
Der Krampfanfall
Autorinnen:
Dr. Marlies Prünner
Notärztin und Ärztin für Allgemeinmedizin
Ausbildung Fachärztin Anästhesie und Intensivmedizin
EINF-Team
Dr. Robert Czaher
Notarzt und Gründer der Eisenstädter Notfall Fortbildung (EINF), Leitung Barmherzige Brüder Simulationszentrum Eisenstadt (BBSZE)
E-Mail: info@einfachsimulieren.at
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In diesem Artikel möchten wir Ihnen einen Überblick über die richtige Vorgehensweise bei einem Krampfanfall geben, damit auch ohne endgültige Diagnose richtige Maßnahmen getroffen werden können.
Krampf ist nicht gleich Krampf!
Motorische Entäußerungen des Körpers, die ihren Ursprung im Gehirn finden, bezeichnet man als zerebrale Krampfanfälle. Wird ein Krampfanfall beobachtet oder wird manzu einem Krampfanfall alarmiert, sollte man mögliche Differenzialdiagnosen im Hinterkopf haben, wie zum Beispiel Hypoglykämie, konvulsive Synkope oder auch Herz-Kreislauf-Stillstand.
Vorsicht: Herz-Kreislauf-Stillstand
Krampfähnliche Bewegungen von kurzer Dauer treten häufig als Begleitzeichen eines Herz-Kreislauf-Stillstands auf. Ähnlich wie die Schnappatmung kann das kurze Krampfen das Erkennen des Kreislaufstillstandes erschweren, was den Beginn von Wiederbelebungsmaßnahmen verzögert. Führen Sie daher unbedingt einen Notfallcheck (sehen, hören, fühlen) durch. Bestehen keine Reaktion und keine Atmung, beginnen Sie mit der Herzdruckmassage (siehe unseren Artikel zur „kardiopulmonalen Reanimation“ in Ausgabe 3/2023 ).
Plötzlicher Krampfanfall – was nun?
Beobachtet man einen generalisierten Krampfanfall, kann es vorkommen, dass man im ersten Schreckmoment unsicher ist, was nun zu tun ist. „Ein Krampf muss so schnell wie möglich unterbrochen werden“ ist dabei häufig unser erster Gedanke. Dabei sind in den ersten Minuten vor allem Erste-Hilfe-Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung.
Erste-Hilfe-Maßnahmen
Schützen Sie als Erstes diekrampfende Person vor weiteren Verletzungen: Entfernen Sie Gegenstände aus der Umgebung und schützen Sie den Kopf.
Versuchen Sie keinesfalls, die Person festzuhalten oder Gegenstände wie z.B. einen Beißkeil in den Mund zu stecken. Sistiert der Krampf, führen Sie das ABCDE-Schema durch.
ABCDE-Schema
Die Person soll nach Sistieren des Krampfes nach ABCDE-Schema strukturiert untersucht werden. Hinweise auf zugrunde liegende Ursachen können so entdeckt werden (z.B. Herzrhythmusstörung, Hypoglykämie, Fieber etc.) (siehe unseren Artikel zum „ABCDE-Schema“ in Ausgabe 1/2023 ).
→ Wussten Sie, dass epileptische Anfälle in der Regel nicht länger als zwei Minuten andauern?
Wie sieht eigentlich ein generalisierter tonisch-klonischer Anfall aus?
Ein generalisierter Krampfanfall geht immer mit Bewusstseinsverlust einher. Zuerst tritt die meist einige Sekunden andauernde tonische Phase ein. Die Person streckt sich am gesamten Körper, es kann durch Apnoe zum Auftreten einer Zyanose kommen. In dieser Phase kann es auch ganz typisch zum Ausstoß eines Schreies kommen.
An die tonische schließt die klonische Phase an, in der der Körper repetitiv zu zucken beginnt. Die Frequenz dieser krampfenden Bewegungen nimmt schließlich allmählich ab, während die Amplitude zunimmt.
Nach dem generalisierten Krampfanfall folgt die postiktale Phase. Diese ist gekennzeichnet durch Somnolenz oder Unruhe und Desorientiertheit. Hypertonie und Tachykardie sind normale Begleiterscheinungen in der postiktalen Phase.
Anhaltender Krampf
Auch beim anhaltenden Krampf soll nach dem ABCDE-Schema vorgegangen werden.
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A: Öffnen Sie die Atemwege. Das kann vor allem in der tonischen Phase eines epileptischen Anfalls schwierig sein. Auch hier gilt: Führen Sie keine Gegenstände in der Art eines Beißkeils ein.
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B: Verabreichen Sie der Person Sauerstoff. Beginnen Sie mit 15L/min. Sobald eine Sättigung ableitbar ist, streben Sie eine Sättigung von über 95% an.
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C: Die Messung von Blutdruck und Puls kann bei krampfenden Patienten vor allem in der klonischen Phase schwer durchführbar und ungenau sein. In der Regel sind krampfende Personen hyperton und tachykard. Eine zuverlässige Messung soll nach Sistieren des Anfalls erfolgen.
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Das Legen eines intravenösen Zugangs als C-Maßnahme kann erschwert sein. Alternative Zugangswege zur Medikamentenapplikation wie z.B. die intranasale Verabreichung mittels MAD („mucosal atomisation device“) können hier angewendet werden (Abb. 1).
Dauert ein Krampfanfall länger als fünf Minuten, so ist von einem Status epilepticus auszugehen. Dieser sollte schnellstmöglich antiepileptisch behandelt werden.
Bei einem generalisierten Krampfanfall länger als 30 Minuten sind bleibende neuronale Schäden zu befürchten.
Medikamentöse Therapie des Status epilepticus
Therapie der Stufe I sind Benzodiazepine.
Dazu zählen Lorazepam (z.B. Temesta®), Clonazepam (z.B. Rivotril®), Midazolam (z.B. Dormicum®) und Diazepam (Gewacalm®, Stesolid®)
Bei etabliertem venösem Zugang sind folgende Dosierungen empfohlen:
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Lorazepam 0,1mg/kg KG i.v. (max. 4mg/Bolusgabe, ggf. 1x wiederholen)
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Clonazepam 0,015mg/kg KG i.v. (max. 1mg/Bolusgabe, ggf. 1x wiederholen)
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Midazolam 0,2mg/kg KG i.v. (max. 10mg/Bolusgabe > 40kg, ggf. 1x wiederholen)
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Diazepam 0,15–0,2mg/kg KG i.v. (max. 10mg/Bolusgabe, ggf. 1x wiederholen)
In der Präklinik hat sich Midazolam durchgesetzt. Es kann sowohl intravenös als auch intramuskulär, buccal, rektal und intranasal verabreicht werden. Der Einsatz von Lorazepam eignet sich präklinisch schlechter, da es kühl gelagert werden muss. Außerdem ist die intranasale Gabe aufgrund seiner hohen Viskosität eingeschränkt. Clonazepam konnte sich bisher in der Präklinik nicht durchsetzen, meist fehlt uns Anwendern die klinische Erfahrung. Bei Diazepamgabe muss die lange Halbwertszeit unbedingt berücksichtigt werden.
Als Medikament der Stufe II kann Levetiracetam i.v. (60mg/kg KG, max. 4500mg über 10 Minuten) angewendet werden.
→ Zusammenfassend ist festzustellen, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Benzodiazepinengibt. Im Alltag entscheidet die Praktikabilität.
Die intranasale Medikamentenverabreichung: „Are you MAD?“
Bei krampfenden Personen kann sich die Anlage eines venösen Zugangs als schwierig gestalten. Hier hat sich die intranasale Gabe von Medikamenten mittels MAD bewährt und wird mittlerweile auch in den Leitlinien empfohlen. Mithilfe einer Spritze geringen Volumens (1–2 ml) und des MAD-Aufsatzes können Medikamente in die Nase verabreicht werden, wo sie rasch über die Nasenschleimhaut aufgenommen werden.
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Wählen Sie das richtige Medikament: Die intranasaleBioverfügbarkeit von Midazolam liegt bei ca. 85%.
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Wählen Sie eine konzentrierte Medikamentenform: Midazolam 5mg/ml.
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Applizieren Sie maximal 1ml pro Nasenloch.
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Grundsätzlich gilt: Verteilen Sie das gewünschte Volumen immer zu gleichen Teilen auf beide Nasenlöcher.
Die richtige Applikationstechnik soll regelmäßig geübt werden.
Intranasale Therapieempfehlung beim Status epilepticus
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Erwachsene, Kinder >40kg: 10mg Midazolam intranasal
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Kinder <40kg: 0,2mg/kg KG
Damit können mindestens 80–90% der Krampfanfälle innerhalb von 10 Minuten unterbrochen werden. Führt die initiale Benzodiazepingabe nicht zum Erfolg, muss sie nach 5 Minuten wiederholt werden.
→ Für den sicheren Umgang mit Notfallmedikamenten nutzen Sie unbedingt Checklisten (siehe Abb. 2)!
Nach dem Sistieren des Krampfanfalles muss der Patient erneut nach dem ABCDE-Schema untersucht und behandelt werden.
Zusammenfassung
Nicht jeder Krampfanfall ist ein epileptischer Anfall. Denken Sie initial unbedingt auch an den Herz-Kreislauf-Stillstand. Sollten Sie einen Krampfanfall beobachten, setzen Sie Erste-Hilfe-Maßnahmen. Beurteilen Sie den krampfenden oder postiktalen Patienten strukturiert nach ABCDE-Schema und suchen Sie nach möglichen zugrunde liegenden Ursachen. Setzen Sie Maßnahmen nach dem ABCDE-Schema. Denken Sie an alternative Medikamentenapplikationswege wie z.B. die intranasale Verabreichung mittels MAD.
Wir wünschen EINFach viel Erfolg beim nächsten Einsatz!
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