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Diabetesschulung und Diabetesberatung, Update zu den neuen Leitlinien

<p class="article-intro">Der hohe Stellenwert von Diabetesschulung und Selbstmanagement wird in den neuen Diabetes-Leitlinien erneut hervorgehoben.1 Strukturierte Diabetesschulung soll betroffene Personen befähigen, sich aktiv mit ihrer Erkrankung und deren Management auseinanderzusetzen. Dieser Artikel soll einen Überblick über Neuerungen in der Diabetesschulung verschaffen und die aktuelle Evidenz unterstreichen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine strukturierte und validierte Diabetesschulung mit dem Ziel der Bef&auml;higung zum Empowerment und Selbstmanagement von Personen mit Diabetes ist f&uuml;r den Therapieerfolg von gro&szlig;er Bedeutung.</li> <li>Glukosesensorsysteme und Insulinpumpen bed&uuml;rfen zus&auml;tzlicher strukturierter Schulungsma&szlig;nahmen.</li> <li>Strukturierte Schulungsprogramme mit Betonung auf Selbstmanagement sind effektiver als die reine Wissensvermittlung.</li> <li>Spezifische ethnisch-kulturelle Aspekte, Herkunft und Alter sollten selbstverst&auml;ndlich in der Schulung mitber&uuml;cksichtigt werden.</li> </ul> </div> <p>Ziel von validierten Schulungsprogrammen ist, durch Vermittlung von Wissen &uuml;ber die Erkrankung und Erlernen von Fertigkeiten die Therapie bestm&ouml;glich im Alltag umzusetzen und damit die individuellen Therapieziele zu erreichen (Empowerment zum Selbstmanagement). Zeitgem&auml;&szlig; wurden neue Technologien inkludiert, die Multikulturalit&auml;t ber&uuml;cksichtigt und die Notwendigkeit von Disease-Management- Programmen betont.</p> <h2>Schulungsinhalte</h2> <p>Die Schulungsinhalte f&uuml;r Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterscheiden sich voneinander (Tab. 1). <br />&Uuml;ber die in der Tabelle genannten Aspekte hinaus beinhaltet die Schulung bei Typ-1-Diabetes die verst&auml;rkte Wahrnehmung und das Management von Hypoglyk&auml;mien, die Erkennung und Behandlung zus&auml;tzlicher kardiovaskul&auml;rer Risikofaktoren wie z. B. erh&ouml;hter Blutdruckwerte, hoher Blutfette, Rauchen und &Uuml;bergewicht sowie mikro- und makrovaskul&auml;rer Komplikationen. Spezielle Schulungen f&uuml;r Personen mit Gestationsdiabetes, Insulinpumpen, Glukosesensoren und bei Hypoglyk&auml;mie- Wahrnehmungsst&ouml;rung sollten zus&auml;tzlich in Diabeteszentren angeboten werden. Betont wird in den neuen Leitlinien abermals die Bedeutung einer strukturierten und validierten Schulung.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s20_tab1.jpg" alt="" width="1025" height="883" /></p> <h2>Auf dem neuesten Stand der Technik</h2> <p>Glukosesensorsysteme und Insulinpumpen geh&ouml;ren inzwischen zum Diabetes- Alltag und bed&uuml;rfen selbstverst&auml;ndlich zus&auml;tzlicher strukturierter Schulungsma&szlig;nahmen. Die Einschulung auf Blutzuckermessger&auml;te wird zunehmend von der Einschulung auf CGM-Sensoren wie z. B. &bdquo;Free Style Libre&ldquo;, &bdquo;Dexcom G4 bis G6&ldquo; oder &bdquo;Eversense&ldquo; abgel&ouml;st. Die Aufzeichnungen hinsichtlich glyk&auml;mischer Kontrolle unterscheiden sich dabei signifikant von den &bdquo;klassischen&ldquo; 7-Punkt-Blutzucker-Profilen. Der Fokus liegt nun verst&auml;rkt auf der &bdquo;time in range&ldquo; (dem Zeitraum, in dem der Blutzucker innerhalb eines vordefinierten optimalen Blutglukosebereichs liegt). Dieser Parameter ist f&uuml;r eine optimale Blutzucker Einstellung von gr&ouml;&szlig;ter Relevanz. <br />Bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes ist mittlerweile die Pumpentherapie die Therapie der Wahl. Daher m&uuml;ssen in der Schulung die zur Verf&uuml;gung stehenden Insulinpumpen erkl&auml;rt werden k&ouml;nnen und die notwendige Infrastruktur, die das computerbasierte Auslesen von Pumpen, Blutzuckermessger&auml;ten und Glukosesensoren erm&ouml;glichen, vorhanden sein. Auch verschiedenste Diabetes-Apps sowie Patienten- Portale gewinnen in der Diabetesberatung zunehmend an Bedeutung.</p> <h2>Schulungsprogramme</h2> <p>Die Inhalte der Diabetesschulung werden durch verschiedene validierte Schulungsprogramme vermittelt. Programme f&uuml;r Typ-1- und Typ-2-Diabetes, die auf dem &bdquo;D&uuml;sseldorfer Schulungsmodell&ldquo; basieren, sind auf Wissensvermittlung ausgerichtet. Das an der Medizinischen Universit&auml;t Wien entwickelte Diabetes FIT Curriculum oder die in Bad Mergentheim/Deutschland entwickelten interaktiven Programme: f&uuml;r Typ-1-Diabetes: &bdquo;PRIMAS&ldquo; (Schulungs- und Behandlungsprogramm f&uuml;r ein selbstbestimmtes Leben mit Typ-1-Diabetes) und Typ-2-Diabetes: &bdquo;MEDIAS 2&ldquo; (mehr Diabetes- Selbstmanagement f&uuml;r Typ 2) sind in erster Linie auf die Bef&auml;higung der Betroffenen, mit Diabetes umzugehen, ausgerichtet. <br />Das Schulungsprogramm &bdquo;Conversation Maps<sup>&reg;</sup>&ldquo; (&bdquo;Gespr&auml;chslandkarten&ldquo;) ist vorwiegend interaktiv aufgebaut, muss aber erst in gr&ouml;&szlig;eren Studien bez&uuml;glich Effektivit&auml;t validiert werden.<sup>2</sup> <br />Programme mit Betonung auf Selbstmanagement sind dabei offensichtlich effektiver als reine Wissensvermittlung. Nachschulungen einzelner Personen und mit R&uuml;cksicht auf Herkunft und Alter sind zus&auml;tzlich von Vorteil. Um die Motivation zu steigern kann die &bdquo;Bewegungsbox&ldquo; (www. bewegungsbox.at) in die Schulung integriert werden. Dabei werden unterschiedliche M&ouml;glichkeiten zu einem aktiveren Lebensstil aufgezeigt. Weiters werden einige neue Programme vorgestellt, wie z. B.:</p> <ul> <li>&bdquo;HyPOS&ldquo; (Hypoglyk&auml;mie &ndash; POsitives Selbstmanagement) &ndash; mit dem Ziel der Verbesserung des Selbstmanagements bei Hypoglyk&auml;mie.</li> <li>&bdquo;Neuros&ldquo; (Aktiv werden &ndash; Neuropathie richtig behandeln) &ndash; ein neues Schulungs- und Behandlungsprogramm f&uuml;r Menschen mit Diabetes und Neuropathie.</li> <li>&bdquo;SPECTRUM&ldquo; &ndash; ein herstellerunabh&auml;ngiges Schulungsprogramm f&uuml;r die kontinuierliche Glukosemessung</li> <li>&bdquo;INPUT&ldquo; &ndash; ein evaluiertes Schulungsund Behandlungsprogramm f&uuml;r die Insulinpumpentherapie.</li> </ul> <p>Diabetes-Apps (z. B. MySugr) bzw. Diabetes- Portalen (z. B. Diabetes-Patientenfuchs) wird eine unterst&uuml;tzende Wirkung zugesprochen. In Metaanalysen wird eine HbA<sub>1c</sub>- Verbesserung um 0,5 % sowohl bei Personen mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes beschrieben. Dieser Effekt besteht aber haupts&auml;chlich dann, wenn die Teilnehmer regelm&auml;&szlig;ig in medizinischer Betreuung stehen. Multikulturalit&auml;t Spezifische ethnisch-kulturelle Aspekte sollten in der Schulung ber&uuml;cksichtigt werden, um eine nachhaltige Verbesserung der Stoffwechsellage zu erreichen. In einer systematischen Metaanalyse aus dem Jahr 2014 wurde gezeigt, dass Diabetes-Schulungsprogramme, die sich an ethnische Minderheiten richten, einen positiven Effekt auf das Diabeteswissen und das Selbstmanagementverhalten haben und letztendlich die glyk&auml;mische Kontrolle verbessern.<sup>3</sup> Kommunikation und Sprache In den neuen Leitlinien werden h&auml;ufig Begriffe wie &bdquo;Betroffene&ldquo; und &bdquo;Personen mit Diabetes&ldquo; verwendet, um eine Stigmatisierung zu vermeiden. In einer rezent publizierten Arbeit der Language Matters Group der britischen NHS<sup>4</sup> wurde die Bedeutung der Sprache in der Diabetestherapie untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass sich eine verbesserte Kommunikation zwischen Schulungsteam und Personen mit Diabetes positiv auf die Adh&auml;renz auswirkt. Es bedarf jedoch solider Evidenz, um diese Ans&auml;tze zu best&auml;tigen.<sup>4</sup></p> <h2>Evidenz</h2> <p>Metaanalysen<sup>5, 6</sup>, ein NICE-Report<sup>7</sup> und ein &auml;lterer Cochrane-Review<sup>8</sup> untermauern signifikante positive Ergebnisse einer strukturierten Diabetesschulung. <br />Anhand des &bdquo;D&uuml;sseldorfer Diabetes Treatment und Teaching&ldquo;-Programmes konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass eine strukturierte Diabetesschulung im Sinne einer intensivierten Insulintherapie signifikante Verbesserungen der Stoffwechseleinstellung mit sich bringt.<sup>9</sup> In dieser Studie aus Deutschland fanden sich bei Patienten mit Typ-1-Diabetes eine signifikante Verbesserung des HbA<sub>1c</sub>-Werts und eine deutlich niedrigere Inzidenz schwerer Hypoglyk&auml;mien nach der Schulung.<sup>9</sup> Diese m&uuml;ssen allerdings regelm&auml;&szlig;ig wiederholt werden, um die erw&uuml;nschten Therapieziele zu erhalten. <br />Wie wichtig diese Schulungs-assoziierten Verbesserungen der Stoffwechseleinstellung sind, wird durch die Ergebnisse der DCCT/EDIC-Studie aufgezeigt: F&uuml;r jeden Prozentpunkt, um den sich das mittlere HbA<sub>1c</sub> erh&ouml;ht, steigt das Risiko f&uuml;r Herzerkrankungen zwischen 31 und 42 % .<sup>10</sup> <br />Auch Disease-Management-Programme (DMP, &bdquo;Therapie Aktiv&ldquo;) sind in der Diabetesbetreuung effektiv und f&uuml;hren zur signifikanten Verbesserung der glyk&auml;mischen Kontrolle sowie des Blutdrucks.<sup>11</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass eine strukturierte, validierte Diabetesschulung wesentlich zum Therapieerfolg beitr&auml;gt. In den neuen Leitlinien werden klinisch relevante Schulungsmodelle angef&uuml;hrt und erl&auml;utert. Die Betreuung der steigenden Anzahl von Personen mit Diabetes und der damit verbundene h&ouml;here Schulungsbedarf sind eine sehr gro&szlig;e Herausforderung in den kommenden Jahren. Ma&szlig;nahmen zur Sicherstellung der hierf&uuml;r notwendigen Ressourcen &ndash; sowohl finanzieller als auch personeller Natur &ndash; m&uuml;ssen unmittelbar ergriffen werden, sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Spitalssetting<sup>1</sup>, um die Betreuungsqualit&auml;t aufrechterhalten bzw. verbessern zu k&ouml;nnen.</p> </div></p>
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