
Rückblicke: Geschichte der Österreichischen Diabetes Gesellschaft
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner
ehem. Leiter der 1. Medizinischen Abteilung
Klinik Landstraße (ehem. Rudolfstiftung)
Mit großer Freude ist Prim. Univ.-Prof. Dr. Schernthaner dem Wunsch nachgekommen, für das 25-jährige Jubiläum von JATROS Diabetologie & Endokrinologie (vormals JATROS Diabetes & Stoffwechsel) einen Rückblick auf die Geschichte der Österreichischen Diabetesgesellschaft (ÖDG) über diesen langen Zeitraum zu verfassen.
Keypoints
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Der Startschuss für die Gründung der ÖDG erfolgte in den 60er-Jahren, woraufhin viele Jahrestagungen und Fortbildungen im Diabetesbereich in Österreich organisiert werden konnten.
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Wichtige Medienpartner der ÖDG in den letzten 25 Jahren waren JATROS Diabetologie & Endokrinologie und die Plattform DIABETES FORUM.
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Die ÖDG vereint heute nicht nur Gesellschaftsmitglieder sondern auch Diabetologen, Diabetesberater, aber auch nicht ärztliche Mitglieder in ganz Österreich miteinander.
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Sie veröffentlichte eine Reihe an wichtigen, praxisnahen Leitlinien im Diabetesbereich.
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Sie setzt sich für Forschungspreise und Aktionismus im Diabetesbereich ein und kann viele weitere Errungenschaften für sich verzeichnen.
Ende der 60er-Jahre im letzten Jahrhundert wurde die Österreichische Diabetesgesellschaft (ÖDG) gegründet, nachdem zuvor die Europäische Diabetesgesellschaft (EASD) und die Deutsche Diabetesgesellschaft bis dato relativ kleine Meetings abgehalten hatten. Die erste Tagung der ÖDG hat 1970 in Innsbruck stattgefunden. Die Jahrestagungen wurden damals nur von 30–50 Personen besucht. Die wissenschaftliche Qualität der Meetings war zwar sehr hoch, der klinisch praktische Aspekt hingegen noch wenig ausgeprägt. Prof. Beringer hatte die Idee, jedes zweite Jahr das Meeting im Rahmen der Donau-Symposia gemeinsam mit Ärzten aus Osteuropa durchzuführen, und bildete eine wertvolle Brücke zum Westen. Prof. Waldhäusl war im ersten Jahrzehnt bis 1982 maßgeblich für die Planung und wissenschaftliche Qualität der Jahrestagungen verantwortlich. Unter der Präsidentschaft von Prof. Geyer (1982/1983) fand in der Burg Schlaining im Burgenland die erste Frühjahrstagung statt, mit dem Ziel die Fortbildung vor Ort für praktische Ärzte in den verschiedenen Bundesländern zu verbessern. In diesem Jahr (2022) fand bereits die 38. Frühjahrstagung in Krems statt, die mit 445 Teilnehmern besonders erfolgreich war.
Medienpartner der ÖDG
Vor 25 Jahren wurde JATROS Diabetes & Stoffwechsel (heute JATROS Diabetologie & Endokrinologie) gegründet, wodurch eine breite Informationsvermittlung über Innovationen und neue Erkenntnisse ermöglicht wurde. Wenige Jahre später wurde das DIABETES FORUM gegründet, mit der Zielsetzung Themenhefte zu wichtigen Problemen in der Diabetologie zu gestalten. Renommierte Experten der diabetologischen Klinik, Praxis und Forschung sowie damit assoziierter Fachrichtungen aus dem In- und Ausland fungieren als Autoren für die Fachbeiträge. Mit JATROS Diabetologie & Endokrinologie und dem DIABETES FORUM stehen daher zwei sehr unterschiedliche Medien mit differenzierten Zielsetzungen zur Verfügung, die sich optimalerweise ergänzen.
Ab etwa 1990 öffnete sich die ÖDG, ähnlich wie andere ärztlich-wissenschaftliche Gesellschaften, für außerordentliche Mitglieder (Diabetologen, Diabetesberater und Mitarbeiter des technischen Personals), wodurch es gelang, das neueste Wissen ganzen Teams zu vermitteln. Ab 1984 wurden für jeweils zwei Jahre die Präsidenten der ÖDG aus fast allen Bundesländern bzw. Landeshauptstädten gewählt (Wien, Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Feldkirch), wodurch eine sehr dynamische Aktivität der ÖDG erreicht wurde.
Jahrestagungsorte der ÖDG
Die Jahrestagungen zwischen 1970 und 1990 fanden jeweils im November vorwiegend in Wien und in Baden statt. Die Zahl der Teilnehmer schwankte zwischen 300 und 500 Personen. 1991 gelang es, eine gemeinsame Jahrestagung der ÖDG und der Deutschen Diabetesgesellschaft in Salzburg abzuhalten. 1996 folgte eine gemeinsame Jahrestagung der ÖDG mit der Schweizerischen und der Deutschen Diabetesgesellschaft in Basel. Von 1992 bis 2007 wechselten die Veranstaltungsorte der Jahrestagungen zwischen Wien, Baden, Graz, Innsbruck und Gmunden, wobei die Frühjahrstagungen jeweils komplementär meist am anderen Ende von Österreich stattfanden, u.a. in Schlaining, Linz, Pörtschach, Gmunden, Eisenstadt, Bregenz, Bad Aussee, Wien, Graz, Villach, Schladming und Grafenegg. Seit 2008 haben alle Jahrestagungen der ÖDG in Salzburg stattgefunden, wobei die zentrale Lage und die optimalen Veranstaltungsbedingungen zu dieser Entscheidung geführt haben.
Steigende Teilnehmerzahlen
Von 2008 bis 2019 sind die Teilnehmerzahlen der Jahrestagungen der ÖDG kontinuierlich von 1200 auf 1500 Personen angestiegen, die ÖDG dürfte diesbezüglich unter allen ärztlich-wissenschaftlichen Gesellschaften die Führungsposition einnehmen. Verantwortlich dafür sind die gewählten breiten Themata bei den Jahrestagungen der ÖDG, die nahezu alle Bereiche der inneren Medizin umfassen sowie weiters die Öffnung für nicht ärztliche Mitglieder. 2010 und 2021 konnten wegen der Covid-19-Pandemie nur virtuelle Meetings stattfinden.
Neue Aktivitäten
In den letzten 25 Jahren hat die ÖDG zusätzlich zu den hervorragend besuchten Jahrestagungen und Frühjahrstagungen viele neue Aktivitäten entwickelt, die wesentlich zur hohen Qualität und Wertschätzung der Gesellschaft beigetragen haben. Ein Meilenstein war die erstmalige Veröffentlichung von Leitlinien der ÖDG im Jahre 2004 unter dem Ausschussvorsitzenden Prof. Wascher. Im Zeitraum von 2008 bis 2020 haben ADA und EASD zum Teil sehr kontroversielle Empfehlungen zur antidiabetischen Therapie des Typ-2-Diabetes abgegeben, sodass auch wiederholte Anpassungen der ÖDG-Leitlinien notwendig waren. Die neueste Fassung von allen Leitlinien der ÖDG unter dem Ausschussvorsitzenden Prof. Clodi wird 2023 veröffentlicht werden.
In den letzten 18 Jahren wurden zahlreiche praxisnahe wertvolle Leitlinien zu nahezu allen wichtigen Problemen der Diabetestherapie veröffentlicht (Tab.1).
Unterstützung von Forschungspreisen
Die ÖDG unterstützt seit mehr als 2 Jahrzehnten die diabetologische Forschung in Österreich finanziell durch die Vergabe von Forschungspreisen für klinisch-wissenschaftliche Projekte oder Projekte aus dem Bereich der Grundlagenforschung. Im Jahr 2001 wurde zum erstenmal der Langerhanspreis der ÖDG verliehen. Der Preis wird an einen jungen Wissenschaftler oder eine junge Wissenschaftlerin, der oder die an einer österreichischen Forschungsstätte tätig ist, vergeben. Die Auszeichnung würdigt die in den letzten fünf Jahren publizierten oder zur Publikation angenommenen Arbeiten aus dem Bereich der Diabetologie. Die Manuskripte können dabei aus dem theoretischen wie auch aus dem klinisch-diabetologischen Bereich kommen. 2021 wurde der Langerhanspreis der ÖDG, der mit 10000 Euro dotiert ist, bereits zum siebtenmal vergeben. Die ÖDG freut sich, im Jahr 2022 ein Projekt aus dem Bereich der Diabetesforschung (klinisches oder Grundlagenprojekt) mit 40000 Euro unterstützen zu können. Das Projekt muss an einer österreichischen Forschungseinrichtung durchgeführt werden. Teilnahmeberechtigt sind alle Wissenschaftler, die im Gebiet der Diabetologie in der Humanmedizin forschen. Die Projekte müssen in englischer Sprache gemäß den Richtlinien des FWF (Der Wissenschaftsfonds) abgefasst werden.
Aktivitäten der ÖDG
Unter dem Motto „Stockeinsatz gegen Diabetes“ hat die ÖDG am 12.November 2006 zum 1. Nordic City Walk aufgerufen. Diabetespatienten, Ärzte und Sportbegeisterte wurden zur sportlichen Betätigung eingeladen. Die Route führte vom Treffpunkt bei der Michaelerkuppel der Wiener Hofburg über Kärntner Straße, Graben und Kohlmarkt zurück zur Michaelerkuppel.
2007 nahm die ÖDG erstmals an der Blue Monument Challenge der International Diabetes Federation (IDF) teil. Die Hofburg wurde am Weltdiabetestag blau beleuchtet. Mit dieser im Jahr 2007 ins Leben gerufenen Aktion möchte die IDF auf die Volkskrankheit Diabetes aufmerksam machen. Seither werden jedes Jahr anlässlich des Weltdiabetestages am 14.November prominente Bauwerke in blaues Licht getaucht. Die Zahl der teilnehmenden Bauwerke hat sich von 279 im Gründungsjahr bereits im Jahr 2009 auf weltweit 1036 vervielfacht. Das Datum des Weltdiabetestages geht auf den Geburtstag des Insulinpioniers Frederick Banting auf den 14.November 1891 zurück.
Weitere Errungenschaften der ÖDG
2010 wurde der OGTT (oraler Glukosetoleranztest) verpflichtend in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen.
2011 verabschiedete die ÖDG die Österreichische Diabetes-Charta als richtungsweisendes Dokument für zukünftige Aktivitäten gegen die Volkskrankheit Diabetes. Das Dokument benennt die wichtigsten Handlungsfelder im Bereich Diabetes und macht Vorschläge zur Prävention, Betreuung und medikamentösen Versorgung sowie zur Verbesserung der strukturellen Betreuung von Kindern. Weiters wird die Notwendigkeit einer österreichweiten Patientenerfassung betont und ein Bekenntnis zur verstärkten Forschungsförderung im Bereich Diabetes abgelegt.
2014 wird die ÖDG-Initiative FACE DIABETES ins Leben gerufen. Mit FACE DIABETES möchte die ÖDG die Wahrnehmung von Diabetes und seine Prävention in der Öffentlichkeit schärfen – und zwar nicht im Sinn einer zeitlich begrenzten Kampagne oder eines Projektes, sondern in Form einer kontinuierlichen und dauerhaften Initiative, um auf die Bedeutung des Typ-2-Diabetes für Betroffene, ihre Angehörigen, das Gesundheitssystem, die Politik und die Gesellschaft hinzuweisen.
Ehrenmitgliedschaften
In den letzten 20 Jahren wurde von der ÖDG die Ehrenmitgliedschaft an wissenschaftlich besonders verdiente Diabetologen verliehen, wobei die Preisträger die Professoren Heinz Drexel, Anton Luger, Rudolf Prager, Guntram Schernthaner und Werner Waldhäusl waren.
Zusammenfassend nimmt die Österreichische Diabetesgesellschaft eine herausragende Position unter allen medizinischen Gesellschaften ein, die auch in den nächsten Jahrzehnten dominierend sein wird.
Literatur:
beim Verfasser