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Neue wissenschaftliche Erkenntnisse vom EASD-Kongress
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik
Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung, Krankenanstalt Rudolfstiftung<br> E-Mail: bernhard.ludvik@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">Der 52. Kongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) im September 2016 in München brachte sehr interessante und klinisch relevante Erkenntnisse aus rezenten Studien. Die für uns wichtigsten im Rahmen dieses Kongresses präsentierten Studien, welche unseren klinischen Alltag verändern werden, möchte ich hier kurz besprechen. <br> Über weitere interessante Entwicklungen konnten Sie ja bereits auf den ersten Seiten unseres Journals lesen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1605_Weblinks_seite8.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>SUSTAIN-6-Studie</h2> <p>Ein Highlight des Kongresses war sicherlich die Präsentation der Ergebnisse der SUSTAIN-6-Studie mit Semaglutid. Nach einer langen Periode negativer Studienergebnisse hinsichtlich einer Reduktion von harten Endpunkten durch Antidiabetika konnte vor Kurzem für den GLP1-Agonisten Liraglutid (LEADER-Studie) und den SGLT2-Hemmer Empagliflozin (EMPA-REG-OUTCOME-Studie) ein positiver Effekt auf relevante Endpunkte gezeigt werden. Nun steht uns mit dem einmal wöchentlich zu applizierenden GLP1-Agonisten Semaglutid eine weitere Substanz mit positiven Studienergebnissen – hoffentlich in Bälde – zur Verfügung. In der SUSTAIN-6-Studie wurde an 3.297 Diabetikern mit einer kardiovaskulären Erkrankung und/oder einer chronischen Nierenerkrankung die Wirkung von Semaglutid in zwei unterschiedlichen Dosierungen über zwei Jahre hinweg auf einen primären Endpunkt bestehend aus einer Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall untersucht. Die Ereignisrate hinsichtlich dieses primären Endpunkts wurde um 26 % reduziert, vorwiegend durch eine Verminderung von Herzinfarkten und Schlaganfällen, die Gesamtmortalität blieb hingegen unbeeinflusst. Vermindert wurden zudem HbA<sub>1c</sub> ohne Anstieg der Hypoglykämierate, der Blutdruck und das Gewicht. Hinsichtlich des Auftretens von unerwünschten Ereignissen wurde vor allem über gastrointestinale Nebenwirkungen berichtet, auffällig war auch ein Anstieg des Retinopathierisikos, das sich vermutlich durch die (rasche?) Blutzuckersenkung erklären lässt. <br />Insgesamt sind dies für uns sehr erfreuliche Nachrichten, wobei bemerkenswert ist, dass Semaglutid aufgrund einer speziellen Technologie auch täglich oral mit der gleichen glykämischen Wirkung wie die subkutane Formulierung eingesetzt werden kann.</p> <h2>DURATION-8-Studie</h2> <p>Die positiven kardiovaskulären Wirkungen von Vertretern aus den Klassen der GLP-1-Agonisten und SGLT-2-Inhibitoren legen eine Kombination dieser beiden Substanzen in der Therapie des Diabetes nahe. Die DURATION-8-Studie untersuchte bei Patienten, die unter einer Metformin-Monotherapie inadäquat eingestellt waren, die Kombination eines SGLT-2-Hemmers (Dapagliflozin) und eines GLP-1-Agonisten (Exenatid 1x wöchentlich) als Ergänzung zur Metformin-Therapie gegenüber einer alleinigen zusätzlichen Therapie entweder mit dem GLP-1-Agonisten Exenatid oder dem SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin. Die Kombination beider Substanzen führte zu einer stärkeren Senkung des HbA<sub>1c</sub> um 2,0 % -Punkte als die jeweiligen zusätzlichen Einzeltherapien. Diese HbA<sub>1c</sub>-Senkung fiel allerdings weniger stark aus als eine Addition der Wirkung der Einzelkomponenten (1,4 % bei Ergänzung mit Exenatid und 1,6 % bei Ergänzung mit Dapa­gliflozin) erwarten lassen würde. Das Körpergewicht wurde in der Kombina­tionstherapie allerdings stärker gesenkt, das Hypoglykämierisiko, so kein Sulfonylharnstoff oder Insulin verwendet wurde, war nicht erhöht. An Nebenwirkungen fanden sich wie erwartet gastrointestinale sowie eine Häufung der Harnwegsinfekte und bei Exenatid das Auftreten von Knötchen an der Injektionsstelle.</p> <h2>LEADER-Studie</h2> <p>Die LEADER-Studie mit Liraglutid, die bereits im Rahmen des ADA-Kongresses publiziert worden war, erbrachte bekanntlich eine Reduktion des kardiovaskulären Endpunkts. Beim diesjährigen EASD-Kongress wurde über die Ergebnisse bezüglich eines prädefinierten Endpunkts bestehend aus einer persistierenden Mikroalbuminurie, der Verdopplung des Serumkreatinins, der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie oder renal bedingtem Tod berichtet. Es fand sich unter Liraglutid eine 22 % ige Verminderung des Auftretens dieses Endpunkts unabhängig von der Nierenfunktion der Probanden. Dies betraf vorwiegend das erstmalige Auftreten einer persistierenden Mikroalbuminurie. Somit gibt es auch für einen GLP-1-Agonisten einen Hinweis für eine renoprotektive Wirkung, analog wie für Empagliflozin, wobei jedoch der Effekt für Empagliflozin mit einer 39 % igen Reduktion stärker war.</p> <h2>„GLP1 RA, the longer, the better“</h2> <p>Eine interessante Sitzung unter dem Titel „GLP1 RA, the longer, the better“ beschäftigte sich mit lang wirksamen, einmal wöchentlich injizierten GLP1-Agonisten im Vergleich bzw. in Kombination mit Insulin. Hier zeigte sich eine gute Wirkung der GLP1-Agonisten mit gleichzeitiger Gewichtsreduktion und geringer Hypoglykämieinzidenz. Präsentiert wurde auch die FREEDOM-2-Studie, in der ein innovatives, zweimal im Jahr subkutan zu implantierendes Pumpensystem mit einer kontinuierlichen Abgabe von Exenatid (ITCA650) im Vergleich zu Sitagliptin eine bessere HbA<sub>1c</sub>-Senkung (1,5 vs. 0,8 % ) und größere Gewichtsreduktion (4,0 vs. 1,3 kg) über ein Jahr hinweg erzielte.</p> <h2>Mein Fazit</h2> <p>Der diesjährige EASD-Kongress belegt durch die Vielzahl von Studienergebnissen über innovative Antidiabetika die erfreuliche Entwicklung hinsichtlich einer besseren Behandelbarkeit des Diabetes und erlaubt es uns, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.</p></p>
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