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Neue und bewährte Lipidtherapien
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Föger
Innere Medizin, LKH Bregenz, Akademisches Lehrkrankenhaus der MU Innsbruck und Wien<br> E-Mail: bernhard.foeger@lkhb.at
30
Min. Lesezeit
06.07.2017
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<p class="article-intro">Hochwirksame triglyzeridsenkende Therapien, welche gegen ApoC-III und ANGPTL3 gerichtet sind, stehen ante portas. PCSK9- Hemmer sind bei Kombinationen von manifester Atherosklerose, familiärer Hypercholesterinämie (FH) und Statinintoleranz (SAMS) bereits etabliert und unverzichtbar. Statine, Ezetimib und Fibrate werden ihren fixen Platz in der Atheroskleroseprävention dennoch nicht nur aus Kostengründen verteidigen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Triglyzeridreiche Lipoproteine („remnants“) verursachen Atherosklerose.</li> <li>LDL-Cholesterin verursacht Atherosklerose.</li> <li>Der offizielle LDL-C-Zielwert für Patienten mit klinisch manifester Atherosklerose (<70mg/dl; EAS/ ESC 2016) ist seit FOURIER überholt und muss für Höchstrisikopatienten weiter abgesenkt werden (<50mg/dl? Oder „lowest is best“?).</li> </ul> </div> <h2>„Wirklich neue“ Therapien</h2> <p><strong>Hemmung von ApoC-III und Angiopoietin-like Protein 3</strong><br /> Apolipoprotein ApoC-III erhöht die Triglyzeride (TG) im Plasma aufgrund mehrerer Wirkungsweisen: ApoC-III hemmt die Lipoproteinlipase (LPL) und unabhängig davon zusätzlich die Aufnahme der Abbauprodukte der TG-reichen Lipoproteine („remnants“) in die Leber. In der Phase- III-Studie APPROACH wurden 66 Patienten mit familiärem Hyperchylomikronämie- Syndrom (FCS) mit einem mittleren Ausgangs-TG-Wert von 2219mg/dl in einem doppelblinden „randomized controlled trial“ (RCT) über 1 Jahr hinweg entweder mit dem Antisense-RNA-Therapeutikum Volanesorsen 300mg s.c. wöchentlich oder Placebo behandelt. Die TGWerte am Tag 90 (= primärer Endpunkt) wurden durch die Synthesehemmung von ApoC-III um 77 % (–1712mg/dl) abgesenkt, während sie in der Placebogruppe um 18 % zunahmen. Auch direkt patientenbezogene Endpunkte des FCS wie abdominelle Schmerzen und Pankreatitisepisoden konnten reduziert werden (p=0,02). Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen der Therapie traten während der Therapiedauer von einem Jahr nicht auf; insbesondere war die Zahl der im Vorfeld diskutierten Thrombopenien nicht erhöht.<br /> Angiopoietin-like Protein 3 (ANGPTL3) ist ein sekretorisches hepatisches Protein, welches eine direkte Hemmung von LPL und endothelialer Lipase (EL), zweier endothelgebundener TG und PL-Hydrolasen mit Substratspezifität für TGRLP und HDL-Cholesterin, vermittelt. Menschen mit homozygoter Defizienz von ANGPTL3 weisen niedrige Konzentrationen aller wesentlichen Lipoproteine (VLDL, LDL, HDL) im Plasma auf und zudem niedrige Spiegel freier Fettsäuren (FFS). Der Mechanismus für die LDL-C-Absenkung bei ANGPTL3- Mangel ist noch nicht endgültig geklärt; er könnte auf der stark reduzierten VLDLSynthese beruhen. In einer rezenten Studie wurde Evinacumab, ein monoklonaler AK gegen ANGPTL3 bei 9 Patienten mit homozygoter FH (hoFH) und einem Ausgangs- LDL-C von 322mg/dl unter maximaler Therapie mit Statinen, Ezetimib und Lomitapid geprüft. Der primäre Endpunkt dieser Phase-II-Studie, die LDL-CAbsenkung nach 4 Wochen, wurde erreicht (–50 % , p<0,05). Die bei hoFH initial nicht erhöhten TG von 142mg/dl wurden ebenfalls um 40 % gesenkt, was für den weiteren Einsatz des AK bei gemischter HLP bedeutsam ist. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen der kurzen Therapie traten nicht auf.<br /> Fazit: Gegen ApoC-III und ANGPTL3 gerichtete Strategien stehen bei „Nischenindikationen“ wie FCS und hoFH kurz vor der Zulassung. Spannend wird sein, ob derartige Therapeutika bei gemischter Hyperlipoproteinämie bzw. diabetischer Dyslipoproteinämie eine zusätzliche Verringerung von kardiovaskulären Endpunkten bei optimiertem LDL-C (≈30mg/dl) bringen können.</p> <h2>Neue und schon bewährte Therapien</h2> <p><strong>Hemmung von PCSK9</strong><br /> Auswirkung des PCSK9-Hemmers Evolocumab auf die koronare Atherogenese: In der doppelblinden, randomisierten GLAGOV-Studie wurden 968 KHKPatienten 1:1 zu Evolocumab und Placebo, jeweils zusätzlich zur Statintherapie, randomisiert. Der über den 76-wöchigen Therapiezeitraum gewichtete LDL-C-Wert lag in der Placebogruppe bei 93mg/dl, in der Evolocumab-Gruppe bei 37mg/dl. Der primäre Endpunkt, das prozentuelle Atheromvolumen (PAV) im intrakoronaren Ultraschall (IVUS), nahm in der Placebogruppe numerisch etwas zu und in der Evolocumab- Gruppe ab (Unterschied 1 % ; p<0,001). Plaqueregression trat bei 64 % der Evolocumab-Statin-Patienten vs. 47 % der Placebo-Statin-Patienten auf (p<0,001). Auswirkung des PCSK9-Hemmers Evolocumab auf klinische Atherosklerose-Endpunkte: In der doppelblinden, randomisierten Phase-III-Studie FOURIER wurden 27 564 Patienten mit klinisch manifester Atherosklerose (vorwiegend KHK, aber auch zervikale Atherosklerose und PAVK) und LDL-C >70mg/dl unter Statintherapie, 1:1 zu Evolocumab und Placebo, jeweils zusätzlich zur Statintherapie randomisiert. 37 % der Patienten litten an Diabetes; 93 % erhielten Plättchenhemmer, 76 % Betablocker und 78 % ACE-I oder ARBs. 69,5 % wurden mit einem hochpotenten Statin behandelt, und der Ausgangs-LDLC- Wert wurde durch Evolocumab von 92mg/dl auf 30mg/ dl reduziert. Der primäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, MCI, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris (IAP) und koronarer Revaskularisierung) wurde um 15 % (p<0,001) gesenkt; der wichtige sekundäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, MCI, Schlaganfall) wurde um 20 % (p<0,001) gesenkt. Ab dem 2. Behandlungsjahr betrug die Reduktion des relativen Risikos (RRR) 33 % , was für einen größeren Therapienutzen in den späteren Behandlungszeiträumen spricht (Konzept der Plaquestabilisierung). Die „number needed to treat“ (NNT) über den kurzen Behandlungszeitraum von 2,2 Jahren betrug 74. Unerwünschte Wirkungen waren minimal (2,1 % vs. 1,6 % Injektionsreaktionen); die im Vorfeld diskutierten neurokognitiven Ereignisse traten erfreulicherweise nicht auf. Fazit: Ein LDL-C-Wert von 70mg/dl stellt keine untere Grenze der Wirksamkeit der LDL-C-Senkung dar; mehrere klinische Endpunktstudien zeigen einen Zusatznutzen beim Erreichen niedrigerer LDL-C-Werte (IMPROVE-IT bei ≈54mg/dl; SPIRE und FOURIER bei ≈30mg/dl). Der PCSK9-Hemmer Evolocumab zeigte als Add-on zu Statinen einen klaren Zusatznutzen bezüglich der koronaren Atherosklerosebiologie und der Verhinderung vaskulärer Endpunkte. Dieser Nutzen wurde nicht durch unerwünschte Wirkungen geschmälert. Die Tatsache, dass selbst unter maximal möglicher LDL-C-Senkung mittels Statinen + PCSK9-Inhibitor ca. ein Drittel der Patienten bildgebend lediglich stabil oder sogar progredient waren und ca. 80 % der klinischen Ereignisse nicht vermieden werden konnten, belegt die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Kontrolle aller Risikofaktoren, v.a. von LDL-C.</p> <h2>Gut etablierte und lang bewährte Therapien</h2> <p><strong>Statine, Ezetimib, Fibrate</strong><br /> Statine sind mittlerweile die bestuntersuchte Medikamentenklasse und eine der wenigen mit einem unbestrittenen Vorteil für das Gesamtüberleben. Für Patienten mit Diabetes ist immer noch die „Cholesterol Treatment Trialists“(CTT)-Metaanalyse aus dem Jahr 2005 maßgeblich für die Nutzeneinschätzung. Für diese Analyse wurden 14 randomisierte Studien von 18 686 Menschen mit Diabetes ausgewertet. Besonders wichtig sind die Daten der Präventionsstudie CARDS, welche exklusiv bei Patienten mit Diabetes durchgeführt wurde. Eine Reduktion des LDL-C um ca. 40mg/dl durch Statine führte in der Metaanalyse zu einer 21 % igen Verminderung der Zahl vaskulärer Ereignisse (–22 % Myokardinfarkte, –25 % koronare Revaskularisation, –21 % „stroke“). Die Reduktion des LDL-C um ca. 40mg/dl durch Statine führte zu einer 9 % igen Absenkung der Gesamtsterblichkeit (–13 % vaskuläre Mortalität). Diese Effekte waren homogen in den Subgruppen (DM Typ 2 und Typ 1; LDL-C-Ausgangswerte bis zu 140mg/dl) und stärker ab dem 2. Behandlungsjahr. Auch in IMPROVE-IT (Ezetimib) und FOURIER (Evolocumab) zeigt sich bedeutender Nutzen in der Subgruppe mit Diabetes.<br /> Fibrate aktivieren den PPAR-α und stimulieren die Aktivität der LPL, die Sekretion von ApoA-I sowie ApoA-II und bewirken eine Remodellierung von sdLDL (und kleinen HDL-Partikeln) zu größeren Lipoproteinen. Fibrate senken TG potent um 35 bis 50 % , erhöhen HDL-C moderat um 5 bis 20 % und haben einen variablen Effekt auf den LDL-C-Spiegel. In klinischen Endpunktstudien zeigten Fibrate bei Patienten mit oder ohne Diabetes mit normalen TG und normalem HDL-C keine günstige Wirkung. Bei Dyslipidämie, also hohen TG und/oder niedrigem HDL-C, zeigten Fibrate eine ca. 35 % ige Reduktion von MACE ohne Senkung der Gesamtmortalität. Fibrate werden heute selten in Monotherapie, öfter in Kombination mit Statinen moderater Potenz (z.B. Simvastatin 40mg oder Fluvastatin 80mg MR) eingesetzt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1703_Weblinks_jatros_diab_1703_s22_tab1.jpg" alt="" width="686" height="637" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1703_Weblinks_jatros_diab_1703_s22_tab2.jpg" alt="" width="686" height="894" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit: lipidsenkende Therapie 2017</h2> <p>Die lipidsenkende Therapie stellt sich mit derzeitigem Stand gemäß Tabelle 2 dar.</p> </div></p>
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