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Highlights vom SGGG-Jahreskongress in St. Gallen

<p class="article-intro">Die Expertenbriefe der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), gebündelt mit Fachwissen und Handlungsanleitungen zu medizinischen Therapien, sind ein beliebtes Informationsmittel. Im letzten Jahr wurden vier Expertenbriefe aktualisiert. Eine kurze Zusammenfassung erhalten Sie hier.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Impfvorsorge: Influenza und Pertussis im Fokus</h2> <p>Die neuen Empfehlungen zur Influenza- und Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft wurden zusammen mit der Eidgen&ouml;ssischen Kommission f&uuml;r Impffragen (EKIF) und der Schweizerischen Gesellschaft f&uuml;r P&auml;diatrie erarbeitet.<sup>1</sup> Mit der Influenza-Impfung soll die Frau, die in der Schwangerschaft anf&auml;lliger f&uuml;r Infektionen ist und ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r schwere Verl&auml;ufe hat, gesch&uuml;tzt werden. &laquo;Das Kind profitiert von der Impfung ebenfalls &raquo;, sagte Prof. Dr. med. Daniel Surbeck, Chefarzt Geburtshilfe und fetomaternale Medizin am Universit&auml;tsspital Bern. Bei einer Influenza-Infektion der Mutter kommt es vermehrt zu Fr&uuml;hgeburten oder intrauterinen Wachstumsretardierungen. Dar&uuml;ber hinaus wird durch eine Impfung das Risiko des S&auml;uglings, in den ersten 6 Monaten an Influenza zu erkranken, reduziert. <br />Die Influenza-Impfung gilt als sicher f&uuml;r Mutter und Kind. Der ideale Zeitpunkt daf&uuml;r ist das 2. Trimester. Geimpft werden sollte von ca. Oktober bis April, vor bzw. w&auml;hrend der Grippesaison. <br />Das Ziel der Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft ist der Schutz des Neugeborenen. Schwere Verl&auml;ufe von Pertussis werden besonders h&auml;ufig in den ersten 2&ndash;3 Lebensmonaten beobachtet. Ein ausreichender Schutz wird aber erst nach 2 Impfungen, d. h. im Alter von ca. 5&ndash;6 Monaten erreicht. Um eine ausreichende Menge von Antik&ouml;rpern zu produzieren, die transplazentar &uuml;bertragen werden, wird die Impfung im 2. oder 3. Trimester, sp&auml;testens jedoch 2 Wochen vor der Geburt empfohlen. &laquo;Durch die Impfung in der Schwangerschaft kann das Neugeborene zu 90 % vor einer Pertussis- Infektion gesch&uuml;tzt werden&raquo;, sagte Prof. Surbeck. Die schwangere Frau sollte dar&uuml;ber aufgekl&auml;rt werden, dass es nicht so viele Daten zur Sicherheit gibt wie bei der Influenza-Impfung. Man gehe aber davon aus, dass die Impfung sicher sei. &laquo;Wichtig ist, die Pertussis- Impfung bei jeder neuen Schwangerschaft zu wiederholen.&raquo;</p> <h2>Neuer Algorithmus zur Kalkulation des Pr&auml;eklampsierisikos</h2> <p>Mit dem bisherigen Pr&auml;eklampsie- Screening anhand der Vorgeschichte wurden ca. 40&ndash;50 % der Pr&auml;eklampsief&auml;lle vor der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) erkannt. Mit einer Detektionsrate von 75&ndash;82 % ist der neue Algorithmus der Fetal Medicine Foundation (FMF) signifikant besser.<sup>2</sup> Die Risikokalkulation basiert neben anamnestischen maternalen Daten auf den mittleren Blutdruckwerten der Mutter (MAP), dem mittleren Pulsatilit&auml;tsindex der uterinen Arterien und dem Biomarker PIGF (&laquo;placental growth factor &raquo;, = proangiogenes Protein). Eine zus&auml;tzliche Bestimmung des PAPP-A (&laquo;pregnancy associated plasma protein A&raquo;) ist nicht notwendig. Der ideale Zeitpunkt f&uuml;r das FMF-Screening ist die 12. Woche. &laquo;Die Risikokalkulation l&auml;sst sich sehr gut mit den Ersttrimester-Tests kombinieren&raquo;, sagte Prof. Surbeck. Frauen, die ein Pr&auml;eklampsie- Risiko von 1 : 100 vor der 37. SSW haben, sollten eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem Aspirin (100&ndash;150 mg am Abend) erhalten. Damit lassen sich gem&auml;ss der ASPRE-Studie zwei Drittel der Pr&auml;eklampsien vor der 37. SSW und 82 % der Pr&auml;eklampsien vor der 34. SSW vermeiden. Nicht wirksam war die Prophylaxe in der Studie bei Frauen mit einer chronischen Hypertonie.</p> <h2>Fertilit&auml;tsprotektion zum Teil krankenversicherungspflichtig</h2> <p>Die bevorzugte Methode zur Fertilit&auml;tsprotektion bei Frauen im postpubert&auml;ren Alter sind die ovarielle Stimulation und anschliessende Kryokonservierung der Oozyten. Der Einsatz ist an eine ausreichende ovarielle Reserve, einen Gesundheitszustand, der eine gefahrlose Stimulation erlaubt, und gen&uuml;gend Zeit f&uuml;r die Durchf&uuml;hrung gekn&uuml;pft. Weniger Erfahrungen und Studiendaten existieren zur Kryokonservierung und Retransplantation von Ovarialgewebe zur Wiederherstellung der Fertilit&auml;t. Die einfachste, sicherste und kosteng&uuml;nstigste Methode sind die Entnahme und Konservierung von Sperma zur Erhaltung der Fertilit&auml;t bei M&auml;nnern. Fertilit&auml;tserhaltende Massnahmen sind indiziert bei b&ouml;sartigen und nicht b&ouml;sartigen Erkrankungen, die zu Infertilit&auml;t f&uuml;hren bzw. deren Therapie eine solche verursacht.<sup>3</sup> Ganz neu und deshalb noch nicht im Expertenbrief erw&auml;hnt ist, dass das Bundesamt f&uuml;r Gesundheit (BAG) bei diesen Personen die Massnahmen zur Fertilit&auml;tsprotektion f&uuml;r krankenversicherungspflichtig erkl&auml;rt hat. Daneben wird die Behandlung auch im Rahmen des &laquo;social freezing&raquo; eingesetzt. Netzeinlagen bei Senkungen kritisch hinterfragen Sogenannte Meshes werden in der Gyn&auml;kologie &ndash; namentlich in der Inkontinenztherapie &ndash; seit vielen Jahren mit Erfolg eingesetzt. Im Unterschied dazu haben Netzeinlagen in der Deszensustherapie in der Vergangenheit h&auml;ufig zu Komplikationen gef&uuml;hrt. Wegen ungen&uuml;gender Studiendaten wurde bereits in &auml;lteren Expertenbriefen zu einem zur&uuml;ckhaltenden Einsatz von Netzen beim Prolaps geraten. An dieser Empfehlung wird auch im aktuellen Expertenbrief festgehalten.<sup>4</sup></p> <h2>Einfluss der Hormontherapie auf altersbedingte Ver&auml;nderungen</h2> <p>Der Themenblock &laquo;Gesund altern&raquo; befasste sich u. a. mit der Hormonersatztherapie bei Frauen und M&auml;nnern. Wie eine aktuelle Studie zeigte, leiden Frauen viel l&auml;nger an klimakterischen Beschwerden, als man bisher angenommen hat. Im Mittel hielten die vasomotorischen Symptome, wie Hitzewallungen und Schwitzen, ca. 7,5 Jahre an.<sup>5</sup> Dabei zeichneten sich im Wesentlichen zwei Muster ab: Entweder setzten die Symptome erst nach der Menopause ein oder sie traten schon in der Pr&auml;- und Perimenopause auf und hielten dann insgesamt l&auml;nger an. &laquo;Diese Muster m&uuml;ssen noch besser erforscht werden &raquo;, sagte Prof. Dr. med. Vanadin Seifert- Klauss von der Technischen Universit&auml;t M&uuml;nchen. Der bisherige Erkl&auml;rungsansatz, dass allein der &Ouml;strogenmangel f&uuml;r die Symptome verantwortlich ist, sei unzureichend. <br />Die effektivste Behandlung der klimakterischen Beschwerden ist die Hormonersatztherapie. Diese f&uuml;hrt nicht nur zu einer effektiven Reduktion vasomotorischer Symptome. Auch urogenitale Beschwerden, Schlafst&ouml;rungen und depressive Symptome lassen sich positiv beeinflussen. Die kombinierte Hormonersatztherapie mit &Ouml;strogen und Gestagen sch&uuml;tzt zudem vor Kolorektal- und Endometriumskarzinomen. &laquo;Wegen des positiven Einflusses auf die Knochengesundheit ben&ouml;tigen Frauen mit einer Hormonersatztherapie keine zus&auml;tzliche Osteoporoseprophylaxe &raquo;, sagte die Gyn&auml;kologin.<sup>6</sup> <br />Widerspr&uuml;chlich sind die Ergebnisse, was den pr&auml;ventiven Einfluss der Hormonersatztherapie auf demenzielle Erkrankungen wie die Alzheimerdemenz betrifft. In einer finnischen Untersuchung war das Alzheimerrisiko bei Frauen, die &uuml;ber 10 Jahre mit einer Hormonersatztherapie behandelt worden waren, leicht erh&ouml;ht.<sup>7</sup> Dagegen war die Alzheimer- bedingte Sterberate bei Frauen, die in einer Studie der Women&rsquo;s Health Initiative (WHI) mit einer Hormonersatztherapie behandelt wurden, reduziert.<sup>8</sup> Wie sich bei n&auml;herer Betrachtung der Interventions- und Langzeitergebnisse der WHI-Studie zeigte, hatte die Hormonersatztherapie vor allem dann einen positiven Einfluss auf die verschiedenen Dimensionen der Mortalit&auml;t, wenn sie fr&uuml;h, d. h. vor einem Alter von 60 Jahren, begonnen wurde. &laquo;Um die Hormonersatztherapie zur alleinigen Pr&auml;vention demenzieller oder auch kardiovaskul&auml;rer Erkrankungen einzusetzen, reicht die verf&uuml;gbare Evidenz aber nicht aus&raquo;, sagte Prof. Seifert-Klauss.</p> <h2>Testosteron-Mangel wird durch &Uuml;bergewicht beg&uuml;nstigt</h2> <p>Anders als die Sexualhormone bei der Frau bleiben die Testosteronwerte bei M&auml;nnern im Alter zwischen 40 und 69 Jahren weitgehend stabil.<sup>9</sup> &laquo;Trotzdem sieht man in der Praxis viele M&auml;nner mit niedrigen Testosteronwerten und inad&auml;quat normalen Werten von luteinisierendem Hormon (LH)&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Michael Zitzmann vom Universit&auml;tsklinikum M&uuml;nster. Ein solcher funktioneller Hypogonadismus ist oft mit Komorbidit&auml;ten wie &Uuml;bergewicht, Diabetes und arterieller Hypertonie assoziiert. Wie die Ergebnisse der European Male Aging Study (EMAS) vor 10 Jahren gezeigt haben, tr&auml;gt das &Uuml;bergewicht entscheidend zur Entstehung eines funktionellen Hypogonadismus bei.<sup>10</sup> &laquo;Die Ursache der niedrigen Testosteronwerte ist nicht das Alter selbst, sondern die Gewichtszunahme im Alter&raquo;, so Prof. Zitzmann. <br />Eine Testosteronsubstitution wird von der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Urologie empfohlen, wenn die Werte des Gesamttestosterons &lt; 12,1 nmol/L oder die des freien Testosterons &lt; 243 pmol/L sind und zus&auml;tzlich Symptome wie Libidoverlust, depressive Verstimmungen oder metabolische Ver&auml;nderungen bestehen.<sup>10</sup> Anhand von Studien konnte gezeigt werden, dass die Hormonersatztherapie zu einer signifikanten Verbesserung der Testosteronwerte und der sexuellen Funktionen f&uuml;hrt. Die Behandlung hatte zudem einen positiven Einfluss auf die k&ouml;rperlichen Funktionen und die Knochengesundheit.<sup>11, 12</sup> Die Testosteronsubstitution beeinflusst dar&uuml;ber hinaus den Glukosestoffwechsel und f&uuml;hrt &ndash; wie eine &auml;ltere Studie zeigte &ndash; zu einem Verlust an Fett- und zu einer Zunahme der Muskelmasse.<sup>13</sup> &laquo;Diese Ver&auml;nderungen haben auch Konsequenzen f&uuml;r die Lebenserwartung der M&auml;nner&raquo;, sagte der Spezialist. Eine wichtige Begleiterscheinung der Testosteronsubstitution kann der Anstieg der PSA- (&gt; 1,0 ng/ml) und H&auml;moglobinwerte (&gt; 17,5 mg/dl) sein. Eine Zunahme der Zahl von Prostatakarzinomen wurde aber nicht beobachtet.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 26.–28. Juni 2019, St. Gallen </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Expertenbrief No 55: Influenza- und Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft. Abrufbar unter www.sggg.ch/Fachthemen <strong>2</strong> Expertenbrief No 57: Risikospezifizierung Pr&auml;eklampsie im 1. Trimester. Abrufbar unter www.sggg.ch/ Fachthemen <strong>3</strong> Expertenbrief No 59: Fertilit&auml;tserhaltung bei Frauen und M&auml;nnern im postpubert&auml;ren Alter. Abrufbar unter www.sggg.ch/Fachthemen <strong>4</strong> Expertenbrief No 61: Der Einsatz von Netzen bei Senkungsoperationen. Abrufbar unter www.sggg.ch/Fachthemen <strong>5</strong> Avis NE et al.: Duration of menopausal vasomotor symptoms over the menopause transition. JAMA Intern Med 2015; 175(4): 531-9 <strong>6</strong> S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. Stand 31. 12. 2017. Einsehbar unter: www.awmf.org <strong>7</strong> Savolainen-Peltonen H et al.: Use of postmenopausal hormone therapy and risk of Alzheimer&rsquo;s disease in Finland: nationwide case-control study. BMJ 2019; 364: l665 <strong>8</strong> Manson JE et al.: Menopausal hormone therapy and long-term all-cause and cause-specific mortality: The Women&rsquo;s Health Initiative randomized trials. JAMA 2017; 318(10): 927-38 <strong>9</strong> Wu FC et al.: Hypothalamic-pituitary- testicular axis disruptions in older men are differentially linked to age and modifiable risk factors: the European Male Aging Study. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93(7): 2737-45 <strong>10</strong> Dohle GR et al.: EAU-Leitlinie M&auml; nnlicher Hypogonadismus. Einsehbar unter: http://www.uroweb.org/ guidelines/online-guidelines/ <strong>11</strong> Snyder PJ et al.: Effects of testosterone treatment in older men. N Engl J Med 2016; 374(7): 611-24 <strong>12</strong> Snyder PJ et al.: Effect of testosterone treatment on volumetric bone density and strength in older men with low testosterone: a controlled clinical trial. JAMA Intern Med 2017; 177(4): 471-9 <strong>13</strong> Corona G et al.: Therapy of endocrine disease: Testosterone supplementation and body composition: results from a meta-analysis study. Eur J Endocrinol 2016; 174(3): R99-116</p> </div> </p>
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