
Ambulante Adipositastherapie: Versorgungslücke schließen
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Aufgrund steigender Zahlen werden Übergewicht und Adipositas zunehmend zu einer gesellschaftlichen Herausforderung. Es bedarf daher praxisnaher und alltagstauglicher Programme, um diesen Entwicklungen wirkungsvoll entgegenzutreten. Die Ergebnisse eines ambulanten, ärztlich betreuten Gewichtsreduktionsprogramms (Bodymed) zeigen einen vielversprechenden Ansatz.
Keypoints
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Die ambulante Adipositastherapie kann einen wichtigen Beitrag leisten, um Übergewicht und Adipositas erfolgreich zu begegnen.
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Mit dem Bodymed-Programm wird eine deutliche Gewichtsabnahme erzielt, die überwiegend über die Reduktion des Körperfetts erfolgt.
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Mit der Gewichtsabnahme ist eine deutliche Verbesserung der Stoffwechselparameter verbunden.
Der Anteil der Übergewichtigen und Adipösen in der Bevölkerung nimmt in Europa – und so auch in Österreich – stetig zu. Laut dem Adipositasreport 2022 der WHO sind in Österreich 54,3% der Erwachsenen übergewichtig, 20,1% von ihnen sind adipös.1
Von Übergewicht und insbesondere Adipositas Betroffeneleiden in hohem Ausmaß unter ihrer Erkrankung. Folge- und Begleiterkrankungen von Übergewicht und Adipositas erschweren die Situation zusätzlich und führen zudem zu einer zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems. Mit der steigenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas steigt auch die Prävalenzdieser Folge- und Begleiterkrankungen stetig.
Die Situation erfordert praxisnahe Programme, die Gewichtsreduktion nachhaltig unterstützen und gut in den Alltag einbinden. Aufgrund der zunehmenden Belastung durch Übergewicht und Adipositas in der Gesellschaftsind die Unterstützung und Anerkennung dieser Programme durch die Krankenversicherungen, beispielsweise im Bereich der „Integrierten Versorgung“, wünschenswert.
Bodymed-Programm
Das Bodymed-Programm ist ein ambulantes, ärztlich betreutes Schulungs- und Gewichtsreduktionsprogramm. In der S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas wird das Programm für die Gewichtsabnahme bei Adipositas GradI undII (BMI von 30,0 bis 39,9kg/m2) anerkannt.2 In Österreich wird das Programm seit mehr als 20 Jahren angeboten.
In Deutschland wird es bereits von vielen Krankenversicherungen im Rahmen der „Integrierten“ bzw. „Besonderen Versorgung“ anerkannt und unterstützt, sodass es einen wichtigen Beitrag im Bereich der Adipositastherapie leistet.
Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen den Erfolg
Eine großangelegte, multizentrische Erhebung, die im Rahmen der „Integrierten“ bzw. „Besonderen Versorgung“durchgeführt wurde, zeigt die Ergebnisse, die mit einer einjährigen Teilnahme am Bodymed-Programm erzielt wurden. Das betrachtete Kollektiv schloss 1590 adipöse Programmteilnehmende (69,5% Frauen, 30,5% Männer, BMI ≥30,0kg/m2)ein. Innerhalb eines Jahres hatten 64,3% (n=1023) der Teilnehmenden ihr Ausgangsgewicht um mindestens 5%, 35,7% (n=568) um mindestens 10%, 16,2% (n=258) um mindestens 15% und 6,5% (n=104) um mindestens 20% reduziert.3
Nach den Erfolgskriterien, die von verschiedenen Fachgesellschaften definiert wurden, um ambulante Adipositastherapieprogramme beurteilen und miteinander vergleichen zu können, soll mit diesen Programmen innerhalb eines Jahres bei mindestens 50% der Teilnehmenden ein Gewichtsverlust von zumindest 5% und bei mindestens 20% der Teilnehmenden von zumindest 10% erzielt werden.4
Wie die vorher genannten Daten zeigen, wurden diese Erfolgskriterien sowohl von der Gesamtgruppe als auch in den nach Frauen und Männern differenzierten Untergruppen deutlich erfüllt (Abb. 1).3,4 Anhand der Veränderungen des mittleren BMI im Zeitverlauf wird deutlich,dass innerhalb der ersten sechs Monate mit dem Gewichtsverlust einhergehend eine kontinuierliche Abnahme erzielt werden konnte (Abb. 2). Zu jedem Untersuchungszeitpunkt befanden sich die mittleren Werte hochsignifikant unter den Ausgangswerten.
Abb. 2: Kontinuierliche Abnahme des BMI in den ersten 6 Monaten nach ambulanter Adipositastherapie (Quelle: C. Becker)
Da Adipositas nicht nur durch ein Zuviel an Körpergewicht, sondern insbesondere aufgrund eines Übermaßes an Körperfett definiert wird,ist es wichtig, dass bei Adipositas der Gewichtsverlust überwiegend über die Abnahme des Körperfetts erfolgt.2 Wie auch in einer früheren Arbeit ersichtlich, waren 70% des Gewichtsverlusts in dieser Untersuchungsgruppe auf die Abnahme des Körperfetts zurückzuführen. Die Gewichtsanteile von Körperwasser sowie von stoffwechselaktiven Geweben (insbesondere Muskulatur) an der Gewichtsreduktion waren vergleichsweise gering.3,5,6
Auch der Stoffwechsel profitiert
Mit der Gewichtsabnahme geht, wie schon eine frühere Arbeit gezeigt hat, zusätzlich eine signifikante Verbesserung des Taillenumfangs sowie der Stoffwechselparameter einher.3,5,6Der Taillenumfang, der einen Hinweis auf das viszerale Körperfett gibt und in einem direkten Zusammenhang mit den kardiovaskulären Risikofaktoren steht,wurde sowohl in der Gesamtgruppe als auch bei Frauen und Männern getrennt betrachtet signifikant reduziert.2,3,5,6 Im betrachteten Studienkollektiv betrugen die mittleren Abnahmen 8,1cm (6,9%), 7,6cm (6,7%) und 9,2cm (7,4%).3,6 Auch die Blutfette, das Gesamt- und das LDL-Cholesterin sowie die Triglyzeride wurden signifikant gesenkt, während das gesundheitsförderliche HDL-Cholesterin signifikant gesteigert wurde.3,5,6
In den vergangenen Jahren ist die Leber und ihre Bedeutung für den Stoffwechsel, die Gesundheit und das Wohlbefinden in den Fokus gerückt – insbesondere im Zusammenhang mit der Fettleber. Um mit einfachen Mitteln zu erfassen, ob eine Fettleber vorliegt, hat sich der sogenannte „Fatty-Liver-Index“ (FLI) etabliert. Mit einem Algorithmus wird er basierend auf BMI, Taillenumfang, Triglyzeriden sowie Gamma-Glutamyltransferase (GGT) berechnet. Werte unter 30 schließen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fettleber aus, während Werte ≥60 auf das Bestehen einer Fettleber hinweisen.7 Im bereits vorgestellten Studienkollektiv konnte aufgrund der ambulanten Adipositastherapie der mittlere FLI (Ausgangswert 86,8) erfolgreich und signifikant auf 74,2 und damit um 14,5% gesenkt werden.6
Diabetes mellitus, Adipositas GradIII und Langzeitbetrachtung
Eine weitere wissenschaftliche Studie bestätigt die Anwendbarkeit des Bodymed-Programms bei Diabetes mellitus. Neben einer signifikanten Gewichtsabnahme von im Mittel 7,7kg (7,5%) innerhalb von 3 Monaten konnte die begleitende Diabetesmedikation reduziert und darüber eine Kostenersparnis generiert werden, wodurch die Krankenversicherungen entlastet werden könnten.8 Neben den S3-Leitlinienempfehlungen des Bodymed-Programms bei Adipositas GradI und II zeigen weitere Arbeiten dessen Anwendbarkeit auch für Personen mit Adipositas GradIII (BMI ≥40,0kg/m2) und führen auf, dass auch in diesem Gewichtsbereich eine deutliche Gewichtsabnahme erzielt werden kann.9,10 So hatten in einer Studiengruppe von 391 Programmteilnehmenden, die zu Beginn einen BMI ≥40,0kg/m2 aufwiesen, 77,2% ihr Ausgangsgewicht ein Jahr nach Programmbeginn um mindestens 5%, 52,7% um mindestens 10%, 31,2% um mindestens 15%, 17,9% um mindestens 20% und 9,7% um mindestens 25% reduziert.10 Das ambulante Adipositastherapieprogramm kann in einigen Fällen somit eine wirksame Alternative zur bariatrischen Behandlung bieten.9,10
Praxistipps
Im Bereich Adipositas sollte eine Gewichts-abnahme nur im Rahmen einer fachkundigen Beratung erfolgen. Zu einer erfolg-reichen Gewichtsabnahme gehört die Trias Änderung von Ernährung, Verhalten und Bewegung.Für den nachhaltigen Gewichtsverlust ist nicht nur eine Gewichtsabnahme wichtig, sondern auch, dass das reduzierte Gewicht auch langfristig gehalten werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde betrachtet, welche Erfolge durch die Teilnahme an dem Bodymed-Programm über einen Zeitraum von 5 Jahren erzielt werden konnten. Auch nach 5 Jahren profitierten 68,2% der Teilnehmenden von einem Gewichtsverlust, sodass sich das mittlere Körpergewicht auch nach 5 Jahren signifikant unter dem Ausgangswert befand.11
Fazit
Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass mit dem Bodymed-Programm eine deutliche und effektive Gewichtsabnahme erzielt werden kann, die überwiegend auf den Verlust von Körperfett zurückzuführen ist. Mit der Gewichtsabnahme ist eine signifikante Verbesserung der Stoffwechselparameter assoziiert. In allen Bereichen der Adipositas (Adipositas Grad I bis III) können deutliche Gewichtsabnahmen erzielt werden. Zusätzlich kann über einen Betrachtungszeitraum von 5 Jahren ein signifikanter Gewichtsverlust aufrechterhalten werden. Das Programm bietet somit beste Möglichkeiten im Bereich der Adipositastherapie und gute Voraussetzungen für das Angebot im Rahmen der„Integrierten Versorgung“.
Literatur:
1 WHO: WHO European Regional Obesity Report 2022. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/353747/9789289057738-engpdf?sequence=1&isAllowed=y ; zuletzt aufgerufen am 6.11.2023 2 Hauner H et al.: Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Prävention und Therapie der Adipositas. Adipositas 2014; 4(8): 179-221 3 Becker C, Walle H: Effektive Gewichtsreduktion bei Adipositas: Konservative Adipositastherapie – ärztlich betreut, medizinisch sinnvoll und krankenkassenfinanziert. Adipositas 2022; 16(3): 182 4 Hauner H et al.: Qualitätskriterien für ambulante Adipositasprogramme. Eine gemeinsame Initiative der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin, Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Adipositas 2000; 10(19): 5-8 5 Becker C, Walle H: Ärztlich betreut, ambulant gegen Adipositas. Aktuel Ernahrungsmed 2014; 39(4): 256-69 6 Becker C, Walle H: Krankenkassenfinanzierte Adipositastherapie – effektiv und praxisnah. Aktuel Ernahrungsmed 2023; 48(5): 349-61 7 Bedogni G et al.: The Fatty Liver Index: a simple and accurate predictor of hepatic steatosis in the general population. BMC Gastroenterol 2006; 6: 33 8 Walle H, Becker C: Übergewicht und Typ-2-Diabetes mellitus: Ergebnisse eines ärztlich betreuten, ambulanten Gewichtsreduktionsprogramms bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus. Adipositas 2010; 4(3): 149-54 9 Becker C, Walle H: Ärztlich betreute, ambulante Adipositastherapie auch bei Adipositas Grad III medizinisch sinnvoll. Adipositas 2016; 10: A16 10 Becker C, Walle H: Was kann die ambulante Adipositastherapie bei einem BMI ≥ 40,0 kg/m² leisten? Aktuel Ernahrungsmed 2020; 45(3): 232 11 Becker C, Walle H: 5-Jahres-Ergebnisse eines ambulanten, ärztlich betreuten Adipositastherapieprogramms. Aktuel Ernahrungsmed 2020; 45(3): 161-71
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