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Biologika sind im dermatologischen Therapieplan unverzichtbar
Jatros
30
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22.11.2018
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<p class="article-intro">Mehr als 13 000 Teilnehmer aus über 100 Ländern reisten nach Paris, um das 27. Jahrestreffen der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV) zu besuchen. Dies war ein Besucherrekord. Innovative Substanzen zur Behandlung des atopischen Ekzems gehörten zu den diesjährigen Highlights.</p>
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<p class="article-content"><h2>Biologika halten Einzug in die AD-Therapie</h2> <p>Gerade Kinder und Jugendliche mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) können mit den derzeit zur Verfügung stehenden Medikamenten nicht adäquat versorgt werden oder sind auf eine langfristige Therapie mit Glukokortikoiden mit den bekannten Nebenwirkungen wie einer Hautatrophie angewiesen. Aus diesem Grund besteht bei ihnen nach Ausführung von Prof. Eric Simpson, Oregon Health and Science University, Portland (USA), ein besonders hoher Bedarf an medizinischen Neuentwicklungen. Für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer AD steht seit Kurzem der IL-4/IL-13-Blocker Dupilumab zur Verfügung, der diese beiden bei der AD-Pathogenese wesentlichen proinflammatorischen Zytokine hemmt. Am EADV wurde jetzt eine Studie vorgestellt, in der die Wirksamkeit dieses Antikörpers auch bei Jugendlichen mit mittelschwerer bis schwerer AD untersucht wurde. Hier zeigte sich: Die Wirkstärke ist sogar eher ausgeprägter als bei Erwachsenen.<sup>1</sup> <br />In die randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Parallelgruppenstudie wurden 251 Jugendliche im Alter von 12 bis <18 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer AD eingeschlossen, die durch topische Therapien unzureichend kontrolliert waren. Die Studienteilnehmer erhielten Dupilumab (alle zwei oder vier Wochen) oder Placebo. Primärer Studienendpunkt war der Prozentsatz an Jugendlichen, die nach Einschätzung der Prüfärzte eine nahezu oder eine vollständig abgeheilte Haut aufwiesen: Dies war bei 24,4 % der Patienten, die Dupilumab alle zwei Wochen, sowie bei 17,9 % der Jugendlichen, die Dupilumab alle vier Wochen erhielten, der Fall, im Vergleich zu 2,4 % in der Placebogruppe (jeweils p<0,001). Zudem erreichten 41,5 % (Dupilumab alle zwei Wochen) bzw. 38,1 % (Dupilumab alle vier Wochen) der behandelten Jugendlichen eine Verbesserung des Eczema Area and Severity Index (EASI) um 75 % verglichen mit nur 8,2 % in der Placebogruppe (je p<0,001 vs. Placebo). Nach Ausführung von Prof. Simpson wurde der EASI bei den Jugendlichen deutlicher gebessert als in den früher durchgeführten Erwachsenenstudien. Durch die Behandlung kam es auch zu einer raschen Linderung des Juckreizes, der die Patienten am meisten belastete. <br />In puncto Verträglichkeit gab es keinen Unterschied zu den bisherigen Erfahrungen bei Erwachsenen: Am häufigsten kam es bei der Behandlung mit Dupilumab zu einer Konjunktivitis und Reaktionen an der Einstichstelle.</p> <h2>Zweites AD-Biologikum in der Pipeline</h2> <p>Tralokinumab ist ein zweiter Antikörper in der Entwicklung zur Behandlung der AD, der spezifisch IL-13 bindet: Im Juni dieses Jahres wurde eine Phase-IIb-Studie veröffentlicht, in welcher der Antikörper erfolgreich die Symptome und den Juckreiz bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD bei akzeptablem Sicherheitsprofil linderte.<sup>2</sup> Im Rahmen dieser Studie erreichten 26,7 % der mit Tralokinumab behandelten Patienten (im Vergleich zu 11,8 % bei Therapie mit Placebo) eine fast vollständige oder vollständige Abheilung der Hautekzeme nach Einschätzung des Prüfarztes. Mit Daten von 52 erwachsenen Patienten aus dieser Studie wurde jetzt eine Analyse der gesundheitsbezogenen Lebensqualität durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden beim EADV vorgestellt.<sup>3</sup> In dem standardisierten Fragebogen wurden nicht nur gesundheitsbezogene, sondern auch physische und mentale Aspekte erfasst. Die mit dem Antikörper behandelten Patienten zeigten an Woche 12 in nahezu allen Aspekten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserungen im Vergleich zu Placebopatienten. Außerdem wurden auch andere Bereiche wie z.B. „Vitalität“, „soziale“ sowie „körperliche Funktionsfähigkeit“ und „allgemeine Gesundheit“ positiv beeinflusst. Nach Ansicht der Prüfärzte zeigt diese Auswertung, dass Tralokinumab in der Lage ist, die Krankheitslast bei schwerer AD nachhaltig zu senken. Phase-III-Studien mit dieser neuen Behandlungsoption laufen derzeit.</p> <h2>Innovatives auch bei der topischen Behandlung</h2> <p>Nicht nur bei den systemischen Therapien, sondern auch bei topischen Behandlungen wurden interessante Daten vorge stellt, z.B. zum Januskinase(JAK)-Inhibitor Ruxolitinib. Die Rationale für den Einsatz von JAK-Inhibitoren zur Therapie der AD besteht darin, dass zahlreiche inflammatorische Hauterkrankungen von löslichen Entzündungsmediatoren vorangetrieben werden, die auf dem JAK-Signalweg beruhen.<sup>4</sup> Zudem modulieren sie auch IL-4 und IL-13. <br />Offensichtlich wirken JAK-Inhibitoren in einer Cremezubereitung: Dies zeigte eine Studie, die von Prof. Brian Kim, Washington University School of Medicine in St. Louis (USA), vorgestellt wurde.<sup>5</sup> <br />In diese Untersuchung wurden 307 erwachsene Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD eingeschlossen und zweimal täglich mit Ruxolitinib-haltigen Cremes behandelt. Bei Studienteilnehmern, die die höchste Konzentration (1,5 % ) erhielten, verbesserte sich nach einer Behandlungszeit von vier Wochen der EASI um 71,6 % im Vergleich zu einer 15,5 % igen Verbesserung bei Teilnehmern, die eine wirkstofffreie Creme auftrugen. Alle vier Dosierungen der Ruxolitinib- Creme übertrafen signifikant die Vehikelkontrolle. Mit der JAK-Inhibitor-Creme in der höchsten Dosis wurden sogar zumindest numerisch bessere Ergebnisse im Vergleich zu einer Behandlung mit topischem Triamcinolon (0,1 % zweimal täglich) erreicht (Abb. 1). „Besonders bemerkenswert ist, dass der Juckreiz in allen Dosierungen rasch und stark reduziert wurde“, erklärte Prof. Kim. Erste Effekte zeichneten sich bereits nach einer Behandlungsdauer von nur einem Tag ab. Diesbezüglich war die Ruxolitinib-Creme auch dem Steroid überlegen. Die Anwendung der JAK-Inhibitor-Creme verursachte keinerlei signifikante Nebenwirkungen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1804_Weblinks_s28_abb1.jpg" alt="" width="1469" height="1369" /></p> <h2>IL-17-Blockade: auch bei Hidradenitis suppurativa aktiv?</h2> <p>Der IL-17-Blocker Secukinumab, der für die Behandlung der Psoriasis und Psoriasisarthritis zugelassen ist, zeigte sich in einer ersten Pilotstudie bei Hidradenitis suppurativa (HS) aktiv.<sup>6</sup> Die Substanz wurde in dieser Indikation untersucht, weil HS-Patienten erhöhte Konzentrationen an IL-17 in Haut und Serum aufweisen. <br />An der offenen Studie nahmen 18 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer HS teil. In den ersten vier Wochen wurden sie wöchentlich mit 300mg Secukinumab behandelt, dann setzten sie diese Therapie entweder alle zwei (Q2) oder vier (Q4) Wochen bis Woche 24 fort. Der primäre Endpunkt „klinisches Ansprechen“ war definiert als Fehlen einer Zunahme an drainierenden Fisteln oder Abszessen und als eine 50 % ige Abnahme entzündlicher Knötchen vom Ausgangswert. Darüber hinaus wurden Änderungen des Dermatology Quality of Life Index (DLQI) erhoben. <br />Eine beim EADV vorgestellte Zwischenanalyse zeigte, dass 78 % der Patienten ein klinisches Ansprechen in einer durchschnittlichen Zeit von 7 Wochen zeigten. Bemerkenswerterweise erreichten 83 % der Patienten den primären Endpunkt. Auch die Lebensqualität verbesserte sich, wobei die Hälfte der Patienten eine Abnahme von ≥5 Punkten erreichte. Diese positiven Ergebnisse wurden erreicht, obwohl eine frühere Behandlung mit TNF-Inhibitoren versagt hatte. Im Allgemeinen wurde das Medikament in beiden Dosierungsschemata gut vertragen. Es traten keine Fälle von entzündlichen Darmerkrankungen auf. Trotz der geringen Patientenzahl schlussfolgern die Autoren, dass Secukinumab als sehr vielversprechend für HS angesehen werden kann. Die Ergebnisse sollten jetzt in einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) überprüft werden.</p> <h2>Psoriasis: Zahnausfall droht</h2> <p>Neues wurde auch zum Thema Komorbidität bei Psoriasis vorgestellt: Patienten mit Psoriasis haben ein erschreckend hohes Risiko für eine Parodontitis und sollten daher dazu aufgefordert werden, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt vornehmen zu lassen.<sup>7</sup> Die Parodontitis ist gekennzeichnet durch die Bildung von Zahnfleischtaschen, eine Rückbildung des Zahnfleisches mit Entzündungsvorgängen sowie letztlich den Verlust von Knochensubstanz. Als chronische Parodontitis wurde in der Studie definiert, wenn bei einem Patienten an mehr als zwei Stellen eine Sondierungstiefe von mehr als 5mm in den Zahnfleischtaschen bestand oder an mindestens zwei Stellen Taschentiefen von mindestens 4mm und zusätzlich im Röntgenbild ein Knochenverlust dokumentiert werden konnten. 40 Erwachsene mit Plaque-Psoriasis wurden mit der gleichen Anzahl von gesunden Kontrollen im selben Alter und mit demselben Geschlecht verglichen. <br />Bei 82,5 % der Psoriasispatienten bestand gleichzeitig eine schwere chronische Parodontitis, signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe (37,5 % ; p=0,001). Doch selbst wenn alle bekannten Risikofaktoren einbezogen wurden, blieb der Zusammenhang bestehen: Eine multivariate Analyse, in der verschiedene Risikofaktoren wie Diabetes, Alter, Rauchen und Adipositas einbezogen wurden, zeigte, dass Psoriasispatienten im Vergleich zu Kontrollen immer noch ein fast 22-fach höheres relatives Risiko für chronische Parodontitis aufwiesen. Interdisziplinäre Fortbildungen mit Teilnahme von Zahnärzten können diesbezüglich hilfreich sein.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 27. European Academy of Dermatology and Venerology Congress 2018, 12.–16. September 2018, Paris
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Simpson E et al.: Abstract Nr. D3T01.1L, 27. EADV, 12.–16. September 2018 <strong>2</strong> Wollenberg A et al.: J Allergy Clin Immunol 2018; June 12 [epub ahead of print] <strong>3</strong> Silverberg J et al.: Abstract Nr. P0281, 27. EADV, 12.–16. September 2018 <strong>4</strong> Damski W, King BA: J Am Acad Dermatol 2017; 76: 736-44 <strong>5</strong> Kim B et al.: Abstract Nr. FC03.01, 27. EADV, 12.– 16. September 2018 <strong>6</strong> Rosmarin D et al.: Abstract Nr. D3T01.1C, 27. EADV, 12.–16. September 2018 <strong>7</strong> Lopez Castillo V et al.: Abstract Nr. P1834, 27. EADV, 12.–16. September 2018</p>
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