt beim Thema &Uuml;bergewicht auch die Darmflora, das Mikrobiom, eine gro&szlig;e Rolle, doch auch hier besteht noch Forschungsbedarf.<br /><br /><strong> Das Mikrobiom insgesamt steht derzeit stark im Fokus der Forschung. Was wei&szlig; man bereits &uuml;ber seine Rolle im Stoffwechsel?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Das Mikrobiom ist sehr komplex und st&auml;ndigen Ver&auml;nderungen unterworfen. Bislang wurden mehr als 1000 Bakterienspezies identifiziert, die in unterschiedlicher Zusammensetzung im Mikrobiom des Darms vorkommen. Die Zusammensetzung variiert von Individuum zu Individuum und ist abh&auml;ngig von unterschiedlichen Faktoren. Dazu z&auml;hlen unter anderem Alter, Geschlecht, aber auch die Ern&auml;hrung. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ern&auml;hrungsbedingte Ver&auml;nderungen im Mikrobiom &Uuml;bergewicht und das Entstehen von Diabetes f&ouml;rdern k&ouml;nnen. Das Mikrobiom spielt offenbar auch beim Entstehen der nicht alkoholischen Fettleber eine Rolle, wie experimentelle, aber auch erste klinische Studien zeigen. Die Forschung geht nun dahin, herauszufinden, wie man die Zusammensetzung des Darmmikrobioms so beeinflussen kann, dass die positiven Wirkungen &uuml;berwiegen. Hier kommt nat&uuml;rlich wieder die Ern&auml;hrung ins Spiel. Ungekl&auml;rt ist allerdings, ob Ver&auml;nderungen im Bereich der Darmflora Folge oder Ursache von Stoffwechselerkrankungen sind.<br /><br /><strong> Typ-2-Diabetes betrifft l&auml;ngst nicht mehr nur &auml;ltere Menschen. Wie ist der Stand der Forschung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Das ist gl&uuml;cklicherweise bei uns noch nicht so ein gro&szlig;es Problem, wie uns die Kollegen aus der P&auml;diatrie zumindest hier im Westen best&auml;tigen. Was man allerdings aus internationalen Studien wei&szlig;, ist, dass die Prognose umso ung&uuml;nstiger ist, je fr&uuml;her ein Typ- 2-Diabetes einsetzt. Die Folgesch&auml;den, vor allem an den Nieren, treten bei jungen Typ-2-Diabetikern fr&uuml;her und erheblich st&auml;rker auf als bei erwachsenen Typ- 2-Diabetikern.<br /><br /><strong> Nehmen Sie bzw. Ihr Team an internationalen Studien teil? Woran haben Sie zuletzt geforscht?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Wir haben eine Kooperation mit einer schwedischen Universit&auml;t. Gemeinsam forschen wir am Fettgewebe und versuchen, Pr&auml;diktoren f&uuml;r die Insulinresistenz zu finden. In einer k&uuml;rzlich publizierten Arbeit konnten wir zeigen, wie sich Ern&auml;hrungsmuster auf das Fettgewebe auswirken. Interessanterweise zeigen sich hier gro&szlig;e geschlechtsspezifische Unterschiede.<sup>1</sup></p> <p><strong>Haben Sie aktuell auch in Ihrer Klinik Studien aufgelegt? Wenn ja, zu welchen Themen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Bei uns l&auml;uft gerade eine Studie, in der wir herausfinden m&ouml;chten, ob es Pr&auml;diktoren daf&uuml;r gibt, welche Frauen mit Vorgeschichte eines Schwangerschaftsdiabetes besonders gef&auml;hrdet sind, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Unser besonderes Interesse liegt darin, fr&uuml;he Ver&auml;nderungen im Fettgewebe bei Hochrisikopatientinnen zu identifizieren und dann auch Biomarker zu etablieren, die eine fr&uuml;he Erkennung m&ouml;glich machen.<br /><br /> <strong>Ben&ouml;tigen Sie f&uuml;r diese Studien noch Zuweisungen?<br /><br /> S. Kaser:</strong> F&uuml;r diese Studie suchen wir freiwillige Probandinnen, die eine Vorgeschichte von Gestationsdiabetes und einen BMI zwischen 25 und 35kg/m<sup>2</sup> haben sowie &uuml;ber 35 Jahre alt sind. Auch gesunde Kontrollpersonen, also Frauen, die bisher keinen Schwangerschaftsdiabetes hatten, aber ansonsten die gleichen Charakteristika aufweisen, k&ouml;nnen in die Studie eingeschlossen werden. Der Nutzen f&uuml;r potenzielle Studienteilnehmerinnen besteht darin, dass ihr Energie- und Glukosestoffwechsel sehr viel detaillierter und zudem &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum untersucht wird, als es im klinischen Alltag &uuml;blich und m&ouml;glich ist. Interessierte k&ouml;nnen sich sehr gerne per Mail oder Telefon zwecks n&auml;herer Information bei mir melden (Tab. 1).</p> <p><br /><br /> <strong>Wo liegen speziell an der Universit&auml;tsklinik Innsbruck die Herausforderungen im Bereich Diabetesforschung?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Wir erfahren hier an der Klinik f&uuml;r Innere Medizin I eine gro&szlig;e Unterst&uuml;tzung f&uuml;r unsere Forschungsarbeit. Das ist sehr positiv. Sch&ouml;n w&auml;re es aber, wenn es eine bessere Vernetzung mit anderen Kliniken oder Instituten g&auml;be &ndash; zum einen innerhalb der Medizinischen Universit&auml;t, zum anderen aber auch dar&uuml;ber hinaus mit anderen Fachbereichen der Leopold-Franzens-Universit&auml;t.<br /><br /> <strong>Was w&uuml;nschen Sie sich f&uuml;r die Zukunft?<br /><br /> S. Kaser:</strong> Da w&uuml;nsche ich mir auch &ouml;sterreichweit eine bessere Vernetzung der einzelnen Universit&auml;ten oder Forschungseinrichtungen. Gemeinsam k&ouml;nnen wir Forschungsprojekte besser initiieren und voranbringen. Au&szlig;erdem m&uuml;ssen Forschung und Bildung nicht nur in der Medizin, sondern ganz allgemein wieder einen h&ouml;heren Stellenwert bekommen, denn das sind ganz besonders wichtige Bereiche f&uuml;r unsere Zukunft. Von der Politik m&uuml;ssen wir uns in puncto Gesundheit alle w&uuml;nschen, dass Pr&auml;vention einen viel gr&ouml;&szlig;eren Stellenwert einnimmt &ndash; hier denke ich zum Beispiel an den Nichtraucherschutz.<br /><br /> <strong>Vielen Dank f&uuml;r dieses Gespr&auml;ch!</strong></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1803_Weblinks_s35_tab1.jpg" alt="" width="300" height="280" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dobner J et al.: Fat-enriched rather than high-fructose diets promote whitening of adipose tissue in a sex-dependent manner. J Nutr Biochem 2017; 49: 22-9</p> </div> </p>
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