Lebersteatose und Fibrose: unerwartete Prävalenzverteilungen und Aussagekraft moderner Diagnostik
Autoren:
Dr. Paul Thöne
DDr. Georg Semmler
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Medizinische Universität Wien
Univ.-Prof. Dr. Elmar Stephan Aigner
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin I
Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Salzburg
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas-Matthias
ScherzerKlinische Abteilung für Innere Medizin I – Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinikum Wiener Neustadt
Danube Private University Krems
HR Prim. Univ.-Prof. Dr. Christian Datz
Krankenhaus Oberndorf
Korrespondierender Autor: Dr. Paul Thöne
E-Mail: paul.thoene@meduniwien.ac.at
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Eine aktuelle österreichische Studie untersuchte die Prävalenz von hepatischer Steatose und Fibrose in fünf österreichischen Versorgungseinheiten. Zudem wurden in diesem Zusammenhang neue laborbasierte Risikoscores verglichen, um die Möglichkeiten der frühzeitigen und breit verfügbaren Fibrosedetektion zu evaluieren.
Keypoints
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Die Steatoseprävalenz in Österreich ist mit 57,3% deutlich höher als bislang angenommen, während suspekte und fortgeschrittene Fibrosestadien mit 6,2% bzw. 1,2% vergleichsweise seltener sind.
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Bei Risikopatient:innen mit Diabetes mellitus und Adipositas wurde ein deutlich gehäuftes Auftreten beobachtet.
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Die Leberelastografie bleibt der Referenzstandard zur Abschätzung der Leberfibrose. Neuartige, laborbasierte nichtinvasive Tests (NIT) können jedoch durch gezielten Einsatz nicht notwendige Überweisungen an spezialisierte Zentren reduzieren und gleichzeitig falsch negative Befunde minimieren.
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Die diagnostische Aussagekraft des bereits breit eingesetzten FIB-4-Scores liegt leider unter den Erwartungen und wird von neuartigeren NIT deutlich übertroffen.
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Der LiverPRO-Score ist hierbei der sensitivste und hat somit einen hohen negativen prädiktiven Wert.
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Der LiverRisk-Score bietet dagegen die höchste Spezifität und hat somit einen hohen positiven prädiktiven Wert, jedoch eine geringe Sensitivität.
Die globale Prävalenz mit metabolischer Dysfunktion assoziierter steatotischer Lebererkrankungen („metabolic dysfunctionassociated steatotic liver disease; MASLD) ist innerhalb der vergangenen 30 Jahre von 25,3% auf über 38,0% angestiegen – eine Zunahme um mehr als 50%.1 Besonders bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 in Industriestaaten ist die MASLD-Prävalenz weltweit deutlich angewachsen: von 56% in den 1990er-Jahren auf gegenwärtig 69%.2 Diese Entwicklung ist eine erhebliche diagnostische und gesundheitsökonomische Herausforderung.
Die brisantesten Komplikationen im Krankheitsverlauf sind fibrotische Umbauprozesse des Leberparenchyms, klassifiziert in die Fibrosestadien F1–F4, wobei F4 mit einer signifikant erhöhten leberbezogenen Mortalität assoziiert ist.3 Vor diesem Hintergrund sind frühzeitige, effektive Diagnosemaßnahmen essenziell.
Erste vielversprechende nichtinvasive Testverfahren (NIT) werden klinisch bereits eingesetzt und im kürzlich erschienenen ersten nationalen MASLD-Konsensus-Statement der österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie, der Österreichischen Diabetes Gesellschaft und der Österreichischen Adipositas Gesellschaft angeführt(siehe auch Bericht auf Seite 12).4Eine aktuelle, in der FachzeitschriftClinical Gastroenterology and Hepatology veröffentlichte österreichische Studie untersuchte die Prävalenz hepatischer Steatose und Fibrose in einem multizentrischen Kollektiv aus fünf österreichischen Versorgungseinheiten.5 Weiters wurden etablierte Testverfahren mit neuartigen NIT verglichen, um deren Performance auf mehreren Versorgungsebenen zu bewerten und ferner gezielte Zuweisungsstrategien abzuleiten.
Unerwartet hohe MASLD-Prävalenz, vergleichsweise seltener Fibrose
Zur Erhebung der MASLD-Prävalenz in Österreich wurden 8509 Patient:innen auf verschiedenen Versorgungsebenen mittels vibrationskontrollierter transienter Elastografie („vibration-controlled transient elastography“; VCTE) untersucht. Bemerkenswert ist die überraschend hohe Steatoseprävalenz von 57,3%, welche deutlich über internationalen Vergleichswerten – etwa 32% in osteuropäischen,6 34% in US-amerikanischen7 sowie 23–45% in früheren österreichischen Kohorten – liegt. Dies ist hauptsächlich auf die höhere Sensitivität des „controlled attenuation parameter“ (CAP) zur Detektion von geringgradiger Steatose zurückzuführen.8–12
Trotz der hohen Steatoseprävalenz wurden niedrigere Fibroseprävalenzen als erwartet gefunden. Somit fiel die Prävalenz von fortgeschrittener Fibrose mit nur 1,2% deutlich geringer aus als internationale Vergleichsdaten: 3,4% in Dänemark (LSM ≥8kPa, davon 0,9% mit ≥12kPa)13, 5,6% in Spanien und in der Rotterdam-Studie14,15, 7,5–8,3% in China (2,6–2,8% mit ≥10kPa)16,17 und in der amerikanischen NHANES-Studie7 betrug die Prävalenz der fortgeschrittenen Fibrose (≥11,7kPa) sogar 3,7%– wohlgemerkt bei einer geringeren Steatoseprävalenz. Details sind in der Abbildung 1 angeführt. Erwartungsgemäß wurden deutlich höhere Prävalenzen bei Patient:innen mit Diabetes mellitus (11–17%) und Adipositas (10–14%) in der Primärversorgung und Sekundärversorgung beobachtet.18
Abb. 1: Österreichische Fibrose- und Steatoseprävalenz auf verschiedenen Versorgungsebenen (modifiziert nach Semmler G et al. 2025),5 quantifiziert anhand von VCTE und kontrolliertem Dämpfungskoeffizient („controlled attenuation parameter“; CAP). Ein Lebersteifigkeitswert <8kPa galt als Ausschluss einer fortgeschrittenen Fibrose, Werte ≥8kPa galten als Hinweis auf eine suspekte und Werte ≥12kPa als Nachweis einer fortgeschrittenen Fibrose.19,20 Eine hepatische Steatose wurde über den CAP definiert: ≥248dB/m als Steatose, ≥280dB/m als hochgradige Steatose.21 Kohorte I ist eine Koloskopie-Screeningkohorte aus der Primärversorgung, die die österreichische Gesamtprävalenz am besten widerspiegelt. Kohorte II wurde über eine Fettleberambulanz und Kohorte III über eine Prädiabetesambulanz der Sekundärversorgung rekrutiert. Die Kohorten IV und V entsprechen hepatologischen Spezialambulanzen aus universitären Tertiärversorgerzentren5
Zukunftsperspektive: NIT auf dem Vormarsch
Während die Elastografie zwar den Goldstandard zur Fibroseabschätzung darstellt, ist deren Verfügbarkeit begrenzt, und die diagnostische Genauigkeit vor allem in klar definierten Risikogruppen gegeben (hohe Rate an falsch positiven Testergebnissen, wenn die Vortestwahrscheinlichkeit gering ist). Daher sollte vorgelagert ein einfacher, kostengünstiger und breit verfügbarer laborbasierter Screening-Test eingesetzt werden, um Personen mit relevantem Fibroserisiko zu identifizieren und einer weiterführenden Abklärung zuzuweisen. Dafür drängen aktuell viele neue laborbasierte Tests wie der LiverRisk-Score oder der LiverPRO-Score ins Rampenlicht, um den etablierten Fibrose(FIB)-4-Test zu ersetzen, der einige Limitationen aufweist:
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Der FIB-4-Score ist am besten etabliert, er basiert auf Alter, Thrombozytenzahl, AST und ALT, weist jedoch eine erhöhte Rate falsch positiver Ergebnisse bei älteren Patient:innen auf.6,22
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LiverPRO basiert auf Alter, Thrombozyten, INR, Bilirubin, Albumin, ALP, AST, GGT, Cholesterin und Natrium.
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LiverRisk basiert auf Alter, Geschlecht, Thrombozyten, Cholesterin, Glukose, AST, ALT und GGT.
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LiverRisk und LiverPRO sind neuartiger und zielen auf eine verbesserte Erkennung von Leberfibrose in der Allgemeinbevölkerung und bei Risikopatient:innen ab.6,23
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Die aktuelle Studie ist dabei der erste direkte Vergleich dieser Scores auf verschiedenen Versorgungsebenen.5
NIT-Genauigkeit: FIB-4 ernüchternd, neuartige Scores mit Potenzial
Die vorliegende Studie ist die erste Studie, welche die neuen laborbasierten Tests auf unterschiedlichen Versorgungsebenen miteinander verglich und deren Anwendbarkeit evaluierte. Auffällig war hier insbesondere die sehr beschränkte diagnostische Genauigkeit des FIB-4-Scores. Obwohl dieser bereits breite klinische Verwendung findet, lag die Sensitivität nur bei 33–44%, sodass rund zwei Drittel aller Patient:innen mit signifikanter Fibrose in der Allgemeinbevölkerung verpasst wurden. Der LiverPRO-Score bzw. der LiverRisk-Score zeigten dagegen individuelle Vorteile:
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Die höchste Sensitivität wurde beim LiverPRO-Score mit einer Spannbreite von 51–88% für suszipierte sowie 63–93% für fortgeschrittene Fibrose beobachtet. Dies ist in Bereichen mit geringer Vortestwahrscheinlichkeit (wie in der Primärversorgung) entscheidend, um einerseits keine erkrankten Patien-t:innen zu übersehen und andererseits Überdiagnostik zu vermeiden.
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Die höchste Spezifität wurde beim LiverRisk-Score in der Primär- und Sekundärversorgung (jeweils 80–84%) sowie beim FIB-4-Score in der Tertiärversorgung (74–76% bzw. 71–73%) beobachtet.
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Den höchsten positiven prädiktiven Wert erzielte der LiverRisk-Score in der Primär- und Sekundärversorgung sowie der FIB-4-Score in der Tertiärversorgung.
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Den höchsten negativen prädiktiven Wert (NPV) erzielte der LiverPRO-Score auf allen Ebenen (84–97% bzw. 95–100%).
Fazit
Zusammengefasst zeigt diese multizentrische Untersuchung eine hohe Prävalenz der Steatose in Österreich (57%), während fortgeschrittene Fibrosestadien deutlich seltener auftreten (1,2%). Dies ist dennoch einsehr versorgungsrelevanter Anteil, da österreichweit von 109000 Betroffenen mit fortgeschrittener und 564000 mit suszipierter Fibrose auszugehen ist. Bei Patient:innen mit Diabetes mellitus oder Adipositas wurden besonders hohe Prävalenzen beobachtet. Beieiner erwarteten Prävalenzzunahme gilt es, eine mögliche Fibrose bei Risikopatient:innen durch einfache, kostengünstige und breitverfügbare laborbasierte Screening-Tests frühzeitig zu identifizieren. Dies ist durch die neuartigen, einander ergänzenden NIT LiverPRO- und LiverRisk-Score möglich. Der etablierte FIB-4-Score blieb unter den Erwartungen.
Literatur:
1 Younossi ZM et al.: The global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease (NAFLD) and nonalcoholic steatohepatitis (NASH): a systematic review. Hepatol 2023; 77: 1335-47 2 Younossi ZM et al.: The Global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease and nonalcoholic steatohepatitis among patients with type 2 diabetes. Clin Gastroenterol Hepatol 2024; 22: 1999-2010 3 Chhatwal J et al.: Analysis of a simulation model to estimate long-term outcomes in patients with nonalcoholic fatty liver disease. JAMA Netw Open 2022; 5: 2230426 4 Mandorfer M, Semmler G et al.: Austrian multisociety consensus on metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease. Wien Klin Wochenschr 2025; 137 (10): 307-31 5 Semmler G et al.: Prevalence of fibrosis and applicability of lab-based non-invasive tests from primary to tertiary care. Clin Gastroenterol Hepatol 2025: 1542356525007980 6 Graupera I et al.: Low accuracy of FIB-4 and NAFLD fibrosis scores for screening for liver fibrosis in the population. Clin Gastroenterol Hepatol 2022; 20: 2567-76 7 Lee BP et al.: National prevalence estimates for steatotic liver disease and subclassifications using consensus nomenclature. Hepatol 2024; 79: 666-73 8 Koutny F et al.: Relationships between education and non-alcoholic fatty liver disease. Eur J Intern Med 2023; 118: 98-107 9 Semmler G et al.: Insulin resistance and central obesity determine hepatic steatosis and explain cardiovascular risk in steatotic liver disease. Front Endocrinol 2023; 14: 1244405 10 Semmler G et al.: Metabolic dysfunction-associated fatty liver disease (MAFLD) – rather a bystander than a driver of mortality. J Clin Endocrinol Metab 2021; 106: 2670-7 11 Semmler G et al.:. Nomenclature dilemma of MAFLD across the globe: our prism to understand metabolic dysfunction and cardiovascular risk in MAFLD. Clin Gastroenterol Hepatol 2023; 21: 1114-5 12 Semmler G et al.: Nut consumption and the prevalence and severity of non-alcoholic fatty liver disease. PLoS One 2020; 15: 0244514 13 Kjaergaard M et al.: Using the ELF test, FIB-4 and NAFLD fibrosis score to screen the population for liver disease. J Hepatol 2023; 79: 277-86 14 Koehler EM et al.: Presence of diabetes mellitus and steatosis is associated with liver stiffness in a general population: The Rotterdam study. Hepatol 2016; 63: 138-47 15 Calleja JL et al.: Prevalence estimation of significant fibrosis because of NASH in Spain combining transient elastography and histology. Liver Int 2022; 42: 1783-92 16 Liu S et al.: High prevalence of steatotic liver disease and fibrosis in the general population: A large prospective study in China. J Hepatol 2025; 82: 23-5 17 Man S et al.: Prevalence of liver steatosis and fibrosis in the general population and various high-risk populations: a nationwide study with 5.7 million adults in china. Gastroenterol 2023; 165: 1025-40 18 Yang AH et al.: Prevalence of steatotic liver disease, advanced fibrosis and cirrhosis among community-dwelling overweight and obese individuals in the USA. Gut 2024; 73: 2045-53 19 Tacke F et al.: EASL–EASD–EASO Clinical Practice Guidelines on the management of metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease (MASLD). J Hepatol 2024; 81: 492-542 20 Berzigotti A et al.: EASL Clinical Practice Guidelines on non-invasive tests for evaluation of liver disease severity and prognosis – 2021 update. J Hepatol 2021; 75: 659-89 21 Petroff D et al.: Assessment of hepatic steatosis by controlled attenuation parameter using the M and XL probes: an individual patient data meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol 2021; 6: 185-98 22 Sung S et al.: Age-dependent differences in FIB-4 predictions of fibrosis in patients with MASLD referred from primary care. Hepatol Commun 2025; 9: 0609 23 Lindvig KP et al.: Development, validation, and prognostic evaluation of LiverPRO for the prediction of significant liver fibrosis in primary care: a prospective cohort study. Lancet Gastroenterol Hepatol 2025; 10: 55-67
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