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Hypophysenvorderlappeninsuffizienz

Kopfschmerzen und Hyponatriämie

<p class="article-intro">Ein älterer Patient kam nach einem Urlaub, in dem sich bereits eine schwere Symptomatik zeigte, zu uns in die Rudolfstiftung. Der Fallbericht zu diesem Patienten zeigt einen Ausfall aller hormonellen Achsen des Hypophysenvorderlappens sowie die Diagnostik und Therapie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <ul> <li>Eine ad&auml;quate Hydrokortisonsubstitution soll bei entsprechendem Verdacht unverz&uuml;glich erfolgen. Eine laborchemische Best&auml;tigung darf diese nicht verz&ouml;gern.</li> <li>Bei Hypokortisolismus sind eine Schulung des Patienten sowie die Aush&auml;ndigung eines Notfallausweises wesentlich. Eine Aufkl&auml;rung soll insbesondere das Verhalten in Notfallsituationen und bei Infekten, Operationen und anderen Stresssituationen abdecken.</li> <li>Typischerweise kommt es oft zuerst zum Ausfall von Wachstumshormon gefolgt von der gonado- und thyreotropen Achse und zuletzt von der kortikotropen Achse.</li> </ul> </ul> </div> <h2>Patientenvorstellung in der Notaufnahme</h2> <p>Im Februar 2019 wurde ein 80-j&auml;hriger Patient bei uns im Krankenhaus Rudolfstiftung in der zentralen Notaufnahme vorstellig. Grund daf&uuml;r waren starke Kopfschmerzen, Doppelbilder sowie Erbrechen. Diese Symptome bestanden seit ungef&auml;hr 10 Tagen und hatten im Urlaub auf Teneriffa begonnen. Der Patient hatte deshalb bereits vor Ort mehrere Spit&auml;ler aufgesucht. Im Rahmen dieser Besuche wurden eine kraniale Computertomografie (cCT), Laboruntersuchungen sowie eine Lumbalpunktion durchgef&uuml;hrt. Eine Erkl&auml;rung f&uuml;r die Beschwerden konnte</p> <p>Klinisch pr&auml;sentierte sich der Patient in leicht reduziertem Allgemeinzustand mit einem Blutdruck von 120/50 mmHg und einer Herzfrequenz von 70/min. Im internistischen Status war ein 4/6-Systolikum mit p. m. im 4. ICR links parasternal bemerkenswert, ansonsten ergaben sich, abgesehen von Exsikkosezeichen, Normalbefunde. Laborchemisch zeigten sich in der ZNA ein akutes Nierenversagen mit einem Serumkreatinin von 3,5 mg/dl (Referenzbereich: 0,7 bis 1,2 mg/dl), eine kombinierte Elektrolytst&ouml;rung mit einer Hyponatri&auml;mie von 122 mmol/l (136 bis 145 mmol/l) und einer Hyperkali&auml;mie mit einem Serum- Kalium von 5,0 mmol/l (3,4 bis 4,5 mmol/l) sowie eine metabolische Azidose mit einem pH-Wert von 7,30 und einem &bdquo;base excess&ldquo; von &ndash;2,6 mmol/l (&ndash;1,5 bis 3 mmol/l). Ansonsten war das Akutlabor weitestgehend unauff&auml;llig. Weiterf&uuml;hrend erfolgte noch eine neurologische Begutachtung. Paresen der &auml;u&szlig;eren Augenmuskeln, links ausgepr&auml;gter als rechts, konnten bei fingerperimetrisch erhaltenem Gesichtsfeld festgestellt werden. Zum Ausschluss eines Insultes wurde in weiterer Folge eine kraniale MRT durchgef&uuml;hrt. In dieser fand sich eine ausgedehnte Raumforderung im Bereich der Sella turcica.</p> <h2>Aufnahme an der endokrinologischen Abteilung</h2> <p>In der Zusammenschau dieser Befunde entschloss man sich zur Aufnahme an der endokrinologischen Abteilung. Die oben genannten Elektrolytst&ouml;rungen (Hyponatri&auml;mie, Hyperkali&auml;mie), die metabolische Azidose gemeinsam mit dem grenzwertig niedrigen Blutdruck sowie die klinische Pr&auml;sentation mit &Uuml;belkeit und Erbrechen legten den Verdacht eines Kortisolmangels nahe. Entsprechend wurde Hydrokortison als Bolus sowie anschlie&szlig;end als Dauerinfusion verabreicht. Eine laborchemische Best&auml;tigung war zu diesem Zeitpunkt nicht m&ouml;glich, vor Infusionsbeginn wurde jedoch Blut zur Kortisolbestimmung abgenommen. Die Auswertung am n&auml;chsten Morgen zeigte eine niedrige Serumkonzentration von Kortisol (2,72 &mu;g/dl l; Normbereich je nach Tageszeit 2,68 bis 18,4 &mu;g/dl) und best&auml;tigte so die Verdachtsdiagnose. Insbesondere in Anbetracht der Stresssituation w&auml;ren deutlich h&ouml;here Werte physiologisch.</p> <p>Die Hyperkali&auml;mie sowie die metabolische Azidose wurden zum Teil auch durch das akute Nierenversagen mitverursacht. Sonografisch wurde eine postrenale Ursache ausgeschlossen. Auch in weiteren Untersuchungen zeigte sich kein Hinweis auf eine spezifische Ursache, sodass von einem pr&auml;renalen Nierenversagen im Rahmen einer Exsikkose durch das Erbrechen ausgegangen werden konnte. Passend dazu kam es zu einer Besserung der Nierenfunktion nach Fl&uuml;ssigkeitssubstitution.</p> <p>Ebenso konnte am n&auml;chsten Tag eine weiterf&uuml;hrende hormonelle Diagnostik durchgef&uuml;hrt werden. Hierbei zeigten sich Ausf&auml;lle mehrerer hormoneller Achsen: Zum einen fiel eine Hypothyreose mit sowohl vermindertem fT3 und fT4 als auch mit einem verminderten TSH auf. Diese Befunde k&ouml;nnen als zentrale (sekund&auml;re) Hypothyreose interpretiert werden. Zum anderen war auch die gonadotrope Achse ausgefallen: LH und Testosteron waren unter der Nachweisgrenze. Zu diesen Befunden passend zeigte sich auch ein verminderter Prolaktinspiegel, dadurch konnte auch gleichzeitig das Vorliegen eines Prolaktinoms ausgeschlossen werden. Das ACTH war im Normbereich, eine Interpretation dieser Tatsache unter laufender Substitution zum einen und in der Stresssituation zum anderen ist jedoch schwierig. Die somatotrope Achse (hGH-Stimulation und IGF-ISpiegel, ev. Indikation zur Wachstumshormonsubstitution) wird im Rahmen von ambulanten Nachkontrollen (postoperativ) in unserer Hormonambulanz abgekl&auml;rt.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Nach dem Start einer Kortisoltherapie wurde auch mit einer Thyroxinsubstitution begonnen. Eine Testosteronsubstitution wurde dem Patienten angeboten, allerdings von diesem nicht gew&uuml;nscht. Unter der parenteralen Glukokortikoidgabe besserte sich der klinische Zustand des Patienten rasch. Der Elektrolyt- und S&auml;ure-Basen-Haushalt war im Laborbefund wieder ausgeglichen. Unter diesen Voraussetzungen wurde auf eine orale Gabe (zuerst 40 mg Hydrokortison pro Tag, im Verlauf Reduktion auf 30 mg/die) umgestellt.</p> <p>Zur &auml;tiologischen Zuordnung sowie zur Planung der weiteren Therapie wurde anschlie&szlig;end eine gezielte MRT der Hypophyse durchgef&uuml;hrt. Hierbei zeigte sich eine ca. 2 cm im Durchmesser haltende Raumforderung mit Verlagerung des Hypophysenstiels nach rechts. Das Chiasma opticum war nicht tangiert. Noch im Rahmen des station&auml;ren Aufenthalts wurde eine Gesichtsfelduntersuchung durchgef&uuml;hrt. Auf eine bitemporale Hemianopsie gab es, im Einklang mit dem MRT-Befund, keinen Hinweis. Im weiteren Verlauf wird eine transsphenoidale Exstirpation der Raumforderung durch die neurochirurgische Abteilung geplant. Zum Entlassungszeitpunkt blieb unklar, ob der Ausfall des Hypophysenvorderlappens aufgrund eines verdr&auml;ngenden Wachstums der Raumforderung oder wegen einer Isch&auml;mie entstanden ist. Ein Hypophysenapoplex w&auml;re mit der Klinik des pl&ouml;tzlich einsetzenden Kopfschmerzes gut vereinbar. Ein Hypophysenstimulationstest wurde aufgrund der eindeutigen klinischen Pr&auml;sentation nicht durchgef&uuml;hrt und ist postoperativ geplant.</p> <h2>Hypophysenvorderlappen- Insuffizienz</h2> <p>Eine Insuffizienz des Hypophysenvorderlappens ist zumeist das Resultat eines Adenoms der Hypophyse. Als weitere Ursachen kommen Blutungen, Apoplexe, Traumata oder Infektionen infrage. Adenome sind zu ca. 40 % hormonell inaktiv, zu 40 % liegt ein Prolaktinom vor, der restliche Anteil von 20 % geht auf andere hormonell aktive Tumoren zur&uuml;ck. Zu einem signifikanten Ausfall der Hormonproduktion kommt es erst nach Zerst&ouml;rung von mehr als 80 % der Zellen. Betroffen ist typischerweise zuerst die somatotrope Achse, anschlie&szlig;end die gonadotrope, dann die thyreotrope und zuletzt die kortikotrope Achse (Tab. 1). Die hormonelle Abkl&auml;rung erfolgt im Allgemeinen durch Bestimmung der Effektor- sowie der stimulierenden Hormone. Weiterf&uuml;hrend werden dynamische Stimulationstests zur Differenzierung zwischen einem hypothalamischen, hypophys&auml;ren und einem peripheren Hormonmangel angewandt (Abb. 1). Das bildgebende Verfahren der Wahl ist die gezielte MRT der Hypophyse. Therapeutisch kommt die neurochirurgische (zumeist transsphenoidale) Resektion einer Raumforderung infrage. Im Falle des Vorliegens eines Prolaktinoms ist ein Therapieversuch mit Cabergolin indiziert. Symptomatisch erfolgt eine Substitution der Effektorhormone. Zur Kortisolsubstitution wird Hydrokortison angewandt. Eine Aufkl&auml;rung des Patienten &uuml;ber die Notwendigkeit zur Steigerung der Dosis in Stresssituationen bzw. bei Infekten und &uuml;ber die Indikation zur parenteralen Gabe bei gastrointestinalen Infekten ist unumg&auml;nglich. Thyroxin wird wie bei einer Hypothyreose anderer Genese substituiert, ein erniedrigter TSHWert ist hier Ausdruck der Hypophyseninsuffizienz und nicht etwa einer Hyperthyreose. Eine Testosteronsubstitution kann transdermal oder als Depotspritze erfolgen. Zur Wachstumshormontherapie steht rekombinantes Wachstumshormon zur subkutanen Verabreichung zur Verf&uuml;gung. Prolaktin wird nicht substituiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1903_Weblinks_jatros_dia_1903_s44_tab1_schrangl.jpg" alt="" width="650" height="275" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1903_Weblinks_jatros_dia_1903_s44_schrangl_abb1.jpg" alt="" width="650" height="322" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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