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Auch im Sommer ist Barfußgehen für Menschen mit diabetischer Polyneuropathie keinesfalls zu empfehlen

Problemzone Fuß

<p class="article-intro">Das diabetische Fußsyndrom muss aus menschlichen und gesundheitsökonomischen Gründen mehr Beachtung bekommen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) warnt vor dem diabetischen Fußsyndrom und seiner unzureichenden Versorgung im Gesundheitswesen. In Österreich ist es der Auslöser für rund 3000 Amputationen pro Jahr. Ein Großteil davon wäre vermeidbar, wenn Betroffene und Behandler mehr auf die Füße achten und therapeutische Maßnahmen, die längst zum wissenschaftlich belegten Standard gehören, entsprechend vom Gesundheitswesen übernommen würden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer, Endokrinologin an der Med Uni Wien und Pr&auml;sidentin der &Ouml;DG, appelliert: &bdquo;Die Wahrscheinlichkeit, ein diabetisches Ulkus zu entwickeln, betr&auml;gt f&uuml;r die gesamte Lebensdauer eines Menschen mit Diabetes 19&ndash;34 %.<sup>1</sup> Wenn es einmal manifest ist, dann kehrt diese zus&auml;tzliche chronische Erkrankung immer wieder zur&uuml;ck. Zwei Drittel aller Amputationen weltweit werden aufgrund des diabetischen Fu&szlig;syndroms durchgef&uuml;hrt. Studien aus den USA zeigen, dass die Amputationen in den letzten Jahren sogar wieder ansteigen, und das insbesondere bei den J&uuml;ngeren (den unter 45-J&auml;hrigen) und vor allem bei M&auml;nnern. Dieser erschreckende Befund gilt sowohl f&uuml;r Minor- als auch Majoramputationen! Durch die Amputationen ist das diabetische Fu&szlig;syndrom eine der teuersten Folgeerkrankungen des Diabetes und es beeintr&auml;chtigt die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen in einem erschreckenden Ausma&szlig;.&ldquo;</p> <h2>Hauptursache diabetische Polyneuropathie</h2> <p>Das diabetische Fu&szlig;syndrom betrifft sowohl Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 als auch Typ 2. Ein Hauptproblem ist die periphere diabetische Polyneuropathie. Diese bewirkt beim Patienten K&ouml;rperwahrnehmungsst&ouml;rungen und dadurch auch eine Vernachl&auml;ssigung eventueller Symptome. Priv.-Doz. Dr. Gerd K&ouml;hler von der Klinischen Abteilung f&uuml;r Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz erkl&auml;rt: &bdquo;F&uuml;r den Patienten f&uuml;hlt sich der Fu&szlig; normal an, weil er in diesem Bereich nicht mehr richtig f&uuml;hlen kann, und trotz optischer Zeichen, wie Druckstellen und offener Stellen, wird das Problem meist vom Patienten ignoriert, weil nichts wehtut. Die medizinischen Fachkr&auml;fte sehen diese Stellen oft erst sp&auml;t, weil F&uuml;&szlig;e leider in der Regel zu wenig kontrolliert werden.&ldquo; <br />Durch die Sch&auml;digung der Nerven f&uuml;hlen Patienten nicht, wenn der Schuh nicht passt. Entstehende Druckstellen und Fu&szlig;formver&auml;nderungen werden nicht bemerkt, die mit der Zeit zu offenen Stellen und Geschw&uuml;ren an den F&uuml;&szlig;en f&uuml;hren. Auch falsche Fu&szlig;pflege und Verletzungen k&ouml;nnen die Ursache sein, da die Schmerzwahrnehmung fehlt. Diese Geschw&uuml;re und offenen Stellen heilen nicht oder nur schwer, wenn nicht eine entsprechende Therapie durchgef&uuml;hrt wird. <br />Allerdings sind meist nicht nur Nervensch&auml;digungen, sondern auch Durchblutungsst&ouml;rungen mitbeteiligt, die eine Therapie zus&auml;tzlich erschweren und wenn m&ouml;glich auch saniert werden m&uuml;ssen.</p> <h2>Nervensch&auml;digung verhindern und kontrollieren</h2> <p>Kautzky-Willer berichtet: &bdquo;Ein erh&ouml;hter Blutzuckerspiegel sch&auml;digt die Nerven und Gef&auml;&szlig;e. An erster Stelle steht somit die optimale Blutzuckereinstellung, um eine diabetische Polyneuropathie und Angiopathie zu verhindern. Zus&auml;tzlich sollte jeder Mensch mit Diabetes einmal j&auml;hrlich ein Neuropathie- und Gef&auml;&szlig;-Screening erhalten, bei dem mit einer schwingenden Stimmgabel oder einem sogenannten Monofilament die Wahrnehmungsf&auml;higkeit in den F&uuml;&szlig;en getestet und die Durchblutung der Beine gepr&uuml;ft wird.&ldquo;</p> <h2>Die Fu&szlig;kontrolle sch&uuml;tzt vor Amputationen</h2> <p>Wird eine Nervensch&auml;digung festgestellt, sind der Patient beziehungsweise seine Angeh&ouml;rigen dazu aufgerufen, t&auml;glich die F&uuml;&szlig;e nach Druckstellen oder Verletzungen zu untersuchen. Die Fu&szlig;kontrolle ist auch eine wichtige Aufgabe des medizinischen Personals. Abh&auml;ngig vom individuellen Risiko sollte monatlich, quartalsweise oder halbj&auml;hrlich die Kontrolle durch Spezialisten stattfinden.</p> <h2>Fu&szlig;pflege ist mehr als &bdquo;Wellness&ldquo;</h2> <p>&bdquo;Eine regelm&auml;&szlig;ige, professionelle Fu&szlig;pflege alle vier bis sechs Wochen ist keine &sbquo;nette Beauty-Behandlung&lsquo;, sondern entscheidend f&uuml;r die zuk&uuml;nftige Lebensqualit&auml;t. Idealerweise wird eine Fachkraft f&uuml;r medizinische Fu&szlig;pflege mit Zusatzausbildung Diabetes aufgesucht. In Deutschland und der Schweiz gibt es sogar das Berufsbild des Podologen mit einer zwei- bis dreij&auml;hrigen Ausbildung. Dies ist in &Ouml;sterreich leider noch nicht der Fall. Besonders problematisch ist, dass die Fu&szlig;pflege bei Risikopatienten, bei der viele Probleme rechtzeitig entdeckt werden k&ouml;nnten, nicht von der Sozialversicherung bezahlt wird&ldquo;, sagt K&ouml;hler. Die Haut der F&uuml;&szlig;e sollte t&auml;glich mit einer Urea-haltigen Creme versorgt werden, um die Elastizit&auml;t zu erhalten und dadurch Verletzungen vorzubeugen.</p> <h2>Barfu&szlig; leider keine Option</h2> <p>Auch das sonst so beworbene Barfu&szlig;gehen ist f&uuml;r Menschen mit diabetischer Neuropathie keinesfalls zu empfehlen, da die Verletzungsgefahr zu hoch ist. Besonders im Sommer im Urlaub am Wasser wird die Verletzungsgefahr untersch&auml;tzt. Hei&szlig;er Sand kann zu Verbrennungen f&uuml;hren und im Sand verborgene Gegenst&auml;nde wie Muscheln oder Scherben verursachen Schnittwunden.</p> <h2>Orthop&auml;dietechnik f&uuml;r gesunde F&uuml;&szlig;e</h2> <p>Geeignetes Schuhwerk vom Orthop&auml;dieschuhtechniker ist n&ouml;tig und das gilt sowohl f&uuml;r Stra&szlig;enschuhe als auch f&uuml;r Hausschuhe. Wenn Konfektionsschuhe getragen werden, dann sollten sie nur mit speziellen Einlagen verwendet werden. Die Kosten f&uuml;r die Einlagen werden meist von der Sozialversicherung &uuml;bernommen.</p> <h2>Bei Geschw&uuml;r: Druckentlastung und Wundbehandlung</h2> <p>Wenn trotzdem ein Ulkus entsteht, muss rasch und konsequent eine entsprechende Therapie einsetzen. K&ouml;hler f&uuml;hrt aus: &bdquo;Bei der offenen Stelle ist die lokale Druckentlastung wichtig. Das kann sich je nach Lokalisation des Ulkus mitunter schwierig gestalten, beispielsweise an der Fu&szlig;sohle. Goldstandard ist die Druckentlastung durch einen Vollkontaktgips. Andere M&ouml;glichkeiten sind ein nicht abnehmbarer vorgefertigter Cast, abnehmbare Schienen oder spezielle Wundverbandsschuhe. Leider werden diese vier Therapiem&ouml;glichkeiten meistens nicht von der Sozialversicherung bezahlt. Bezahlt wird der sogenannte Vorfu&szlig;entlastungsschuh, der f&uuml;r Diabetiker mit diabetischem Fu&szlig;syndrom jedoch ungeeignet ist, weil er zus&auml;tzlich die Sturzgefahr erh&ouml;ht, die schon prinzipiell durch die St&ouml;rung der Tiefensensibilit&auml;t gegeben ist.&ldquo;</p> <p>Kautzky-Willer erg&auml;nzt: &bdquo;Die feuchte Wundbehandlung durch Hauskrankenpflege oder Hausarzt oder Angeh&ouml;rige funktioniert in &Ouml;sterreich in der Regel gut. Problematisch wird es bei der Hornhaut um die Geschw&uuml;re und Wundbel&auml;ge. Beide sollten regelm&auml;&szlig;ig entfernt werden. Das funktioniert in &Ouml;sterreich leider gar nicht gut: Der Hausarzt wird daf&uuml;r nicht bezahlt, f&uuml;r den Chirurgen ist es eine zu einfache Aufgabe, f&uuml;r den Internisten meist zu aufwendig und Fu&szlig;pfleger d&uuml;rfen nicht bei offenen Wunden arbeiten. Somit bleiben nur die Diabetesfu&szlig;ambulanzen oder andere spezialisierte Wundzentren als Anlaufstelle. Da jeder Betroffene alle zwei bis vier Wochen diese Behandlung bekommen sollte, um die Wundheilung zu unterst&uuml;tzen, sind die Ambulanzen voll.&ldquo;</p> <h2>Infektionen vermeiden, Durchblutungsst&ouml;rungen beheben</h2> <p>K&ouml;hler erl&auml;utert: &bdquo;Ein Ulkus kann sich infizieren. Dringt die Infektion bis zum Knochen vor, wird es sehr problematisch, da eine Knocheninfektion schwer zu behandeln ist. Die Amputation ist dann wahrscheinlich. Oft ist es nur eine Minoramputation eines Zehenglieds oder einer Zehe, wodurch jedoch h&auml;ufig neue Druckstellen entstehen und der Kreislauf von Neuem beginnt. Liegt eine PAVK vor, ist diese grunds&auml;tzlich zu therapieren. Auf jeden Fall vor jedem chirurgischen Eingriff.&ldquo; Forderungen der &Ouml;DG Kautzky-Willer fordert daher: &bdquo;Wir sind alle aufgerufen, mehr F&uuml;&szlig;e anzuschauen &ndash; das gilt f&uuml;r jeden Menschen mit Diabetes, aber auch f&uuml;r alle, die professionell mit Diabetes zu tun haben. Im Disease-Management- Programm Therapie Aktiv ist die Fu&szlig;kontrolle zwingend vorgeschrieben, darum ist es wichtig, dass mehr Betroffene in diesem Programm betreut werden k&ouml;nnen. Ad&auml;quate Therapiema&szlig;nahmen m&uuml;ssen von der SV bezahlt werden, um die teuren Folgekosten einer Amputation zu vermeiden und um die Lebensqualit&auml;t von Menschen mit Diabetes zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist es auch wieder wichtig, als medizinische Fachgesellschaft auf die Umsetzung der &Ouml;sterreichischen Diabetesstrategie zu pochen, die sowohl f&uuml;r den Bereich der Ausbildung als auch f&uuml;r die Diabetesversorgung klare Wege aufzeigt.&ldquo; (red)</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Morbach S et al.: Diabetisches Fu&szlig;syndrom. Diabetologie 2017; 12(Suppl 2): S181-9</p> </div> </p>
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