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Beantworten die kardiovaskulären Outcomesstudien unsere Fragen?

Seit 2008 werden von der Arzneimittelbehörde FDA kardiovaskuläre Outcomestudien, sogenannte CVOTs („cardiovascular outcome trials“), für glukosesenkende Medikamente bei Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus (T2D) gefordert, um die kardiovaskuläre Sicherheit zu untersuchen. Die Resultate der CVOTs haben Leitlinen und Behandlung revolutioniert.

Keypoints

  • Viele CVOTs konnten Ergebnisse in Bezug auf „major adverse cardiovascular events“ verbessern.

  • Die CVOTs wurden oft unterschiedlich konzipiert und untersuchten verschiedene Patientenkollektive.

  • Die Vergleichbarkeit der CVOTs ist dadurch schwierig und hat auch zu Zweifel und Kritik an Sicherheit und Effektivität geführt.

  • Real-World-Studien zu GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmern konnten die Daten der CVOTs nun bestätigen.

Seit der Forderung der FDA sind vor allem in den letzten Jahren zahlreiche CVOTs mit DPP-4-Hemmern, SGLT2-Hemmern und GLP-1-Rezeptoragonisten durchgeführt und präsentiert worden. Einige dieser Studien brachten im Vergleich zur Kontrollgruppe durchwegs positive Ergebnisse hinsichtlich schwerer kardialer Komplikationen, wie der kardiovaskulären Mortalität, des nicht tödlichenr Myokardinfarkts oder Schlaganfalls, aber auch hinsichtlich Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und sehr rezent auch hinsichtlich renaler Endpunkte. Doch nicht alle Studien konnten Verbesserungen in diesen Outcomes trotz Verbesserung der Glukoseparameter zeigen. Daher stellt sich die Frage, warum die Studien generell unterschiedliche Ergebnisse liefern und ob diese Studien vergleichbar sind beziehungsweise ob die positiven Ergebnisse der bisherigen Studien auch im klinischen Alltag beobachtet werden können.

Outcomestudien, Leitlinien und untersuchte Populationen

Seit 2013 werden Jahr um Jahr spannende Resultate der CVOTs mit DPP-4-Hemmern, GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmern auf internationalen und nationalen Kongressen präsentiert. Diese sind in der Abbildung 1 ersichtlich.1

Abb 1: Durchgeführte CVOTs von 2013 bis 2020 (nach Cefalu et al. 2018)1

Rezent wurde aufgrund der Ergebnisse der CVOTs die Empfehlung der ÖDG bezüglich glukosesenkender Therapie bei T2D überarbeitet.In Abbildung 2 sind die derzeitigen Empfehlungen abgebildet.2 Spezielle Risikogruppen sollen nun aufgrund evidenzbasierter Daten bevorzugt mit Präparaten mit Benefit in diesen Patientengruppen behandelt werden. Basierend auf den Daten der CVOTs stehen nun seit einigen Jahren viele Therapieoptionen, und dies auch für spezielle Risikogruppen, zur Verfügung.

Abb. 2: Behandlungsempfehlung bei T2DM (ÖDG-Leitlinien-Update 2021)2

Grundsätzlich ist das Problem einer jeden randomisiert kontrollierten Studie, dass selektionierte Patientengruppen in einem gut und regelmäßig kontrollierten Setting untersucht werden, womit aber eine allgemeine Generalisierbarkeit nur bedingt möglich ist. In der Zusammensetzung waren die Studienpopulationen der einzelnen CVOTs aber zum Teil deutlich unterschiedlich. Abbildung 3 gibt darüber einen guten Überblick.3

Abb. 3: Zusammensetzung der Studienpopulation in verschiedenen CVOTs (nach Giorgino F et al. 2020)3

Forderung der Arzneimittelbehörden und Folgen für das Studiendesign

Gefordert wurde von den Arzneimittelbehörden, die kardiovaskuläre Sicherheit an einem Patientenkollektiv mit T2D und hohem kardiovaskulären Risiko zu überprüfen. Dementsprechend wurde in vielen Studien ein hoher Anteil an Patienten mit T2D und einem bereits vorhergegegangenen kardiovaskulären Ereignis eingeschlossen, wohingegen einige Studien eine andere Herangehensweise versuchten und vermehrt Patienten mit T2D und weiteren Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse einschlossen. Alle Studien hatten natürlich als primäres Ziel, die kardiovaskuläre Sicherheit anhand des Auftretens eines kombinierten Endpunkts schwerer kardialer Komplikationen, „major adverse cardiovascular events“ (MACE), zu prüfen. Meist wurde ein 3-Punkt-MACE gewählt, der aus den Ereignissen kardial bedingter Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und nicht tödlicher Schlaganfall zusammengesetzt war. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung der Studienpopulationen (Abb. 3) sind auch die Endpunkte unterschiedlich zu bewerten.

Studien, die mehr Patienten mit T2D und kardiovaskulären Risikofaktoren inkludierten, verfolgten somit das Ziel der primären Prävention kardiovaskulärer Ereignisse, wohingegen Studien mit einem hohen Anteil an Patientinnen mit vorhergegangenen kardiovaskulären Ereignissen die sekundäre Prävention kardiovaskulärer Ereignisse beobachten konnten. Dementsprechend muss man auch hier eine Generalisierung der benefiziellen Effekte mit Hinsicht auf das Studiendesign in Relation stellen und beachten, dass die positiven Ergebnisse der meisten kardiovaskulären Endpunktstudien hinsichtlich der Gesamtmortalität, der kardiovaskulären Mortalität, renaler Endpunkte und der Hospitalisierung in Hochrisikogruppen mit oftmals vorhergegangenen kardiovaskulären Ereignissen überprüft wurden und in diesen Gruppen teilweise auch zu signifikant besseren Outcomes führten. Randomisiert kontrollierte Studien, die eher auf die Untersuchung der primären Prävention kardiovaskulärer Ereignisse setzten, konnten diese Ergebnisse oftmals nicht im gleichen Ausmaß zeigen.

Diskussion um die aus den Resultaten ableitbaren Konsequenzen

Eine rezente Publikation von Shimazawa und Ikeda 4 aus dem Jahr 2019 geht sogar so weit, zu behaupten, dass die meisten bisher publizierten CVOTs inkorrekt beurteilt wurden, da in der Behandlungsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant stärkere Reduktion des HbA1c beobachtet werden konnte, die in manchen Studien einen Unterschied bis zu 1% ausmachte. Laut Studienautoren beeinflusst dieses offensichtliche Missverhältnis in der Glukoseeinstellung die Evaluierung der glukosesenkenden Medikamente, die im Vergleich zu den Kontrollpräparaten zu positiv beurteilt werden könnten, und erhöht aufgrund der schlechteren Glukosekontrolle das Risiko für kardiovaskuläre Events in den Kontrollgruppen. Die Fehldeutung der Daten aus den CVOTs könnte daher zu einer inkorrekten Evaluation der Effektivität und des Sicherheitsprofils der Medikamente führen und dadurch auch die Gesundheit der Patienten gefährden.4

Eine Gegenreaktion auf diese Publikation ließ nicht lange auf sich warten: Die oben genannten Standpunkte wurden von McGuire et al.5 2021 entkräftet. Die schlechtere Glukoseeinstellung in der Kontrollgruppe wurde damit begründet, dass bei der Blutzuckereinstellung individualisiert vorgegangen wurde. Zudem ist HbA1c ein Surrogatparameter, der mit kardiovaskulären Ereignissen zwar in Zusammenhang steht, jedoch fehlt bisher der Beweis aus Studien, die zeigen können, dass eine Reduktion des HbA1c auch mit einer Reduktion von makrovaskulären Ereignissen korreliert. In einer Studie (EMPA-REG) wurde zudem in der statistischen Analyse auch eine Adjustierung hinsichtlich der HbA1c-Werte durchgeführt, was zu keiner relevanten Änderung der bekannten Studienergebnisse führte und den Schluss nahelegte, dass die unterschiedlichen Behandlungserfolge nicht die Erklärung für bessere Outcomes im Vergleich zur Kontrollgruppe sein könnten.

Real World: Große Register- und Kohortenstudien bestätigen CVOTs

Rezent sind größere Real-World-Studien mit Behandlungsdaten aus Registern publiziert worden. In einer großen italienischen Kohortenstudie von Baviera M. et al6 mit Daten aus der Lombardei und Apulien von 2010 bis 2018 konnten mit GLP-1-Rezeptoragonisten die Gesamtmortalität, das Auftreten von zerebrovaskulärem Tod und ischämischem Schlaganfall und pAVK, aber nicht die kardiovaskuläre Mortalität reduziert werden. Bei Verabreichung von SGLT2-Hemmern konnten die Gesamtmortalität sowie das Auftreten von zerebrovaskulärem Tod und Herzinsuffizienz reduziert werden. Skandinavische Daten, publiziert von Pasternak et al.,7 konnten für GLP-1-Rezeptoren eine Reduktion des renalen Endpunkts beruhend auf einer Reduktion des Risikos für Nierenersatztherapie und Hospitalisierung wegen renaler Events, aber nicht wegen Reduktion von Mortalität aufgrund renaler Ursachen feststellen und bei bereits chronischer Nierenfunktionseinschränkung eine signifikant stärkere Risikoreduktion zeigen.

Eine weitere multinationale Kohortenstudie von Heerspink et al.8 konnte auch für SGLT2-Hemmer einen signifikant positiven Effekt hinsichtlich der Reduktion renaler Events (Abfall der GFR um 50% und Nierenersatztherapie) zeigen.

Analysen,9 die sich mit der Effektivität von GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmern in verschiedenen Altersgruppen beschäftigten, konnten keine wesentlichen Unterschiede in der Effektivität und Sicherheit dieser Substanzklassen zeigen. In den Altersgruppen über 65 Jahre haben diese Präparate eine etwas bessere Risikoreduktion erzielt, da diese Gruppe vermehrt Risikofaktoren aufweist beziehungsweise bereits häufiger kardiovaskuläre Vorereignisse hatte. Bei den SGLT2-Hemmern war die Reduktion des Schlaganfalls in der Gruppe der über 65-jährigen Patienten signifikant stärker als in der Gruppe der unter 65-Jährigen, und auch bei der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz zeigt sich dieser Trend.

Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden in einer Analyse10 von placebo-kontrollierten Phase-III-Studien (RCTs) und Beobachtungsstudien mit MACE als primärem Outcome mit SGLT2-Hemmern entdeckt, in der sich ein Trend einer stärkeren Reduktion von MACE bei Frauen zeigt.

Eine weitere große amerikanische Studie11 mit Daten zu den Medikamentenverordnungen konnte zeigen, dass im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen eine Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse bei Männern und Frauen unter DPP-4-Hemmern, SGLT2-Hemmern und GLP-1-Rezeptoragonisten zu beobachten war, wobei bei den GLP-1-Rezeptoragonisten dieser Effekt bei den Frauen signifikant deutlicher ausgeprägt war. Hinsichtlich der Nebenwirkungen wurden in Bezug auf das Geschlecht keine wesentlichen Unterschiede festgestellt. Sie waren in allen oben genannten Substanzklassen signifikant geringer als bei Sulfonylharnstoffen.

Fazit

PraXiStiPP
Therapieeffekte sind bei älteren Patienten eventuell besser, weil mehr Risikofaktoren vorhanden sind. Frauen dürften von GLP-1-Rezeptorgonisten stärker profitieren als Männer.

Zahlreiche CVOTs haben in den letzten Jahren für Furore gesorgt und positive Ergebnisse hinsichtlich der Reduktion von „major adverse cardiac events“ verkündet. Die Studien haben zwar die gleichen Ziele verfolgt, jedoch sind sie oft unterschiedlich konzipiert und haben unterschiedliche Patientenkollektive, was eine Vergleichbarkeit und auch die Generalisierbarkeit erschwert und mitunter auch zu Zweifel und Kritik an der Sicherheit und Effektivität führt. Rezent konnten auch Real-World-Studien bei GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmern diese Daten replizieren. Auch im Alter sind die Effekte vorhanden und eventuell sogar besser ausgeprägt aufgrund der Zunahme von Risikofaktoren im Alter. Bei Frauen konnten GLP-1-Agonisten eine signifikant deutlichere Reduktion von kardiovaskulären Events als bei Männern erreichen, bei gleichem Nebenwirkungsprofil.

1 Cefalu WT et al.: Diabetes Care 2018; 41(3): 387-8 2 ÖDG-Leitlinien: Antihyperglykämische Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 – Update Jänner 2021 3 Giorgino F et al.: Diabetes Obes Metab 2020; 22(9): 1481-95 4 Shimazawa R, Ikeda MJ: J Pharm Policy Pract 2019; 12: 30 5 McGuire DK et al.: J Pharm and Pract 2021; 14(1): 35 6 Baviera M. et al.: Diabetes Obes Metab 2021; Feb 19. doi: 10.1111/dom.14361 7 Pasternak B et al.: Diabetes Care 2020; 43(6): 1326-35 8 Heerspink HJL et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8(1): 27-35 9 Karagiannis T et al.: Diabetes Res Clin Pract 2021; 174: 108737 10 Madan et al.: J Am Coll Cardiol 2020 Mar; 75(11_Suppl_1): 965 11 Raparelli V et al.: J Am Heart Assoc 2020; 9(1): e012940

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