
„Ein wichtiges Projekt ist die bedingungslose Unterstützung des HPV-Impfprogrammes“
Unser Gesprächspartner:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Burian
Abteilungsleitung HNO, Kopf- und Halschirurgie, Ordensklinikum Linz
Barmherzige Schwestern
Präsident der Österreichischen Krebshilfe Oberösterreich
E-Mail: martin.burian@ordensklinikum.at
Das Interview führte
Mag. Andrea Fallent
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Wir sprachen mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Burian, Abteilungsleitung HNO, Kopf- und Halschirurgie im Ordensklinikum Linz, über seine Ziele als Präsident der HNO-Gesellschaft, aktuelle Forschungsschwerpunkte und dringende gesundheitspolitische Maßnahmen.
Seit 2011 leitet Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Burian die Abteilung HNO, Kopf- und Halschirurgie im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern mit einem Schwerpunkt auf Tumoren im Kopf-Hals-Bereich. Er ist nicht nur amtierender Präsident der Österreichischen HNO-Gesellschaft, sondern seit 2022 auch Präsident der Österreichischen Krebshilfe Oberösterreich und setzt sich seit Jahren u.a. für eine höhere Durchimpfungsrate gegen HPV ein. Im Interview mit JATROS Pneumologie & HNO spricht Burian über die Vielfalt seines Fachbereichs, einige Highlights des kommenden HNO-Kongresses in Linz und die vorrangigen Anliegen der HNO-Gesellschaft.
Viele HNO-Ärzt:innen sagen, dass sie sich wegen der unglaublichen Bandbreite für das Fach entschieden haben. Wie war das bei Ihnen?
M. Burian: Ich glaube, das spielt bei allen, die in das HNO-Fach gehen, eine entscheidende Rolle. Letztlich war es bei mir ähnlich. Auf der einen Seite findet man medizinisch eine große Breite vor. Das beginnt bei der Mikrochirurgie des Ohres, geht über die Schädelbasis-Chirurgie und die endoskopische Chirurgie bis hin zur – unter Anführungszeichen –großen Chirurgie. Das ist die Tumorchirurgie, wo wir heute bei den ausgedehnten Operationen auch Gewebetransfers bzw. Lappenplastiken durchführen, um Defekte zu decken. Auf der anderen Seite ist es ein Fach, in dem Ärzt:innen sehr gut im Spital bleiben können, wenn sie das wollen, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit nützen können, in die Praxis zu gehen. Das heißt, diese Mischung aus vielerlei Optionen ist besonders interessant. Bei mir persönlich kam als Faktor hinzu, dass ich mehr als drei Jahre lang Assistent am Anatomischen Institut in Wien war und mich von der Forschungsseite her auch damals schon mit dem Gleichgewichtsorgan und letztlich auch dem Hörorgan beschäftigt habe. Prinzipiell infrage gekommen wären für mich auch die Fächer Orthopädie und Gynäkologie, ebenfalls chirurgische Fächer.
Im Bereich Nachwuchs herrscht in vielen Fachbereichen die Befürchtung vor, dass bald nicht mehr genug Fachärz-t:innen zur Verfügung stehen werden. Wie beurteilen Sie die Situation?
M. Burian: Also speziell für unsere Abteilung kann ich nur sagen, dass wir aus den genannten Gründen in der glücklichen Lage sind, mehrere Aspirant:innen für eine freie Stelle zur Verfügung zu haben. Ich glaube, dass es gerade in der HNO nicht so schnell zu einem Engpass kommen wird wie in speziellen Mangelfächern wie zum Beispiel der Radioonkologie oder der Pathologie.
Welche Forschungsprojekte stehen an Ihrer Abteilung im Fokus?
M. Burian: Wir haben eine relativ große Studienabteilung, die sich mit der Durchführung von internationalen, aber auch nationalen klinischen Studien beschäftigt. Dadurch haben wir den Vorteil, dass wir im Rahmen von Zulassungsstudien frühen Zugang zu neuen Therapieformen erhalten. Das fördert natürlich das entsprechende Wissen und erleichtert auch die Einschätzung, in welche Richtung die neuen Therapieoptionen gehen. Gerade in der Onkologie stellen die Immuntherapien eine spannende Entwicklung dar, die bei allen Krebsarten eingesetzt wird und auch einer der Schwerpunkte bei uns ist.
Was waren Ihrer Einschätzung nach die größten Meilensteine in der Forschung der vergangenen Jahre?
M. Burian: Ich denke da an die Molekularbiologie mit der Etablierung neuer Krebsmedikamente, in dem Fall in erster Linie Immuntherapeutika. Weiters ist die rasante Entwicklung von Hörimplantaten für Gehörlose und Gehörbeeinträchtigte innerhalb der letzten 20 Jahre zu nennen, an der Österreich einen nicht geringen Anteil hat. Auf dem chirurgischen Sektor selbst hat es – abgesehen von der Roboterchirurgie – nicht so viel Innovatives im Sinne eines Paradigmenwechsels gegeben. Natürlich werden Operationsmethoden weiterentwickelt, aber grundlegende Änderungen gab es kaum.
Welche Themen liegen Ihnen als amtierendem Präsidenten der Österreichischen HNO-Gesellschaft besonders am Herzen?
M. Burian: Ein wichtiges Projekt, das im Vorstand beschlossen wurde, ist die bedingungslose Unterstützung des HPV-Impfprogrammes. In diesem Jahr wird die Impfung noch bis zum 30. Lebensjahr kostenlos angeboten und ich glaube, es ist Aufgabe einer HNO-Gesellschaft, hier maximal an der Aufklärung mitzuwirken, um dadurch viele Menschen zur Impfung zu bewegen. Die Datenlage dazu ist eindeutig. Wir wissen aus den anderen Ländern, die bei der Impfquote weit vor uns sind, dass sich dadurch zumindest beim Gebärmutterhalskarzinom die Inzidenz deutlich senken lässt. In den USA und teilweise auch in Kanada ist mittlerweile nicht mehr das Zervixkarzinom die häufigste durch HPV verursachte Krebsart, sondern das Rachenkarzinom.
Das zweite Anliegen ist die Steigerung der Awareness für das Fachgebiet HNO in der Bevölkerung. Da dominieren bei der Frage, womit sich denn das Fachgebiet HNO beschäftigt, nach den HNO-Schwerpunkten nach wie vor meist nur Assoziationen zu Nasenbluten, Mittelohrentzündung, Schwerhörigkeit und vielleicht noch Nebenhöhlen- und Mandelentzündung. Es ist uns daher ein Anliegen, diesen Mindset in der Bevölkerung etwas zu ändern und die Vielschichtigkeit des Faches einem breiteren Publikum bewusst zu machen. Auch deswegen hat die Gesellschaft 2023 den Podcast „Im Ohr des Patienten“ ins Leben gerufen. Darin werden komplexe Themen einfach und verständlich von Expert:innen des Faches dargelegt. Im März 2025 wurde die 10. Episode dieser Serie aufgenommen, die Rückmeldungen dazu sind gut.
Der kommende österreichische HNO-Kongress im September in Linz steht unter dem Motto „Spitzenmedizin als Produkt von Wissenschaft und Grundversorgung“. Was dürfen die Teilnehmer:innen dort erwarten?
M. Burian: Wir legen Wert darauf, dass wir viele niedergelassene Kolle-g:innen erreichen, und wollen daher kein rein wissenschaftliches Kongressprogramm anbieten. Vor dem Hintergrund neuer, teils kostenintensiver Therapieformen, aber auch der Verknappung von Ressourcen kommt der engen Zusammenarbeit zwischen den Kolleg:innen in den HNO-Praxen und den HNO-Abteilungen an Universitäten und Spitälern große Bedeutung zu. Die Anforderungen und mögliche Spannungsfelder diesbezüglich werden daher auch Thema der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Primärversorgung und Spitalswesen – eine gelebte Symbiose?“ im Rahmen der Eröffnungszeremonie sein, zu der hochrangige Vertreter der Österreichischen Gesundheitskasse und der Spitalslandschaft eingeladen werden. Die weiteren Themenfelder des Kongresses umfassen sowohl Neuerungen in unserem Fachgebiet als auch Experteninformationen zu häufig gestellten Fragen in der HNO-Heilkunde. Interaktive Sitzungen werden die Möglichkeit bieten, die eigene Meinung mittels Votingsystem beizusteuern.
Gibt es Entwicklungen in der Medizin, die Sie mit Sorge verfolgen?
M. Burian: Sicherlich sehr akut und wahrscheinlich in Zukunft nicht so schnell lösbar ist der Pflegemangel. Er führt dazu, dass viele Prozesse umstrukturiert werden müssen. Dazu muss auch ehrlich gesagt werden, dass in manchen Bereichen durch diesen Engpass mit einem Qualitätsverlust zu rechnen ist. Wir können diese Masse an Patient:innen nicht mehr in adäquater Form versorgen. Und damit meine ich jetzt nicht allein die grundlegende medizinische Versorgung. Es ist in den letzten 50 Jahren klar geworden, dass der Mensch nicht nur aus der Physis, sondern auch aus der Psyche besteht, die ich als Arzt, der für das Gesamtindividuum zuständig ist, mitbehandeln muss. Dafür brauche ich Zeit. Zeit ist ein Qualitätsindikator, und sie wird immer weniger – das bereitet mir Sorge. Ich denke, wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen Ländern mit anderen Versicherungs- und Versorgungssituationen, in denen man nicht so einfach und niederschwellig an erstklassige medizinische Behandlung herankommt – es sei denn, man zahlt dafür privat. Wir müssen in der Ärzteschaft wie auch auf politischer Seite darauf achten, dass wir da nicht in ein Fahrwasser geraten, das die Qualität nur schlechter und schlechter macht. Das ist sicherlich eine sehr schwierige Aufgabe, das ist mir absolut bewusst. Aber ich glaube, dass man diese Weichen bald stellen sollte und nicht erst, wenn es fünf nach zwölf ist.
Wie könnte diese Weichenstellung aussehen?
M. Burian: Ich bin kein Ökonom, aber zwei Dinge habe ich nie ganz verstanden. Das eine ist die absolute Eigenständigkeit der neun Bundesländer in bestimmten Fragen der Gesundheitsversorgung. Ich finde, in einem Land, das neun Millionen Einwohner hat, könnte es schon so sein, dass man diesen Bereich in eine Hand gibt. Und das zweite sind diese zwei großen Finanzierungstöpfe, an denen so viel hängt – auf der einen Seite die Kassen und auf der anderen Seite der gesamte Spitalsbetrieb. Das anzugehen bzw. zu adaptieren, ist eine Mammutaufgabe und ich habe keine wirkliche Vorstellung, wie das im Detail gehen könnte. Aber ich finde, es sollte Leute geben, die hier Szenarien entwerfen können und die dann auch dafür verantwortlich sind, dass diese umgesetzt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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