Neues aus der Gastroenterologie
Bericht:
Reno Barth
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Nicht jede Alkoholisierung ist auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Beim sogenannten Eigenbrauer-Syndrom kommt es infolge pathologischer Auffälligkeiten des Darmmikrobioms zur endogenen Produktion von Ethanol. Diese seltene Erkrankung sowie mögliche Interaktionen der Darmflora mit Umweltschadstoffen waren Themen der UEGW, die von 4. bis 7. Oktober in Berlin stattfand.
Wenn das Mikrobiom zur Brauerei wird
Das Eigenbrauer-Syndrom („autobrewer syndrome“; ABS) ist selten und wird in leichten Fällen von den Betroffenen oft erst bemerkt, wenn eine Schädigung der Leber eingetreten ist – oder es bei einer Verkehrskontrolle zu Unannehmlichkeiten führt. Bei schwerer Ausprägung kann es sogar zur unübersehbaren Alkoholintoxikation kommen. An der endogenen Alkoholproduktion kann eine Vielzahl von Mikroorganismen beteiligt sein. Obwohl das Eigenbrauer-Syndrom selten ist, hat es als Modellerkrankung für die möglichen pathologischen Auswirkungen eines gestörten Mikrobioms hohe Bedeutung für die Forschung, erläuterte Prof. Dr. Gianluca Ianiro von der Fondazione Policlinico Universitario „A. Gemelli“ IRCCS an der katholischen Universität Rom.
Klinisch äußert sich die Erkrankung in unterschiedlich stark ausgeprägten neurologischen Symptomen, entsprechend einer Alkoholisierung, kombiniert mit gastrointestinaler Symptomatik, insbesondere Blähungen. Treten diese Symptome verstärkt nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten auf, sollte an ein Eigenbrauer-Syndrom gedacht werden. Praktisch alles, was das Darmmikrobiom ungünstig beeinflussen kann, erhöht auch das Risiko, ein Eigenbrauer-Syndrom zu entwickeln. Das trifft auf Darm- und Lebererkrankungen ebenso zu wie auf Diabetes mellitus, hohen Alkoholkonsum, zuckerreiche Ernährung oder die Einnahme von Antibiotika.1,2
Nicht nur Pilze können Alkohol produzieren
Dies alles sind Hinweise auf endogene Alkoholproduktion durch das Mikrobiom, so Inario, sie sagen allerdings noch nichts über die Details und die Rolle der verschiedenen involvierten Mikroorganismen aus. Üblicherweise sind Hefen für alkoholische Gärung verantwortlich. Tatsächlich kommt es beispielsweise nach einer Antibiotikabehandlung zu einer Zunahme von Pilzen in der Darmflora. Allerdings sind auch manche Darmbakterien in der Lage, unter anaeroben Bedingungen endogen Alkohol zu produzieren. Dies trifft insbesondere auf einen als „HiAlc Klebsiella“ bezeichneten Klebsiella-Cluster zu, der K. pneumoniae, K. quasipneumoniae und K. variicola umfasst. Beim Eigenbrauer-Syndrom korreliert die Alkoholkonzentration in den verschiedenen Darmabschnitten direkt mit der Präsenz von Klebsiella.3Verschiedene Mikrobenarten, wie z.B. auch Lactobacillaceae,haben das Potenzial zur Ethanolproduktion.4 Viele dieser Arten, kommen jedoch häufig im menschlichen Darm vor und verursachen in der Regel keine Schäden. Daher ist es eine zu starke Vereinfachung, eine übermäßige Ethanolproduktion nur einem einzigen Stamm zuzuschreiben.5
Notorische Alkoholproduzenten unter den Pilzen sind Saccharomyces cerevisiae, Candida albicans, Candida glabrata, Dekkera bruxellensis und Saccharomycopsis fibuligera. Die Lage wird durch Synergien zwischen den genannten Mikroorganismen kompliziert. So können Candida-Spezies zum Abbau von Stärke beitragen, wodurch einfachere Zucker freigesetzt werden, die dann von Bakterien wie Prevotella und Ruminococcus fermentiert werden. Bakterien versorgen durch Hydrolyse Candida mit einfachen Zuckern, die sich besser für die Gärung eignen.
All diese Evidenz belegt allerdings nur Assoziationen, wie Ianiro betonte. Ein mechanistischer Zusammenhang konnte im Tierversuch durch Einbringen der genannten Klebsiella-Spezies in den Darm von Mäusen hergestellt werden. In Kombination mit fruktosereicher Ernährung resultierte dies in Alkoholproduktion und entsprechender Symptomatik. Fäkaltransplantation von ABS-Patienten in Mäuse hatte in Verbindung mit fettreicher Ernährung den gleichen Effekt. Klebsiella dürfte auch zu vermeintlich nichtalkoholischer Fettlebererkrankung beitragen. Jedenfalls werden HiAlc-Klebsiella-Spezies im Darm von Patienten mit mit metabolischer Dysfunktion assoziierter steatotischer Lebererkrankung (MASLD) sowie von Patienten mit alkoholbedingten Lebererkrankungen gefunden. Dieser Zusammenhang könnte auch relevant sein, wenn keine Alkoholmengen produziert werden, die zu Vergiftungserscheinungen führen. Prävalenzdaten dazu wurden bislang allerdings nicht erhoben.6
Therapie: Probiotika, Antimykotika und Stuhltransplantation
Unterschiedliche Interventionen wurden versucht, um die endogene Alkoholproduktion zu beenden oder wenigstens zu reduzieren. Mit Diät und Probiotika lässt sich eine temporäre Besserung erreichen, die jedoch nicht über das Absetzen der Maßnahme hinaus besteht. Antimykotika wurden beim Eigenbrauer-Syndrom versucht und können erfolgreich sein, allerdings wurden bereits Fälle von Resistenzentwicklung beschrieben. Eine Alternative stellt die Stuhltransplantation über einen nasojejunalen Tubus dar, die sich beim Eigenbrauer-Syndrom mit resistenter Pilzbesiedelung als wirksam erwiesen hat.7
Im Tierversuch wurden Phagen erfolgreich eingesetzt, um HiAlc-Klebsiella-Spezies im Darm von Mäusen zu eliminieren, womit eine Besserung einer bestehenden Steatohepatitis sowie die Reduktion zahlreicher für die MASLD relevanter Biomarker erreicht werden konnte.8 Dieser Ansatz sei insofern besonders interessant, erläuterte Ianiro, als Phagen sehr präzise in das Darmmikrobiom eingreifen und gezielt ausgewählte Spezies und Stämme eliminieren können.
Wie Mikroplastik die Darmflora beeinflussen kann
Äußere Faktoren, die Einfluss auf das Darmmikrobiom nehmen, werden zunehmend besser verstanden. So zeigt eine im Rahmen der UEG Week 2025 präsentierte Arbeit, dass auch Mikroplastik einen ungünstigen Einfluss auf die Darmflora ausüben kann. Die Studie war Teil des microONE-Projekts, eines Moduls im Rahmen von COMET (Competence Centers for Excellent Technologies), das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft abgewickelt und von Bund und Ländern finanziert wird. Die Arbeit wurde von CBmeddurchgeführt, einem vor mehr als zehn Jahren gegründeten Biomarkerforschungszentrum, resultierend aus dem BioPersMed K-Projekt der Medizinischen Universität Graz.9
Es handelt sich dabei um eine der ersten Studien, die direkt untersuchen, wie verschiedene Arten von Mikroplastik mit dem menschlichen Darmmikrobiom interagieren. Die Studie verwendete Stuhlproben von fünf gesunden Freiwilligen, um ex vivo Kulturen des Darmmikrobioms zu züchten. Diese Kulturen wurden dann fünf gängigen Mikroplastikarten ausgesetzt – Polystyrol, Polypropylen, Polyethylen niedriger Dichte, Poly(methylmethacrylat) und Polyethylenterephthalat – in Konzentrationen, die die geschätzte menschliche Exposition widerspiegeln, sowie höheren Dosen, um mögliche dosisabhängige Effekte zu untersuchen.
Obwohl die Gesamtzahl und die Lebensfähigkeit der Bakterien weitgehend unverändert blieben, nahm in den mit Mikroplastik behandelten Kulturen der pH-Wert konsistent und signifikant ab. Das Milieu wurde also im Vergleich zu den Kontrollgruppen saurer, wasals Hinweis auf eine veränderte mikrobielle Stoffwechselaktivität interpretiert wird.
Weitere Analysen ergaben mikroplastikspezifische Verschiebungen in der bakteriellen Zusammensetzung, wobei bestimmte Bakteriengruppen je nach Mikroplastiktyp zunahmen oder abnahmen. Veränderungen wurden in mehreren Bakterienfamilien beobachtet, darunter Lachnospiraceae, Oscillospiraceae, Enterobacteriaceae und Ruminococcaceae, wobei die meisten innerhalb des Phylums Bacillota auftraten – einer wichtigen Gruppe von Darmbakterien, die für die Verdauung und die allgemeine Darmgesundheit von Bedeutung sind.
Diese Verschiebungen in der bakteriellen Zusammensetzung gingen mit Veränderungen der von den Bakterien produzierten Substanzen einher, von denen einige mit den beobachteten pH-Wert-Abnahmen korrespondierten. Bestimmte Mikroplastikarten veränderten die Konzentrationen von Valeriansäure und 5-Aminopentansäure, während andere die Werte von Lysin oder Milchsäure beeinflussten, was die Komplexität der Interaktionen zwischen Mikroplastik und Mikrobiom verdeutlicht. Diese Befunde sind nicht beruhigend, denn einige dieser durch Mikroplastik induzierten Veränderungen in der mikrobiellen Zusammensetzung spiegeln Muster wider, die zuvor mit Krankheiten wie Depressionen und Darmkrebs in Verbindung gebracht wurden. Mikroplastikexposition könnte also potenzielle Auswirkungen auf das Krankheitsrisiko haben.10–12
Hohe Exposition gegenüber Mikroplastik droht zum Problem zu werden
Christian Pacher-Deutsch, MSc, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Medizinischen Universität Graz, der Erstautor der Studie, kommentierte die zugrunde liegenden Mechanismen dieses Effekts: „In diesem Stadium bleiben die genauen Wege unklar, aber es zeichnen sich mehrere plausible Erklärungen ab. Mikroplastik könnte die mikrobielle Zusammensetzung verändern, indem es physische oder chemische Umgebungen schafft, die bestimmte Bakterien begünstigen. Beispielsweise können sich Biofilme auf Mikroplastikoberflächen bilden, die neue Nischen schaffen, die einige Mikroben schneller besiedeln.“ Mikroplastik könnte auch chemische Substanzen transportieren, die den Bakterienstoffwechsel direkt beeinflussen. Dies könne zu Veränderungen in der Säureproduktion führen, die bakteriellen Stressreaktionen entsprechen und unbeabsichtigt den pH-Wert des Darms verändern, erläuterte Pacher-Deutsch. Diese Verschiebungen könnten dann Rückkopplungsschleifen auslösen, die das Gleichgewicht des Mikrobioms weiter beeinflussen.
Pacher-Deutsch: „Diese Ergebnisse sind angesichts der allgegenwärtigen Mikroplastikexposition im Alltag von großer Bedeutung. Mikroplastik wurde in Fisch, Salz, Flaschenwasser und sogar Leitungswasser gefunden, was bedeutet, dass die meisten Menschen täglich durch Nahrung, Einatmen und Hautkontakt exponiert sind. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Mikroplastik tatsächlich Auswirkungen auf unser Mikrobiom hat. Auch wenn es noch zu früh ist, um definitive gesundheitliche Aussagen zu treffen, spielt das Mikrobiom eine zentrale Rolle in vielen Aspekten des Wohlbefindens, von der Verdauung bis zur psychischen Gesundheit. Die Reduzierung der Mikroplastikexposition, wo immer möglich, ist daher eine kluge und wichtige Vorsichtsmaßnahme.“
Quelle:
„Auto-brewery syndrome: a disease model“, Vortrag von Prof. Dr. Gianluca Ianiro, Rom, am 7.10.2025, und „Microplastic-induced alterations in gut microbiome and metabolism: insights from an ex vivo bioreactor model“, Vortrag von Christian Pacher-Deutsch, MSc, Graz, am 7.10.2025 im Rahmen der UEGWeek 2025 in Berlin
Literatur:
1 Tamama K et al.: BMC Med 2024; 22(1): 26 2 Paramsothy J et al.: Cureus 2023; 15(4): e37678 3 Xue G et al.: EBioMedicine 2023; 91: 104560 4 Meijnikman AS et al.: Nat Med 2022; 28(10): 2100-6 5 Meijnikman AS et al.: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2024; 21(8): 556-71 6 Yuan J et al.: Cell Metab 2019; 30(4): 675-88.e7 7 Vandekerckhove E et al.: Ann Intern Med 2020; 173(10): 855 8 Gan L et al.: Nat Commun 2023; 14(1): 3215 9 https://www.cbmed.at/project/microone/ ; zuletzt aufgerufen am 4.11.2025 10 Ohigashi S et al.: Dig Dis Sci 2013; 58(6): 1717-26 11 Kumar A et al.: Pharmaceuticals (Basel) 2023; 16(4): 565 12 Ai D et al.: Front Microbiol 2019;10: 826
Das könnte Sie auch interessieren:
Zöliakie: Stand der Entwicklungpharmakologischer Therapieoptionen
Viele Patienten mit Zöliakie haben trotz glutenfreier Diät weiterhin Beschwerden. Zurzeit befinden sich einige innovative therapeutische Ansätze in Entwicklung: u.a. ein Inhibitor der ...
Das kardiovaskuläre Risiko von IBD-Patienten
Eine aktive IBD erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, während bestehende kardiovaskuläre Probleme die Wahl der Medikation erschweren. Das Ziel ist es, die richtige Balance ...
Transition bei CED: Fallbeispiel für einen strukturierten Übergang
Die Transition bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen stellt eine wichtige Brücke zwischen Jugendlichen und Erwachsenen dar und birgt einige Herausforderungen. Am ...