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Nausea und Vigilanzminderung unter blutzuckeroptimierender Therapie
Jatros
Autor:
Dr. Johanna Brix
1. Medizinische Abteilung<br> Krankenhaus Rudolfstiftung, Wien<br> E-Mail: johanna.brix@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
17.04.2018
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<p class="article-intro">Ein nicht ganz einfacher Diagnose- und Therapieverlauf bei einer 65-jährigen Diabetikerin macht deutlich, worauf man bei Initiierung einer SGLT2-Hemmer-Therapie und einer Insulintherapie besonders achten sollte.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Anamnese</h2> <p>Die 65-jährige Patientin wurde aus einem Krankenhaus, in das sie zur Blutzuckeroptimierung stationär aufgenommen war, wegen zunehmender, nicht beherrschbarer Übelkeit und Erbrechen, verbunden mit Vigilanzminderung, von unserer Klinik übernommen. Anamnestisch ist ein Diabetes mellitus Typ 2 mit Erstdiagnose vor eineinhalb Jahren in Algerien bekannt. Dort wurde eine Therapie mit Metformin und einem Sulfonylharnstoff begonnen und in Wien um eine Insulintherapie erweitert. Nachdem sich die Stoffwechsellage deutlich gebessert hatte (HbA<sub>1c</sub>: 5,5 % ), wurde die Insulintherapie durch einen DPP-4-Inhibitor ersetzt. In der Folge kam es jedoch zu einer Verschlechterung der diabetischen Stoffwechsellage, sodass nach Beendigung der Sulfonylharnstofftherapie eine Therapie mit einem schnell und lang wirksamen Insulin kombiniert mit einem SGLT2-Inhibitor begonnen wurde. Da die Blutzuckerwerte nach Gabe des SGLT2- Inhibitors sanken, wurde die Insulindosis deutlich reduziert. Auffallend bei der Patientin war eine teilweise unbeabsichtigte Gewichtsabnahme von circa 20kg in den letzten Monaten, der BMI zum Zeitpunkt der Aufnahme betrug 28,5kg/m<sup>2</sup>.</p> <h2>Labor</h2> <p>Bei der Aufnahme der Patientin fanden sich im Labor folgende relevante Befunde:</p> <ul> <li>Kreatinin: 2,55mg/dl; GFR: 19ml/ min/1,73m2</li> <li>Na: 150mmol/l; K: 4,8mmol/l</li> <li>CK: 1275 U/l, CK-MB: 43, Troponin T: 302</li> <li>Glukose: 272mg/dl</li> <li>Venöse Blutgasanalyse: pH 7,21; Basendefizit (BE): 17mmol/l, HCO3: 11,5mmol/l</li> </ul> <p>Die aufgrund der Befunde festgestellte metabolische Azidose könnte einerseits durch die Niereninsuffizienz oder andererseits durch die Diabetesentgleisung bedingt sein. Für eine klassische diabetische Ketoazidose war allerdings der Blutzuckerspiegel nicht hoch genug, sodass an eine seltene, aber potenziell gefährliche euglykämische Ketoazidose bei SGLT2- Hemmer-Therapie gedacht wurde.</p> <h2>Intensivstation</h2> <p>Die Patientin wurde aufgrund ihrer progredienten Vigilanzminderung sofort auf die Intensivstation transferiert, wo nach Beendigung der Gabe sämtlicher oraler Antidiabetika Insulin, Glukose und Flüssigkeit infundiert wurden. Die Liquorpunktion erbrachte keinen Hinweis auf eine Infektion, bis zum Einlangen der Befunde wurde jedoch eine Therapie mit Aciclovir begonnen. Da im EEG ein Status epilepticus nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde Valproinsäure kontinuierlich infundiert. Im Lungenröntgen zeigte sich der Verdacht auf ein retrokardiales Infiltrat, weshalb eine Therapie mit Meropenem bei bekannter Penicillin- sowie Cephalosporinallergie eingeleitet wurde.</p> <h2>Diagnose: LADA</h2> <p>Nach Besserung der Gesamtsituation konnte die Patientin auf die Normalstation transferiert werden. Durch die Resultate der Bestimmung von Glutamat-Decarboxylase- Antikörpern (GAD) – 72,6 U/ml (0–0,9)* –, Insulinautoantikörpern – >50 U/ml (0–0,4) – und Tyrosin-Phosphatase- Antikörpern (IA2-AK) – 0,7U/ml (0–0,75) – ergab sich die Diagnose eines LADA-Diabetes. Aufgrund der Diagnose wurde erneut eine Insulintherapie initiiert und nach Normalisierung der Nierenfunktionsparameter zusätzlich eine Metformintherapie eingeleitet. Nach Besserung des EEGs konnte auch die antiepileptische Therapie langsam ausgeschlichen werden. Als Diagnosen ergaben sich eine (euglykämische) Ketoazidose, ein akutes Nierenversagen, eine metabolische Enzephalopathie sowie eine Pneumonie. Die durch den Insulinmangel entstandene Ketoazidose, die nach Einleitung der Therapie mit dem SGLT2-Inhibitor entstanden war, wurde vermutlich durch die Niereninsuffizienz und Pneumonie begünstigt. Als Mechanismus wird eine SGLT2-induzierte Erhöhung der Glukagonsekretion vermutet, welche bei gleichzeitigem Insulinmangel zu einer verstärkten Fettoxidation mit konsekutiver Azidose führt. Daher ist die Kombination einer Insulintherapie mit einem SGLT2-Hemmer bei Vorliegen eines Autoimmundiabetes nicht zu empfehlen. In der Tat litt auch unsere Patientin an einem ursprünglich nicht diagnostizierten LADA-Diabetes. Es wird vermutet, dass 3–14 % aller Europäer mit Typ-2-Diabetes positive Antikörper und damit eigentlich einen LADA-Diabetes haben, welcher auch mit Übergewicht einhergehen kann und primär nicht insulinpflichtig sein muss.</p></p>
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