© Peter Jesche - stock.adobe.com

Highlights des ATTD 2023

Die diesjährige Konferenz zu ATTD (Advanced Technologies & Treatments for Diabetes) fand im CUBE in Berlin statt und war in gewohnter Weise sehr gut besucht. Abweichend von einer langjährigen Tradition, die bisher einen starken Fokus auf Typ-1-Diabetes (T1D) und die in diesem Zusammenhang genutzten Technologien gelegt hatte, war diesmal ein wesentlich breiteres Spektrum an Themen wie auch in Hinsicht auf das Zielpublikum angesagt.

Keypoints

  • Daten zeigen: Patienten fühlen sich über Telemedizin besser betreut.

  • Viele klinische Argumente sprechen für einen breiten Einsatz von CGM-Systemen auch bei Typ-2-Diabetes.

  • Automatische Systeme zur Anpassung der Insulinbolusgabe an Bewegung oder Nahrungsaufnahme sind noch in der Entwicklungsphase.

  • Nur wenige Menschen mit Diabetes nutzen die Möglichkeiten der Messung von Blutketonen.

  • Aufgrund der Entwicklung des „Keton-Sensing“ könnte vermutlich zukünftig eine Funktionserweiterung des Freestyle-Libre-Messsystems auf den Markt kommen.

Heuer spannte sich der Bogen der Vorträge und auch der Industrieausstellung weit hinaus über die zentralen Themen der vergangenen Jahre, wie konventionelle Insulinpumpen, AID(„automated insulin delivery“)- und CGM(„continuous glucose monitoring“)-Systeme, aber auch integrierbare Insulinpens bzw. Devices, welche auf verschiedenen Pens genutzt werden können. Additiv standen die Adipositastherapie, sowohl medikamentös als auch mittels bariatrischer Chirurgie (aber natürlich mit Schwerpunkt auf den GLP-1-Analoga und der GIP-/GLP-1-Analoga-Kombinationstherapie), die Verwendung von CGM-Systemen bei Typ-2-Diabetes bis hin zur Wertigkeit der TIR („time in range“) bzw. der TITR („time in tight range“) für die Reduktion des Risikos der jeweiligen Population auch bei Typ-2-Diabetes im Zentrum. Nicht zuletzt ging man auf der diesjährigen ATTD-Konferenz der Frage nach, ob eine kontinuierliche Ketonkörpermessung bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sinnvoll ist.

Optimierte Betreuung und Therapie

Die Präsentationen aus dem „ATTD-Yearbook“ mit den entsprechend selektierten „Research“-Ergebnissen für präsentierte Themen zeigten sehr gut auf, welche davon in den kommenden Jahren im Mittelpunkt des Interesses sowohl der Forschung als auch der klinischen Praxis und natürlich vor allem der Betroffenen stehen werden. Es zeichnete sich hier eindeutig ein Trend zu digitalen Entwicklungen ab. Wenig überraschend hat sich in der Pandemiezeit die virtuelle Visite, sprich Telemedizin, auf verschiedensten Ebenen etabliert. Daten zeigen, dass sich Patienten offenbar zu einem erheblichen Anteil dabei besser betreut fühlen.

Mit der Verbesserung der „Closed loop“-Systeme nehmen auch Fragen nach einem breiteren Anwendungsspektrum, gehindert durch niederschwelligen Zugang, oder Fragen nach der Betreuung von „Closed loop“-Systemen auch im niedergelassenen Bereich zu. Im Fokus steht natürlich die Perfektionierung der Funktion dieser Devices mit möglichst vollständiger Kompensation der möglichen Bedienungsfehler durch den Faktor Mensch und gleichzeitig bestmöglicher Unterstützung durch „Decision“-Supportsysteme in Form von Apps oder webbasierten Algorithmen.

Bei den bereits in Phase-II-Studien befindlichen „Once weekly“-Basalinsulinen stellt sich die Frage, ob sie nur im Bereich des Typ-2-Diabetes oder auch bei Typ-1-Diabetes – möglicherweise in Kombination mit CSII(„continuous subcutan insulin infusion“)-Therapie, die ja bereits mit Degludec zur Anwendung kommt, erfolgreich sein können.

CGM-Systeme bei Typ-2-Diabetes

Auf die Frage, ob CGM-Systeme auch für Typ-2-Diabetes geeignet sind, war der Tenor der Referenten eindeutig positiv, wenngleich die Studiendatenlage auch Gegnern dieser Entwicklung Argumente liefert („REPLACE trial“). Es sprechen jedoch, abgesehen von der DIAMOND- und MOBILE-Studie, viele klinische Argumente für einen breiteren Einsatz der Sensorsysteme. Die Tatsache, dass sie immer kleiner werden, dass eine Kalibration nicht mehr notwendig ist, die längere Tragedauer und eine MARD („mean absolute relative difference“) von <10% sprechen immer mehr von Diabetes betroffene Menschen an. Zudem bieten mittlerweile alle Anbieter auch „Stand alone“-Varianten an und nicht zuletzt sinken die Kosten – wenngleich diese nach wie vor das größte Argument gegen eine flächendeckende Verwendung darstellen. Nimmt man jedoch den in einigen Sessions betonten Vorteil der TIR bzw. TITR gegenüber dem HbA1c zur Beurteilung einer guten Stoffwechseleinstellung her, dann ist ein frühzeitiger Einsatz von CGM-Systemen auch bei Typ-2-Diabetes unumgänglich.

Hauptargument sind hierbei das Glukosememoring der Zellen und damit die prognostisch wichtige frühzeitige Senkung der Glukoseauslenkungen in den Normalbereich, vor allem solange eine Therapie hypoglykämiefrei bleibt. Angestrebt wird in Ländern wie Schweden, die im Gegensatz zu Österreich auf ein ausgezeichnetes Diabetesregister zurückgreifen können, ein durchschnittlicher HbA1c von 6,5%. Das wird nicht mit der üblichen TIR von 70–180mg/dl, sondern mit der schon zitierten TITR von 70–140mg/dl erreicht, wobei der anzustrebende Anteil >50% sein soll. Auch bei von Typ-1-Diabetes betroffenen Kindern und Jugendlichen wird ein möglichst hoher Anteil an TITR angestrebt, außerdem ein hoher Einsatz von AID bzw. Pumpen und ein niederschwelliger Zugang zu diesen Devices für jede/n (ISPAD 2022).

Herausforderung in CSII-Therapie mittels AID bei Bewegung

Die größten Herausforderungen für die CSII-Therapie mittels AID stellen nach wie vor einerseits Bewegung, andererseits das Bolusmanagement bei Mahlzeiten dar. Ist bei konventionellen Pumpen die Regulation über den Einsatz einer temporären Basalrate (BR) bzw. eines protrahierten Bolus möglich, so agieren AID-Systeme nahezu ausschließlich über eine zeitgerechte Veränderung des Zielwertes bzw. bei TANDEM und CAMP APS auch über eine im „exercise mode“ mögliche Modifizierung des empfohlenen Bolus auch im „auto-mode“. Bei letzterem System besteht zusätzlich eine „Ease off“/„Boost“-Funktion, die das kurzfristige Sinken oder Steigen der Glukosewerte unterbinden kann.

Wichtig bleiben ein richtig gesetzter Mahlzeitenbolus mit entsprechendem Spritz-/Ess-Abstand, auch wenn bei kleinen Mahlzeiten mit bis zu 20g Kohlenhydraten gut eingestellte AID-Systeme im „auto-mode“ auch ohne Bolusgabe den Blutzuckerverlauf stabil halten können. Versuche einer mehr oder weniger automatischen Anpassung der Insulinabgabe an Bewegung oder Nahrungszufuhr, indem diese anhand von Bewegungstrackern, Bewegungsabläufen (Hand zum Mund führen!), dem Abspeichern von Verhaltensweisen etc. durch das System selbst erkannt werden, sind noch in der frühen Entwicklungsphase (Tab. 1).

Tab. 1: Konsensusleitlinien zu AID-Systemen und physischer Aktivität („excercise“) (nach Philipp M et al., Endocrine Reviews 2022)

Eine sehr zu begrüßende Entwicklung ist bereits weit gediehen: die kontinuierliche Ketonkörpermessung mittels Sensor (Tab. 2). Dieses Unterfangen könnte man auf den ersten Blick als nebensächlich erachten, da diabetische Ketoazidosen doch nach wie vor bei bereits bekanntem und behandeltem Diabetes eher selten vorkommen. Jedoch ist es vor allem in Hinblick auf den sinnvollen Einsatz von SGLT2-Inhibitoren bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zukunftsträchtig und wichtig (Abb. 1).

Tab. 2: Kontinuierlicher Ketonsensor: vorgeschlagene Anzeige (nach Lee MH et al., J Diabetes Sci Technol 2019)

Abb. 1: STICH- und STOP-DKA-Protokoll (nach Garg SK et al., Diabetes Technol Ther 2018, und Goldenberg RM et al., Diabetes Obes Metab 2019)

Messung von Ketonen im Blut – nicht weit verbreitet

Praxistipp
Ketonkörpermessungen könnten v. a. bei Menschen mit Typ-1-Diabetes unter SGLT2-Inhibitortherapie wichtig und zukunftsträchtig sein.

Obwohl die Möglichkeit besteht, per Fingerstich die Blutketone zu messen, wird diese Option in der gelebten Praxis nicht wahrgenommen. Laut einer rezenten Studie an 205 Menschen mit Typ-1-Diabetes haben 31% keine Streifen zu Hause und 30% kennen den Zusammenhang zwischen hohen Blutzuckerwerten und positiven Ketonen bzw. deren Auswirkung nicht. Die Entwicklung des „Keton-Sensing“ ist bereits weit gediehen, vermutlich wird es eine diesbezügliche Erweiterung des Freestyle-Libre-Messsystems in absehbarer Zeit geben. Wichtig ist diese Entwicklung vor allem für Menschen mit Typ-1-Diabetes, die einer ketogenen Ernährung frönen, gerne und intensiv Sport betreiben, Alkohol konsumieren und – nicht zuletzt – mit SGLT2-Inhibitoren behandelt werden, deren Kombination mit CSII-Therapie durchaus mit Vorteilen behaftet ist. Alternative zur Verfügung stehende Harnketonmessungen sind eigentlich ebenso wie Harnzucker-Messungen zu verwerfen, da hierbei Aceton gemessen wird anstatt des mit dem tatsächlich relevanten Ketonspiegel korrelierenden Beta-Hydroxybutyratacetats.

Zusammenfassung

Insgesamt bot die diesjährige ATTD-Konferenz einen guten Überblick über bereits in unserem Alltag angekommene Neuerungen, wie bspw. die AID-Systeme im Kontext mit zukünftigen Konzepten. Hierzu konnten einige gute Bögen gespannt werden, was bereits zur Verfügung stehende Behandlungsmethoden und in Entwicklung befindliche Werkzeuge anbelangt, und die Konferenz machte jedenfalls Lust darauf, im kommenden Jahr in Florenz wieder dabei zu sein.

ATTD-Konferenz, 22.–25. Februar 2023, Berlin

bei der Verfasserin

Back to top