Medikamentöse Adipositastherapie – was ist in der Pipeline?
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak
Medizinische Universität Graz
Universitätsklinik für Innere Medizin
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie
E-Mail: hermann.toplak@medunigraz.at
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Seit Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts ist der Anteil von Menschen mit Adipositas in der erwachsenen Bevölkerung in Österreich von 6,5% auf etwa 20% angestiegen. Damit assoziiert, ist der Typ-2-Diabetes in der erwachsenen Bevölkerung von 3,5% auf etwa 10% geklettert. Damit ist „Diabesity“ in den zentralenFokus gerückt – rechtzeitige Adipositastherapie ist nicht zuletzt auch Diabetesprävention.
Keypoints
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Von den „alten“ medikamentösen Therapien der Adipositas sind Orlistat und die Kombination Naltrexon/Bupropion übrig geblieben.
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Als neue Therapieoptionen zeigen ursprünglich als Antidiabetika entwickelte Medikamente gute Resultate in der Gewichtsreduktion bei Adipositas.
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Die Effizienz der pharmakologischen Therapien kommt immer näher an die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie heran.
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Problematisch ist die fehlende Erstattung einer medikamentösen Adipositastherapie.
Bestehende orale medikamentöse Therapieoptionen
Die medikamentöse Therapie der Adipositas stand lange hinter der Lebensstil- und Verhaltenstherapie zurück. Von den in großer Zahl entwickelten oralen Therapien sind in diesem Jahrtausend lediglich der Triglyzeridlipase-Inhibitor Orlistat und die Fixkombination von Naltrexon und Bupropion übrig geblieben. Orlistat erfordert eine strikt fettarme Ernährung und bewirkt dann sozusagen „zusätzlich“ eine weitere Fettaufnahme-Reduktion von 30%. Naltrexon/Bupropion wirkt sehr gut zentral auf das Appetitgefühl, was gerade bei „ständig“ essenden Personen dazu führt, dass diese oft zum ganz normalen „Zur-Mahlzeit-Essen“ zurückkehren. Das Potenzial liegt bei Respondern, also jenen Menschen, die nach 3 Monaten unter Naltrexon/Bupropion zumindest 5% abnehmen, bei einer etwa 10%igen Gewichtsreduktion. In Intention-to-treat-(ITT)-Populationen fällt die Reduktion geringer aus.
Antidiabetika zur Gewichtsreduktion
Seit einigen Jahren ist für Menschen mit Diabetes der GLP-1-Rezeptor-Antagonist Liraglutid (in einer Dosierung bis zu 1,8mg s.c.) am Markt. Dieses Produkt wurde aber in der Dosierung von 3mg s.c. auch für Menschen mit Adipositas entwickelt und zugelassen. Das Potenzial von Liraglutid in der Gewichtsreduktion liegt zumindest in der gleichen Range wie das der vorher genannten Substanzen. Im Unterschied zu diesen Substanzen ist für Liraglutid jedoch auch eine Senkung des kardiovaskulären Endpunkts nachgewiesen worden. Liraglutid hat als mögliche Nebenwirkung – vor allem zu Beginn – Übelkeit und andere gastrointestinale Nebenwirkungen wie Hyperazidität. Diese Nebenwirkungen sind aber nachgewiesenerweise nicht mit dem Ausmaß der Gewichtsreduktion assoziiert.
Praxistipp
Gerade bei Menschen mit Adipositas und relevanten Komorbiditäten ist ein gutes Gewichtsmanagement zentral.In den USA ist schon der nächste GLP-1-Rezeptor-Antagonist, Semaglutid, in der Dosierung von 2,4mg für die Adipositas zugelassen. Semaglutid ist bei uns bisher nur in der Dosierung bis 1mg für Menschen mit Typ-2-Diabetes zugelassen, wird aber auch bald in der Indikation Adipositas erhältlich sein. Im Vergleich zu Liraglutid ist die Gewichtsreduktion darunter etwa doppelt so stark. Dadurch ist das Potenzial, Adipositas-assoziierte Komplikationen zu vermindern, deutlich höher (Abb. 1). Auch für Semaglutid gibt es positive Endpunktdaten, bei der Anwendung zur Adipositas sind Studien im Laufen. Interessanterweisse gibt es eine aktuelle, bereits publizierte Phase-I-Studie, in der Semaglutid in der Dosierung von 2,4 mg mit einem Amylin-Agonisten (Cagrilintid) kombiniert wurde und in der in der höchsten Dosierung in 20 Wochen im Mittel eine 17%ige Gewichtsreduktion ohne Zeichen eines Plateaus erreicht wurde.
Abb. 1: Der Effekt von Gewichtsabnahme auf Komplikationen
Eine andere Entwicklung ist Tirzepatid, ein dualer GIP/GLP-Rezeptorantagonist. Diese Substanz, die ursprünglich nur für die Therapie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes entwickelt wurde und sehr gute Ergebnisse gezeigt hat, wird offenbar jetzt auch noch bei Adipositas studiert. Ergebnisse dazusind jedoch noch nicht bekannt.
Ausblick
Es ist natürlich noch zu früh, zu spekulieren, aber Innovationen zeigen, dass die Effizienz der pharmakologischen Therapien immer näher an die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie herankommt. Dies ist eine wichtige Botschaft für die Zukunft. Weitere spannende medikamentöse Therapieoptionen sind derzeit in Entwicklung, wobei erste Daten auch Erfolg versprechend sind.
Zugang zur medikamentösen Adipositastherapie
Ein Wermutstropfen ist nach wie vor die gänzlich fehlende Erstattung. Wir Adipologen hoffen, dass sich dies im Sinne unserer Patienten und Patientinnen in der Zukunft bald aufweicht. Zumindest bei relevanten Komorbiditäten ist ein Gewichtsmanagement so zentral, dass dies auch gerechtfertigt erscheint.
Literatur:
beim Verfasser
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