Behandlung von HWI im Alter
Dr. Christine Höfling-Streitenfeld
Fachärztin für Urologie
Urologische Gemeinschaftspraxis
Würzburg
E-Mail: post@urologie-wuerzburg.de
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Chronisch rezidivierende Harnwegsinfekte (HWI) stellen im Alter eine bedeutende Herausforderung für die Praxis dar. Aufgrund altersbedingter Veränderungen des Harntrakts und eines häufig bestehenden Komorbiditätsspektrums erfordern diese Infekte eine individuelle und nachhaltige Behandlungsstrategie.
Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Infektionen im höheren Lebensalter. Während akute HWI meist gut behandelbar sind, stellen chronisch rezidivierende Infekte im Alter eine besondere Herausforderung dar. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter, wobei Frauen aufgrund anatomischer Gegebenheiten häufiger betroffen sind, bei Männern nimmt die Inzidenz ab dem 50. Lebensjahr aufgrund von Prostatavergrößerungen zu. Die Komplexität der Behandlung ergibt sich aus altersbedingten Veränderungen des Harntrakts, einer erhöhten Anfälligkeit für Komplikationen sowie einer Vielzahl von Begleiterkrankungen.
Pathophysiologie und Risikofaktoren im Alter
Im Alter verändern sich Schleimhäute, Blasenfunktion und Immunabwehr. Die Harnblasenmuskulatur wird weniger elastisch (Compliance) und die Restharnmenge kann steigen, was das Risiko für Infektionen erhöht. Zudem sind häufig Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Prostatavergrößerung oder Inkontinenz vorhanden, die die Infektanfälligkeit erhöhen. Als Infekttrigger sind besonders Glukosurie-fördernde Medikamente wie Empaglifozin und Dapaglifozin zu erwähnen. Die Symptome sind häufig anders als bei jungen Patienten. So können eine neu aufgetretene Inkontinenz, eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Fieber und Erbrechen oder auch das Auftreten eines akuten Harnverhaltes auf eine Harnwegsinfektion hindeuten. Abbildung 1 zeigt die wichtigsten altersbedingten Risikofaktoren.
Diagnostik
Die Diagnostik bei älteren Patient:innen sollte umfassend sein. Neben der Anamnese hinsichtlich rezidivierender Infekte, Inkontinenz und Dysurie sind Urinstatus, Urinkultur sowie eine Ultraschalluntersuchung des Harntrakts sinnvoll. Bei Verdacht auf zugrunde liegende anatomische oder funktionelle Ursachen können eine Zystoskopie oder auch eine urodynamische Untersuchung notwendig sein. Die Tabelle 1 zeigt den diagnostischen Algorithmus.
Tab. 1: Gestuftes Vorgehen bei Verdacht auf Harnwegsinfekt (HWI) bei geriatrischen Patienten (ohne Katheter) gemäß aktueller S3-Leitlinie Harnwegsinfektion
Therapeutische Ansätze
Akutbehandlung
Die initiale Behandlung erfolgt mit zielgerichteten Antibiotika basierend auf den Kulturbefunden und der regionalen Resistenzlage. Bei älteren Patienten ist eine kürzere Behandlungsdauer oft ausreichend, um Resistenzentwicklungen zu vermeiden, ohne die Wirksamkeit zu verhindern. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder anderen Begleiterkrankungen sollte die Dosierung entsprechend angepasst werden.
Präventive Maßnahmen
Neben der akuten Behandlung ist die Prävention von Rezidiven essenziell. Hierzu zählen:
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adäquate Flüssigkeitszufuhr: Eine ausreichende Hydratation fördert die Spülung des Harntrakts und reduziert die Bakterienkonzentration.
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lokale Östrogenisierung von Vagina und Vulva
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Beckenbodentraining: Besonders bei Inkontinenz kann gezieltes Training die Blasenfunktion verbessern und Infektionsrisiken reduzieren.
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stuhlregulierende Maßnahmen
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Vermeidung von Reizstoffen: Der Konsum von Kaffee, Alkohol, scharfen Gewürzen und künstlichen Süßstoffen sollte eingeschränkt werden.
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Behandlung zugrunde liegender Ursachen: Eine adäquate Behandlung von Prostatavergrößerung, Inkontinenz oder Diabetes kann die Rezidivrate senken.
Alternative Behandlungsmöglichkeiten mit D-Mannose, Cranberry-Präparaten oder Phytotherapeutika können erwogen werden.
Antibiotikaprophylaxe und Langzeitmanagement
In bestimmten Fällen kann eine Low-Dose-Prophylaxe sinnvoll sein. Laut Leitlinie eignen sich hier Trimethoprim, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Nitrofurantoin und Nitroxolin in niedriger Dosierung. Dabei sind die jeweiligen Kontraindikationen zu beachten. Um Resistenzentwicklungen zu vermeiden, ist eine enge Überwachung notwendig. Regelmäßige Kontrollen, Urinstatusbestimmung und Kulturuntersuchungen helfen, den Behandlungserfolg zu sichern und frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Gerade bei multimorbiden älteren Patienten ist eine interdisziplinäre Betreuung von Vorteil. Die Zusammenarbeit zwischen Urologen, Gynäkologen, Geriatern, Hausärzten und Pflegepersonal ermöglicht eine ganzheitliche Versorgung, die sowohl die Infekthäufigkeit als auch die Lebensqualität berücksichtigt.
Fazit
Die Behandlung chronisch rezidivierender HWI im Alter erfordert eine individuelle, ganzheitliche Herangehensweise. Altersbedingte Veränderungen, Begleiterkrankungen und die Gefahr der Antibiotikaresistenz machen eine sorgfältige Diagnostik, präventive Maßnahmen und interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich. Ziel ist es, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten und Rezidive nachhaltig zu reduzieren.
Literatur:
S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen (HWI); Stand April 2024
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