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Aus der Patientensicht

Leben mit Diabetes – wenn Therapieadhärenz manchmal schwierig wird

<p class="article-intro">Diabetes mellitus erfordert ein hohes Maß an Wissen, Disziplin und Motivation von den Betroffenen und deren Angehörigen. Nicht immer ist das ganz einfach machbar und stößt oft auf Ablehnung und Unverständnis. Die Faktoren, welche die Adhärenz beeinflussen, sind vielfältig und oftmals schwierig selbst zu steuern. In den meisten Fällen ist es nicht nur der Diabetes selbst, der einem das Leben schwer macht, sondern eine Kombination aus den Lebensumständen, dem sozialen Umfeld und Arbeitsplatz sowie der Arzt-Patienten- Beziehung und der Therapie selbst.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Therapie ist wichtig, dennoch sollte der Patient selbst im Mittelpunkt stehen.</li> <li>Die direkte Arzt-Patienten-Beziehung ist ein gro&szlig;er Erfolgsfaktor.</li> <li>Das Umfeld des Patienten einzubeziehen ist sehr wichtig.</li> <li>Auch Verst&auml;ndnis am Arbeitsplatz oder in der Schule beeinflusst das Ergebnis positiv.</li> </ul> </div> <h2>Der Patient im Mittelpunkt</h2> <p>Die Diagnose Diabetes trifft einen wie ein heftiger Schlag mitten ins Gesicht, gefolgt von Gef&uuml;hlen wie &Uuml;berforderung und Verunsicherung. Viele &uuml;berf&auml;llt der Gedanke, das Leben w&uuml;rde hier an diesem Punkt enden. Umso wichtiger ist es, die Betroffenen und deren Angeh&ouml;rige in einem sicheren Netz aufzufangen und ihnen Verst&auml;ndnis f&uuml;r ihre berechtigten Sorgen entgegen zu bringen, damit sie schneller wieder ins Leben zur&uuml;ckfinden.<br /> Ziehen die Jahre mit Diabetes dann ins Land, stellt sich die t&auml;gliche Routine ein und pl&ouml;tzlich steht man vor einer neuen Herausforderung: Welche Ziele setze ich mir f&uuml;r meine Diabetestherapie? Denn am Ende wartet im Gegensatz zu einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem lang ersehnten Traumhaus kein wirklich &bdquo;fassbares&ldquo; Ziel. So ist die Senkung des HbA<sub>1c</sub>- Wertes alleine keine langfristige Motivation, aber die Verbesserung der Stoffwechseleinstellung, um einen Berg erklimmen zu k&ouml;nnen, oder die Familienplanung in Angriff nehmen zu k&ouml;nnen, sehr wohl.<br /> Sich gemeinsam mit der Familie, dem Arzt oder dem Diabetesberater pers&ouml;nliche Ziele zu setzen, macht es einfacher, diese zu verfolgen, und stellt den Menschen und nicht den Diabetes in den Mittelpunkt.<br /> Tipp: Versuchen Sie den Patienten direkt nach der Diagnose aufzufangen und &Auml;ngste zu beseitigen, um von Anfang an keine H&uuml;rden aufzubauen!</p> <h2>Die Arzt-Patienten-Beziehung</h2> <p>Als Diabetespatient verbringt man nahezu 99 % der Zeit eines Jahres mit der Therapie auf sich alleine gestellt und nur wenige Minuten stehen mit dem Arzt gemeinsam zur Festlegung der Therapieziele zur Verf&uuml;gung. Diese kurze Zeit muss dann mit m&ouml;glichst vielen Inhalten vollgepackt werden. So bleibt dem Patienten nur wenig Zeit, um seine Lebenssituation zu schildern, welche die Therapie ma&szlig;geblich beeinflusst. Wenn dann noch st&auml;ndig wechselnde Arzt-Patienten-Beziehungen, wie in gro&szlig;en Ambulanzen &uuml;blich, hinzukommen, stellt sich Frustration schon bald auf beiden Seiten ein. Der Arzt empfindet, dass der Patient nicht mitarbeiten will und seine Zeit wom&ouml;glich vergeudet wird, und der Patient f&uuml;hlt sich unverstanden und vernachl&auml;ssigt.<br />Um den bestm&ouml;glichen Erfolg im Diabetesmanagement zu erzielen und auf einer Ebene arbeiten zu k&ouml;nnen, muss viel mehr Wert auf Trainings- und Schulungskonzepte (Empowerment) gelegt werden. Somit wandelt sich die Rolle des Arztes und Diabetesberater vom Entscheidungstr&auml;ger zum Coach und Begleiter.<br />Tipp: Zwischen Arzt und Patient soll sich, obwohl der Partner nicht freiwillig gew&auml;hlt wurde, eine Beziehung ausbilden. Patienten wollen nicht von einer Begegnung zur n&auml;chsten gereicht werden!</p> <h2>Deine optimale Therapie muss nicht gleich meine Therapie sein</h2> <p>Wie sch&ouml;n w&auml;re es f&uuml;r den Arzt, Therapien nach Lehrbuch zu verordnen. Allerdings ist nicht jede Therapie f&uuml;r jeden Patienten alltagstauglich. So kann sich ein junger Mann vielleicht keine Insulinpumpe vorstellen, f&uuml;r einen anderen ist sie aber gar nicht mehr wegzudenken. Vor allem wenn noch zus&auml;tzliche Erkrankungen bestehen und andere Medikamente vielleicht zu unterschiedlichen Zeiten eingenommen werden m&uuml;ssen, ist es wichtig, die Therapie so einfach wie m&ouml;glich zu gestalten. Bis vor wenigen Jahren konnte man mit Diabetes unerkannt leben. Mit den neuen CGM/FGM-Systemen wird man gelegentlich mehrmals t&auml;glich darauf angesprochen, &bdquo;was denn da am Arm klebt&ldquo;. Nicht jeder kann mit seiner Erkrankung offen umgehen und so kann dies schnell zur Belastung werden.<br />Auch wenn aus Sicht des Arztes bessere Therapieformen bestehen w&uuml;rden, sollte man die W&uuml;nsche des Patienten ber&uuml;cksichtigen. Verst&auml;ndnis und Einf&uuml;hlungsverm&ouml;gen sind hier der Schl&uuml;ssel zum Erfolg.<br />Tipp: Versuchen Sie sich doch hineinzuf&uuml;hlen, wie es ist, t&auml;glich mit einer Therapieform konfrontiert zu sein, die man sich nicht selbst aussuchen durfte!</p> <h2>Raum f&uuml;r Diabetes am Arbeitsplatz</h2> <p>Ein gro&szlig;es, meist viel zu wenig beachtetes Thema sind Kindergarten, Schule und Arbeitsplatz. Diabetes kann in allen Lebenslagen zur Ausgrenzung f&uuml;hren. Vom Ausschluss aus dem Kindergarten, einer verwehrten Teilnahme an einem Schulschikurs &uuml;ber die oft diskutierte F&uuml;hrerscheinproblematik bis hin zur Absage nach einer Jobbewerbung: Die Vorurteilsliste gegen&uuml;ber Diabetespatienten ist lang und oft nicht nachvollziehbar. Zur&uuml;cksetzung und Ausgrenzung sind ein Leben lang negativ pr&auml;gend, daher muss hier dringend vonseiten der &Ouml;ffentlichkeit und der Politik mehr R&uuml;ckhalt gegeben werden.<br /> Es gibt aber durchaus auch sehr viele positive Beispiele: Das Diabetes-Nanny- Projekt der &Ouml;sterreichischen Diabetikervereinigung (&Ouml;DV) schult und trainiert Lehrkr&auml;fte und den ganzen Klassenverband, um &Auml;ngste und Vorurteile zu beseitigen.<br /> Tipp: Versuchen Sie den Patienten zu motivieren, offen &uuml;ber Probleme zu sprechen und wenn n&ouml;tig Hilfe bei Patientenvertretern wie der &Ouml;DV zu suchen!</p> <h2>Das Umfeld beeinflusst mit</h2> <p>Die Diabetestherapie l&auml;sst sich h&auml;ufig sehr stark &uuml;ber das Umfeld beeinflussen. Akzeptiert mein Partner den Diabetes, lehnt er ihn ab oder ignoriert ihn gar? Wie geht mein Partner mit dem Thema Unterzucker um? Denn je weniger sich Betroffene selbst vor dem Unterzucker f&uuml;rchten, desto mehr &uuml;bernimmt diese Rolle der Partner oder die Mutter bzw. der Vater. Dies ist oft eine Zerrei&szlig;probe f&uuml;r Beziehungen. Auch hier gilt: Gemeinsam gesteckte Ziele wie zusammen eine ges&uuml;ndere Ern&auml;hrung zu verfolgen oder der gemeinsame t&auml;gliche Spaziergang sind viel wirksamer, als sich alleine durchzuk&auml;mpfen. Der Weg zur Selbsthilfe scheint vielen nicht n&ouml;tig und ist nicht einfach, doch f&uuml;hrt sie schnell zum Erfolg. Die St&auml;rkung, Inspiration und Motivation im Kreise der Gleichgesinnten f&uuml;hren zweifelsohne auch zur Verbesserung der Adh&auml;renz.<br /> Tipp: Wenn m&ouml;glich, sollte auch das Umfeld in die Therapie einbezogen werden. Gemeinsam abzunehmen, Bewegung zu machen sowie auf gesunde Ern&auml;hrung zu achten macht mehr Spa&szlig;, als auf sich alleine gestellt zu sein. Selbsthilfegruppen sind daf&uuml;r eine gute Anlaufstelle.</p> <h2>Der Mensch ist mehr als seine Daten</h2> <p>Die Therapietreue und Motivation zum aktiven Mitarbeiten und Verbessern des eigenen Diabetesmanagements werden oftmals durch &auml;u&szlig;erst komplexe Einfl&uuml;sse bestimmt. Vor allem da der Trend immer mehr in die Richtung Technologisierung und Digitalisierung geht, macht der Patient seinen Daten Platz. Umso wichtiger ist es, wieder den Menschen und seine Bed&uuml;rfnisse in den Fokus zu r&uuml;cken.</p> <div id="fazit"> <h2>Factbox</h2> <ul> <li>Gemeinsam einfache und emotionale Ziele setzen</li> <li>Lob und Anerkennung aussprechen</li> <li>Patienten zum Empowerment motivieren</li> <li>Zeit f&uuml;r Gespr&auml;che einr&auml;umen</li> <li>Arzt-Patienten-Beziehungen anstatt st&auml;ndig neuer Begegnungen aufbauen</li> <li>W&uuml;nsche und Bed&uuml;rfnisse der Patienten in die Therapieform einflie&szlig;en lassen</li> <li>Keine Therapieform aufzwingen, nur weil sie als die modernste und beste erscheint</li> <li>Einfl&uuml;sse aus dem sozialen Umfeld, wie Kindergarten und Schule sowie Arbeitsplatz, ber&uuml;cksichtigen</li> <li>Das Umfeld in die Therapie miteinbeziehen</li> </ul> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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