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Diabetesmanagement bei Leberzirrhose
Universitätsklinik für Innere Medizin I<br>Medizinische Universität Innsbruck<br>E-Mail:claudia.ress@i-med.ac.at
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Als zentrales Stoffwechselorgan mit Einfluss auf die Glukosehomöostase spielt die Leber eine zentrale Rolle im Glukosestoffwechsel. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Diabetes mellitus bei Patienten mit Leberzirrhose überproportional häufig auftritt. Einige Substanzklassen bieten hier Behandlungsoptionen – nichtsdestotrotz ist die Therapieentscheidung herausfordernd.
Keypoints
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Patienten mit Leberzirrhose haben ein erhöhtes Risiko, eine Glukosestoffwechselstörung zu entwickeln.
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Diabetes mellitus und Leberzirrhose beeinflussen sich in ihrem Verlauf gegenseitig.
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Viele antidiabetische Medikamente sind bei fortgeschrittener Leberinsuffizienz und bei akuter Dekompensation kontraindiziert, sodass häufig eine Insulintherapie notwendig wird.
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Einige antidiabetische Medikamente konnten in Studien auch positive Effekte auf die Leber erzielen – die Zukunft wird zeigen, ob sich hieraus neue therapeutische Möglichkeiten ergeben.
Diabetesmanagement bei Patienten mit Leberzirrhose stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Leber als zentrales Stoffwechselorgan hat weitreichenden Einfluss auf die Glukosehomöostase. Die Leber spielt sowohl bei der Speicherung von Energie in Form von Glykogen als auch bei der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Glukoseversorgung im Rahmen von Glykogenolyse und Glukoneogenese eine wichtige Rolle.1 Zusätzlich kommt der Leber eine zentrale Rolle in der Entwicklung einer Insulinresistenz zu.2 Dementsprechend kommt es auch bei hepatischen Pathologien zu Veränderungen im Glukosestoffwechsel. Diese Veränderungen umfassen sowohl hepatische als auch systemische Vorgänge. Neben dem Einfluss von hepatischen Veränderungen auf den Glukosestoffwechsel wirkt sich auch ein gestörter Glukosemetabolismus auf die Entwicklung einer Leberzirrhose aus, sodass sich Glukosemetabolismus und Lebererkrankung gegenseitig beeinflussen.
Diabetes mellitus und Leberzirrhose beeinflussen sich gegenseitig
Diabetes mellitus (DM) ist bei Patienten mit Leberzirrhose überproportional häufig. Schätzungen zufolge haben etwa 30% der Patienten mit Leberzirrhose einen manifesten Diabetes mellitus, im Gegensatz zu nur 8% in der generellen Bevölkerung.3 Wobei hier auch die Genese der Lebererkrankung eine Rolle zu spielen scheint. So wurde beobachtet, dass Patienten mit einer Hepatitis-C-Infektion und einer Alkohol-assoziierten Leberzirrhose häufiger einen Diabetes mellitus aufweisen als Patienten mit einer Leberzirrhose aufgrund einer biliären Genese. Mögliche andere Faktoren im Rahmen dieser Assoziationen sollten hier aber nicht außer Acht gelassen werden – Adipositas, Polytoxikomanie, Alkoholabusus, rezidivierende Pankreatitiden und nachfolgendes Insulinsekretionsversagen spielen hier eine wichtige Rolle.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Adipositas und Diabetes. Nachfolgende Veränderungen wie z.B. die Entwicklung einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung mit dem Potenzial zur Progression zu Steatohepatitis und Zirrhose2 spielen hier ebenfalls eine große Rolle und sind u.a. eine Ursache für den hohen Anteil an Patienten mit Leberzirrhose und gleichzeitig bestehendem metabolischem Syndrom. Es konnte aber auch in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass DM unabhängig von anderen Faktoren des metabolischen Syndroms negativ mit der Entwicklung einer Zirrhose assoziiert ist.4 In diesem Zusammenhang werden eine Aktivierung von „stellate cells“, die subklinische Inflammation im Rahmen eines Diabetes und eine verstärkte Leberzellapoptose in Zusammenhang mit einem gestörten Insulinsignaling als mögliche zugrundeliegende Pathomechanismen diskutiert.3 Abbildung1 zeigt einen Überblick über mögliche Effekte einer Glukosestoffwechselstörung auf die Entwicklung der Leberzirrhose und umgekehrt. Studien zeigten zusätzlich eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit DM und Leberzirrhose im Vergleich zu Patienten mit Leberzirrhose ohne DM – wobei hier auch das Stadium der Leberschädigung eine Rolle zu spielen scheint. Bei fortgeschrittener Lebererkrankung scheint der Einfluss der Glukosestoffwechselerkrankung keinen Einfluss mehr zu haben und die schwerwiegenden Folgen der Lebererkrankung stehen im Vordergrund.5

Abb. 1: Überblick über die möglichen zugrunde liegenden Ursachen der engen Verbindung zwischen Diabetes mellitus und Leberzirrhose (adaptiert nach 3, 6)
Therapieoptionen
Die Therapie des Diabetes mellitus bei Patienten mit Leberzirrhose stellt eine Herausforderung dar. In den letzten Jahren sind die Möglichkeiten für eine maßgeschneiderte antidiabetische Therapie immer vielfältiger geworden. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion ist die Auswahl aber leider noch immer sehr begrenzt und im fortgeschrittenen Stadium oder bei Dekompensation bleibt sehr häufig lediglich eine Therapie mittels Insulin.
Metformin
Metformin als First-Line-Therapie bei DM ist bei Leberinsuffizienz kontraindiziert und auch die „Sick day“-Regeln mit der Notwendigkeit des Absetzens bei Dekompensation sowie die häufig bei fortgeschrittener Leberzirrhose begleitend auftretende Niereninsuffizienz stellen Einschränkungen in der Verwendbarkeit von Metformin bei dieser Patientengruppe dar. Studiendaten deuten aber darauf hin, dass die Verwendung von Metformin auch bei Patienten mit Leberzirrhose sicher ist, wenn keine spezifischen Kontraindikationen vorliegen.7
Inkretinbasierte Therapien
Glucagon-like-Peptid-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) werden bis zu einer mittelschweren Leberinsuffizienz ohne Anpassung gegeben. Bei schwerer Leberinsuffizienz sind nur wenige Daten verfügbar und eine Verwendung einiger Präparate wird daher nicht empfohlen. Einschränkend kommt bei Verwendung dieser Substanzklasse hinzu, dass eine Verwendung bei Patienten mit Pankreatitis kontraindiziert ist und die Verwendung von GLP-1-RA mit einer Gewichtsreduktion assoziiert sein kann. Bei Patienten mit Leberzirrhose kann es aber mit fortschreitender Erkrankung zu einer Sarkopenie kommen, sodass der bei vielen anderen Patientenkollektiven erwünschte Effekt der Gewichtsreduktion hier ein Problem darstellen kann. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich eine Therapie mittels GLP-1-RA durchaus auch positiv auf leberspezifische Parameter auswirken kann. So wurde zum Beispiel von einer Reduktion der Leberfunktionsparameter sowie einer Reduktion im histologischen Grad der Steatose berichtet. Inwieweit diese positiven Effekte unabhängig vom erreichten Gewichtsverlust sind, bleibt aktuell noch offen.8 Dipeptidylpeptidase(DPP)-IV-Inhibitoren können bis zu einer mäßigen Einschränkung der Leberfunktion verwendet werden. Bei schwerer Leberfunktionseinschränkung liegen für die meisten Substanzen keine Daten vor und von der Verwendung wird abgeraten.
Pioglitazon
Studien mit Pioglitazon konnten in der Vergangenheit zeigen, dass die Verwendung dieser Substanzklasse mit positiven Effekten auf die Leber einhergeht. Es zeigte sich, dass eine Therapie mittels Pioglitazon mit einer Verbesserung des Fibrosegrades bei Patienten mit NASH führt und dass dieser Effekt auch bei Patienten ohne Glukosestoffwechselstörung zu beobachten ist.9,10 Eine Verwendung dieser Substanzklasse im klinischen Alltag ist aber leider aufgrund des Nebenwirkungsprofils und der Kontraindikation bei eingeschränkter Leberfunktion nur bedingt möglich.
„Sodium dependent glucose transporter-2“-Inhibitoren
„Sodium dependent glucose transporter-2“(SGLT2)-Inhibitoren führen zu einer vermehrten Glukoseausscheidung im Harn und Studien konnten in der Vergangenheit zeigen, dass sich die Verwendung dieser Substanzklasse positiv auf das kardiovaskuläre Risiko auswirkt. Bei stark eingeschränkter Leberfunktion sind aber die meisten Substanzen kontraindiziert und müssen daher abgesetzt werden. Bei der Verwendung von SGLT2-Inhibitoren spielen besonders die eingeschränkte Verwendbarkeit bei Niereninsuffizienz, die Notwendigkeit der Beachtung der „Sick day“-Regeln und die gesteigerte Gefahr für die Entwicklung einer sogenannten euglykämen Ketoazidose bei starkem Alkoholkonsum eine Rolle. In Studien konnte man beobachten, dass eine Verwendung von SGLT2-Inhibitoren durchaus auch positive Effekte auf die Leber haben kann. So zeigten sich zum Beispiel ein Rückgang der LFP und eine Reduktion der Steatose, wobei dies auch in Zusammenhang mit der begleitenden Gewichtsreduktion zu sehen sein könnte.11
Insulin
Im Rahmen der fortgeschrittenen Leberzirrhose oder bei Dekompensation stellt eine Insulintherapie häufig die einzige Möglichkeit zur effektiven Diabetestherapie dar. Neben der Hürde der subkutanen Applikation, welche für viele Patienten ein großes Problem darstellt, kommt es bei Patienten mit Leberzirrhose häufig zu stark wechselndem Insulinbedarf, was die Therapie zusätzlich erschwert. Bei kompensierter Leberzirrhose steht sehr häufig eine ausgeprägte Insulinresistenz mit hohem Insulinbedarf im Vordergrund. In der Dekompensation hingegen wird häufig eine starke Hypoglykämieneigung beobachtet, welche auf die gestörte Glukoneogenese und eine Reduktion der Insulin-Clearance zurückgeführt wird.6
Fazit
Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich Glukosestoffwechselstörung und Leberzirrhose gegenseitig beeinflussen und befeuern. Besonders in Anbetracht der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten und des teils wechselnden Insulinbedarfs stellt die Therapie des Diabetes mellitus bei Patienten mit Leberzirrhose eine Herausforderung für das ganze Behandlungsteam dar.
Literatur:
1 Roden M, Bernroider E: Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2003; 17(3): 365-83 2 Tilg H et al.: Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2017; 14(1): 32-42 3 Elkrief L et al.: Liver Int Off J Int Assoc Study Liver 2016; 36(7): 936-48 4 Adams LA et al.: Am J Gastroenterol 2009; 104(4): 861-7 5 Elkrief L et al.: Hepatology 2014; 60(3): 823-31 6 Letiexhe MR et al.: J Clin Endocrinol Metab 1993; 77(5): 1263-8 7 Zhang X et al.: Hepatol Baltim Md 2014; 60(6): 2008-16 8 Armstrong MJ et al.: Lancet Lond Engl 2016; 387(10019): 679-90 9 Bril F, Cusi K: Ann Intern Med 2017; 166(3): 230 10 Musso G et al.: Hepatol Baltim Md 2017; 65(3): 1058-61 11 Kuchay MS et al.: Diabetes Care 2018; 41(8): 1801-8