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Ernährung & Diätologie

Eiweißquellen im Vergleich – klassisch vom Tier oder doch aus Leguminosen?

In der klassischen Ernährung erfolgt die Eiweißzufuhr zu einem hohen Anteil aus tierischen Produkten, wie Fleisch, verarbeiteten Produkten aus Fleisch, Milch, Milchprodukten und Eiern und liegt weit über den Empfehlungen, während der Konsum von Leguminosen nach wie vor äußerst gering ist. Bei Fleisch muss zwischen fettreichem, stark Verarbeitetem und unverarbeiteten und mageren Produkten differenziert werden. Aufgrund der Proteinqualität und des Gehalts an Mikronährstoffen stellt mageres Fleisch – in bewussten Mengen konsumiert– eine wertvolle Lebensmittelgruppe in der ausgewogenen Ernährung dar.

Keypoints

  • Die Bedeutung von Fleisch wird im ernährungsphysiologischen Kontext widersprüchlich diskutiert.

  • Der Konsum bewusster Mengen von hochwertigem Fleisch gewährleistet die Zufuhr von essenziellen AS, Vitamin B12 und Häm-Eisen.

  • Der nach wie vor zu hohe Konsum an Fleisch und Fleischwaren ist gesundheitlich und ökologisch nicht empfehlenswert.

  • Im Vergleich liegt die tatsächlich verzehrte Menge an Hülsenfrüchten in Österreich deutlich unter den Empfehlungen.

  • Der tägliche Genuss von Hülsenfrüchten verringert das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie T2D und beeinflusst bestehende Erkrankungen positiv.

Fleisch ist eine der am meisten und kontroversesten diskutierten Lebensmittelgruppen. Sein Stellenwert in der Ernährung reicht von gänzlicher Ablehnung bis hin zu unentbehrlich für anabole Stoffwechselprozesse. Aus therapeutischer Sicht belegen Beobachtungsstudien einerseits einen Zusammenhang zwischen fleischbetonten, kohlenhydratreduzierten Ernährungsformen und erhöhten Risiken für Diabetes mellitus (DM), kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Niereninsuffizienz und Tumorgeschehen.1 Diese Assoziationen wurden insbesondere für rotes Fleisch und für alles Verarbeitete aus rotem Fleisch belegt.2 Andererseits zeigten 5 randomisierte, kontrollierte Studien im Vergleich von rotem und weißem Fleisch keinen metabolischen Unterschied bei gesunden Proband*innen.3

Fleischverzehr pro Kopf zu hoch

Belegt ist weiters ein zu hoher Fleischverzehr seit vielen Jahren. Laut den Versorgungsbilanzen der Statistik Austria betrug der Konsum von Fleisch und Fleischwaren im Jahr 2021 rund 59kg pro Person, während weniger als 1kg Hülsenfrüchte jährlich gegessen wurde. Im Durchschnitt wurden 34,2kg Schweinefleisch, beinahe 12,8kg Geflügel, 10,4kg Rind- und Kalbfleisch und 1,6kg sonstiger Tierarten und Innereien pro Kopf verzehrt.4 Verglichen mit den Empfehlungen des BMSGPK von 300–450g bzw. 3 Portionen Fleisch pro Woche konsumieren Frauen mit ca. 500g um 40% mehr und Männer mit 900–1320g doppelt so viel wie empfohlen.4,5

In unserem beruflichen Alltag haben traditionelle Gerichte wie Wiener Schnitzel, Schweinsbraten und Co eine hohe Relevanz und emotionale Komponente. Beinahe täglich äußern Menschen mit chronischen Erkrankungen wie DM, insbesondere bei Erstmanifestation, Bedenken, zukünftig kein Schnitzel mehr essen zu dürfen. Diese emotionale Komponente ist ein wesentlicher Faktor für den weiteren diätologischen Betreuungsverlauf und die Therapieadhärenz.

Fleischsorte und Verarbeitung bestimmen die Qualität

Die Differenzierung nach Fleischart und Verarbeitung ist Voraussetzung für die qualitative Beurteilung und für diätologische Empfehlungen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf mageres und unverarbeitetes Fleisch. Der Eiweißgehalt von jeweils 100g verzehrfertigem Fleisch ist mit 26–28% bei Kalb-, Rind-, Schweinefleisch und Geflügel etwas höher als jener von Fisch mit 20–22% und 3–5Mal so hoch verglichen mit Leguminosen. Der Eisengehalt variiert unter den Fleischarten und ist bei rotem Fleisch dreifach so hoch im Vergleich zu Geflügel, denn Eisen ist u.a. für die Farbgebung verantwortlich.6 Die durchschnittliche Resorptionsrate von im Fleisch vorkommendem Häm-Eisen beträgt 6–12% und kann bei Eisenmangel auf ca.20% steigen, während Nicht-Häm-Eisen aus vegetarischen Lebensmitteln nur zu 5–10% resorbiert wird.7

Vitamin B12 (Cobalamin) ist ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Fisch und Milchprodukten in ausreichenden Mengen vorhanden. Rindfleisch und Lachs erweisen sich mit 4,3µg bzw. 4,1µg/100g gegartem Produkt als besondere Quellen für Cobalamin verglichen mit Geflügel, Kalb- und Schweinefleisch (Tab.1).6 Speziell Menschen mit längerer Einnahme von Metformin und/oder Protonenpumpenhemmer haben ein Risiko füreinen Vitamin-B12-Mangel.8 Die Folgen einer Hypovitaminose von Vitamin B12 sind Anämie, neurologische und psychische Symptome, wobei ein schwerer Mangel schwere und irreversible Veränderungen in Gehirn und Nervensystem verursachen kann.9 Einen interessanten Einfluss von B-Vitaminen auf kardiovaskuläre Erkrankungen publizierten die Grazer Wissenschafter*innen um Gunter Almer und Oksana Tehlivets im September 2022. Dabei zeigten sie cholesterinunabhängig atherogene Veränderungen in der Aorta bei Vorliegen eines Mangels der B-Vitamine Folat, B6 und B12 aufgrund des fehlenden Abbaus von Homocystein.10

Tab. 1: Nährwert-Tabelle (nach Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien)6

Unterschied in der Proteinqualität

Die Proteinqualität in tierischen Produkten unterscheidet sich von jener in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft. Betrachtet man die Proteinqualität anhand der biologischen Wertigkeit (BW) sieht man eine geringere BW von Bohnen (60) im Vergleich zu Fleisch (84). Tierische Produkte enthalten alle essenziellen Aminosäuren (AS), während in pflanzlichen Lebensmitteln eine oder mehrere AS fehlen. Hülsenfrüchte enthalten vergleichsweise wenig Cystein, Methionin und Tryptophan.11

Noch ausgeprägter wird der Unterschied der Eiweißqualität durch den Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score, kurz PDCAAS. Durch diese exaktere Bewertung nimmt die Proteinqualität von Rindfleisch zu (auf 92), jene von Bohnen reduziert sich (auf 41) verglichen mit Ersterem.12 Für die Praxis bedeutet dies, dass eine höhere Menge an Hülsenfrüchten konsumiert werden soll bzw. ein gut überlegtes Kombinieren pflanzlicher und ggf. tierischer Eiweißquellen wie Getreide, Milch und Eier erforderlich ist, um die Äquivalenz von Fleisch zu erreichen. Eine gesteigerte Zufuhr an Hülsenfrüchten und Getreide geht jedoch mit einer zusätzlichen Aufnahme an Kohlenhydraten einher, kann vorübergehend gastrointestinale Beschwerden wie Flatulenz verursachen und die Akzeptanz von Hülsenfrüchten negativ beeinflussen.

Hülsenfrüchte als pflanzliche Eiweißquelle

Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen gehören bereits seit Jahrtausenden zu den am häufigsten verwendeten Nahrungsmitteln der Welt. Die verschiedenen Sorten werden weltweit angebaut, was sie sowohl wirtschaftlich als auch ernährungsphysiologisch sehr bedeutsam macht.In Österreich wird ein Konsum von 3 Portionen Gemüse und/oder Hülsenfrüchten pro Tag empfohlen. Eine Portion Hülsenfrüchte wird dabei als Menge von 70–100 g im Rohzustand bzw. 150–200 g in gekochtem Zustand angesehen.13

Laut dem Österreichischen Ernährungsbericht aus dem Jahr 2017 werden von den empfohlenen fünf Portionen Gemüse, Salat und Obst pro Tag nur zwei gegessen. In Bezug auf den Konsum von Hülsenfrüchten werden aktuell von 25–51-jährigen Frauen nur 9,0 g verzehrt. Bei Männern in dieser Altersgruppe liegt der Verzehr bei 8,8 g täglich.6 Hülsenfrüchte liefern Eiweiß und Ballaststoffe und sind eine wichtige Quelle für Vitamine und Mineralstoffe wie Eisen, Zink, Folsäure und Magnesium. Darüber hinaus finden sich in Hülsenfrüchten auch zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe wie Saponine und Tannine.14 Die Inhaltsstoffe variieren in Hülsenfrüchten je nach Sorte und Herkunft. So enthalten 100 g gekochte Linsen etwa 9,4 g Eiweiß. Der Ballaststoffgehalt schwankt abhängig davon, ob es sich um geschälte oder ungeschälte Hülsenfrüchte handelt. Linsen weisen im gekochten Zustand pro 100 g im Schnitt 4,3 g Ballaststoffe auf (Abb.1).6 Hülsenfrüchte sind reich an Mikronährstoffen. Vor allem deren Gehalt an Eisen, Magnesium und Zink ist nennenswert für ein pflanzliches Lebensmittel. Aufgrund dessen sind Hülsenfrüchte ein wichtiges Nahrungsmittel bei rein pflanzlichen Ernährungsformen.15

Abb. 1: Inhaltsstoffe Linsen gegart (nach Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien)6

Gesundheitliche Aspekte des Verzehrs von Hülsenfrüchten

Diabetes mellitus Typ 2

In Bezug auf Prävention sowie Management von Diabetes mellitus Typ 2 (T2D) kann sich der tägliche Verzehr von Hülsenfrüchten positiv auswirken.16 Verschiedene Mechanismen verbessern durch den Konsum von Hülsenfrüchten den HbA1c-Wert sowie die Nüchternblutglukose. Einer davon sind die in Hülsenfrüchten reichlich enthaltenen langsam resorbierbaren Kohlenhydrate und der hohe Gehalt an resistenter Stärke. Gepaart mit dem hohen Ballaststoffgehalt der Hülsenfrüchte senken sie den glykämischen Index der Ernährung und könnten die positiven Auswirkungen auf die Blutzuckerkontrollmarker erklären.17

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Hülsenfrüchte können auch eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen spielen. Das Risiko für eine Vielzahl dieser Erkrankungen lässt sich durch einen erhöhten Konsum von Hülsenfrüchten reduzieren, so zum Beispiel für koronare Herzkrankheit.18 Der Mechanismus könnte in einer Senkung des LDL- sowie Gesamtcholesterins liegen, die aus einer ballaststoffreichen Ernährung resultiert.17 Lösliche Ballaststoffe besitzen die Fähigkeit, die Ausscheidung der Gallensäuren zu erhöhen. Durch die Bindung von löslichen Ballaststoffen an Gallensäuren im Darm kann deren Rückresorption verhindert werden. In weiterer Folge steigert die Leber die Produktion von Gallensäuren. Dies führt zu einer Verringerung des hepatischen Cholesterinpools. Dadurch wird wiederum die Cholesterinaufnahme aus dem Blut erhöht – es kommt zu einer Verringerung der zirkulierenden Cholesterinkonzentration.17

Adipositas

Auch in Bezug auf Adipositas zeigen sich in Studien positive Auswirkungen beim täglichen Verzehr von Hülsenfrüchten. Insbesondere auf das Körpergewicht sowie die Sättigung lassen sich durch eine erhöhte Aufnahme von Hülsenfrüchten positive Effekte erzielen. Dies könnte einerseits durch den hohen Protein- und Ballaststoffgehalt erklärt werden, der die Sättigung verstärkt. Andererseits weisen die in Hülsenfrüchten enthaltenen Inhaltsstoffe eine geringere Bioverfügbarkeit als jene in tierischen Lebensmitteln auf, was in Hinblick auf eine bestehende Adipositas ebenfalls ein positiver Aspekt sein kann.19

Conclusio

Der Verzehr von Hülsenfrüchten ist ein gesunder Weg zur Erfüllung der Ernährungsempfehlungen und geht mit einem geringeren Risiko für metabolische Erkrankungen einher. Ebenso hat Fleisch bei einer bewusstenAuswahl in der ausgewogenen Ernährung durch seine hohe Proteinqualität und den Gehalt an B-Vitaminen seine Berechtigung. Voraussetzung ist und bleibt jedoch der bewusste Genuss. Durch die Beachtung der Portionsgröße zur Mahlzeit und der Verzehrhäufigkeit gelingt die Veränderung von omnivorer Ernährung zu moderatem Fleischkonsum. Die Kombination mit ballaststoffreichen Beilagen und Gemüse bzw. Salat, die Verwendung eines hochwertigen, hitzestabilen Öls zur Zubereitung und die Beachtung der Zubereitungstemperatur werten die Mahlzeit ernährungsphysiologisch auf. Speziell bei tierischen Produkten beeinflussen Herkunft und Haltung der Tiere die Qualität des Produkts und die ökologische Bilanz.

Die Frage der Produktion unserer Nahrungsmittel spielt eine entscheidende Rolle für Gesundheit und Ökologie. Die Kombination von Hülsenfrüchten mit einer kleinen Menge Fleisch verbessert die Nährstoffbilanz und die Zufuhr an Ballaststoffen und fördert die Gesundheit unter Rücksichtnahme der ökologischen Bilanz.

1 Zeraatkar D et al.: Red and processed meat consumption and risk for all-cause mortality and cardiometabolic outcomes: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. Ann Intern Med 2019; 171(10): 703-10 2 Vernooij RWM et al.: Patterns of red and processed meat consumption and risk for cardiometabolic and cancer outcomes: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. Ann Intern Med 2019; 171(10): 732-41 3 Johnston BC et al.: Unprocessed red meat and processed meat consumption: dietary guideline recommendations from the Nutritional Recommendations (NutriRECS) Consortium. Ann Intern Med 2019; 171(10): 756-64 4 Statistik Austria: Versorgungsbilanzen für pflanzliche Produkte 2021/2022. https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/SB_1-27_Versorgungsbilanz-pflanzl_2021_22.pdf ; Versorgungsbilanzen für tierische Produkte 2021/2022. https://www.statistik.at/fileadmin/publications/SB_1-26-Versorgungsbilanzen-tierische-Produkte2021.pdf ; zuletzt aufgerufen am 25.5.2023 5 Rust P et al.: Österreichischer Ernährungsbericht (2017). https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=528 ; zuletzt aufgerufen am 25.5.2023 6 Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien: ÖNWT - Die österreichische Nährwerttabelle. www.oenwt.at , zuletzt aufgerufen am 25.5.2023 7 Jameson JL et al.: Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag, 2020 8 ArodaVR et al.; Diabetes Prevention Program Research Group: Long-term metformin use and vitamin B12 deficiency in the Diabetes Prevention Program Outcomes Study. J Clin Endocrinol Metab 2016; 101(4): 1754-61 9 National Institutes of Health: Vitamin B12. Fact Sheet for Health Professionals. https://ods.od.nih.gov/factsheets/VitaminB12-HealthProfessional/ ; zuletzt aufgerufen am 7.5.2023 10 Almer G et al.: Deficiency of B vitamins leads to cholesterol-independent atherogenic transformation of the aorta. Biomed Pharmacother 2022; 154: 113640 11 Khazaei H et al.: Seed protein of lentils: current status, progress and food applications. Foods 2019; 8(9): 391 12 Raschka C, Ruf S: Sport und Ernährung.4. Auflage. Stuttgart: Thieme Verlag, 2018 13 BMSGPK: 7 Stufen zur Gesundheit. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Lebensmittel-Ernaehrung/Ern%C3%A4hrungsempfehlungen/Ern%C3%A4hrungspyramide0.html abgerufen am16.5.2023 14 Mudryj AN et al.: Nutritional and health benefits of pulses. Appl Physiol Nutr Metab 2014; 39(11): 1197-204 15 Sánchez-Chino X et al.: Nutrient and nonnutrient components of legumes, and its chemopreventive activity: a review. Nutr Cancer 2015; 67(3): 401-10 16 Pearce M et al.: Associations of total legume, pulse and soy consumption with incident type 2 diabetes: federated meta-analysis of 27 studies from diverse world regions. J Nutr 2021; 151(5): 1231-40 17 Becerra-Tomás N et al.: Legume consumption and cardiometabolic health. Adv Nutr 2019; 10(4): 437-50 18 Afshin A et al.: Consumption of nuts and legumes and risk of incident ischemic heart disease, stroke, and diabetes: a systematic review and meta-analysis. Am J Clin Nutr 2014; 100(1): 278-88 19 Kim SJ et al.: Effects of dietary pulse consumption on body weight: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. AmJ Clin Nutr 2016; 103(5): 1213-23

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