Häufige Infektionen richtig behandeln
MR Dr. Peter Sigmund
Arzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Geriatrie in Gamlitz
Lehrbeauftragter am Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Universität Graz
E-Mail: peter.sigmund@medunigraz.at
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Bei bakteriellen Ursachen einer Infektionserkrankung gilt es, so schnell wie möglich die adäquate Behandlung einzuleiten. Die gezielte Vorgehensweise bei Anamnese und klinischer Untersuchung bringt meist schon entscheidende Hinweise. Welche Faktoren dabei zu beachten sind und welche Antibiotikaklasse indiziert ist, erläutert dieser Beitrag anhand von häufigen Indikationen.
Patient:in mit Halsschmerzen – Tonsillopharyngitis1
Entscheidend ist die Abgrenzung der viel häufigeren Virusinfekte gegenüber einer Streptokokken-Infektion. In der Anamnese empfiehlt sich die Eingangsfrage: „Haben Sie auch Schnupfen und/oder Husten?“
Besteht zusätzlich ein Katarrh der oberen Atemwege (Rhinitis, Bronchitis), liegt eher ein Virusinfekt vor.
Bestehen Fieber? Krankheitsgefühl? Beeinträchtigung der Sprache? Schmerzen beim Schlucken? Diese Parameter können Hinweise für eine bakterielle Tonsillitis sein.
Eine Lymphknotenschwellung am Kieferwinkel spricht eher für bakterielle Tonsillitis,
Lymphknoten lateral des M. sternocleidomastoideus (Lnn. colli laterales) deuten eher auf einen Virusinfekt hin (EBV-Infektion?), dabei sollten die Palpation und die Sonografie der Milz erwogen werden (lymphotrope EBV-Infektion?). Ein Streptokokken-A-Antigen-/Rachenabstrich-Schnelltest kann hilfreich sein, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ergeben.
Als Erstlinientherapie der Tonsillopharyngitis steht das Schmalspektrum-PenicillinV zur Verfügung. Weiters eignet sich wegen der guten Gewebegängigkeit das Cephalosporin der 1. Generation Cefalexin. Zu vermeiden ist Aminopenicillin bei Tonsillopharyngitis! Im Falle einer Virusinfektion folgt häufig ein unerwünschtes, toxisches Arzneiexanthem, v.a. bei EBV-Infektion. Dieser Ausschlag tritt am Behandlungsende auf, wenn der/die Patient:in schon gesund wird, und stellt keine anaphylaktische Penicillinallergie dar.
Abb. 1: Mittel der 1. Wahl für die empirische Therapie bei gesicherter Indikation (modifiziert nach Sigmund P 2024)
Patient:in mit oberem Atemwegsinfekt – Rhinosinusitis2
Hinweise auf bakterielle Infektion sind Persistieren der Symptome >10 Tage, zunehmende Verschlechterung oder eine erneute Zunahme der Symptome (zweigipfliger Verlauf). Weil beim oberen und unteren Atemwegsinfekt auch gramnegative Erreger (Hämophilus inf., Moraxella etc.) zu erwarten sind, bedarf es hier Aminopenicillins – mit erweitertem Wirkspektrum.
Bedenke: Langwierigere kongestive obere Atemwegssymptome können auch (durch Virusinfektion getriggert) Ausdruck hypererger Rhinopathie sein – lokale, inhalative Kortikosteroide sind dabei oft hilfreich und können unwirksamen Antibiotikaeinsatz verhindern.
Patient:in mit Ohrenschmerzen – Otitis media3
Wichtig ist das sichere Erkennen eines infiltrierten, entdifferenzierten Trommelfells und damit die Kompetenz in der Otoskopie!
Bei Otitis media sind immer symptomatische Behandlung mit abschwellenden Nasentherapeutika, Analgetika und Antiphlogistika angezeigt. Als Mittel der 1.Wahl soll Amoxicillin jedenfalls bei Otorrhö, schweren Symptomen und/oder Fieber und bei bilateraler Otitis und Kindern unter 2 Jahren gegeben werden.
Patient:in mit Husten – Tracheobronchitis4
Da es sich in den häufigsten Fällen um Virusinfektionen handelt, ist oftmals eine symptomatische Therapie ausreichend. Zur Abgrenzung einer Bronchopneumonie können CRP-Bestimmung, SpO2 und Lungensonografie hilfreich sein.
Zusammenfassend gilt zur Therapie der oberen Atemwegsinfekte die Empfehlung:
Bei Tonsillopharyngitis das gegen grampositive Streptokokken wirksame Schmalspektrum-Penicillin V einsetzen. Bei allen anderen Infektionen ist das auch gegen gramnegative Keime wirksame Aminopenicillin/Amoxicillin zu empfehlen.
Zum Einsatz von Aminopenicillin plus ß-Laktamasehemmer – Breitspektrum Penicillinen: Amoxicillin/Clavulansäure oder Ampicillin/Sulbactam sollen immer dann eingesetzt werden, wenn Penicillinase-bildende Keime wahrscheinlich sind. Dadurch ergeben sich die klinischen Indikationen: bei schwerem Verlauf einer Infektion,
Rezidivinfektionen, Versagen des Erstlinienmedikaments und bei Hautinfiltraten (Staph. aureus).
Patient:in mit deutlichem Krankheitsgefühl und Husten – Verdacht auf Pneumonie5
Durch eine antibiotische Therapie sollen jedenfalls potenziell lebensgefährliche Pneumokokken getroffen werden, was durch deren hohe Empfindlichkeit auf Penicilline gut erzielt wird. Da auch ein breites antibiotisches Wirkspektrum anzustreben ist, ergibt sich die Therapieempfehlung von Amoxicillin plus ß-Laktamasehemmer.
Bei Verdacht auf atypische Erreger (Chlamydien, Mykoplasmen) bedarf es der Kombinationstherapie mit Makroliden, daran ist vor allem bei jüngeren Patient:innen zu denken.
Cave: Bei Pneumonieverdacht keine Monotherapie mit Makroliden! Die Makrolidresistenz bei Pneumokokken liegt bei ca. 20% und Makrolide besitzen generell keine ausreichende Wirksamkeit gegen Hämophilus influenzae.
Bei ambulant erworbener Pneumonie kann auch Doxycyclin/Tetrazyklin eingesetzt werden: Mögliche Vorteile ergeben sich aus der 1x täglichen Dosis und der Möglichkeit der 1x täglichen intravenösen Gabe von Vibravenös® (v.a. zum Therapiestart).
Bei exazerbierter COPD soll vorrangig eine Intensivierung der antiobstruktiven Therapie (inhalative und eventuell orale Kortisongabe) erfolgen, bei mittelschwerem bis schwerem Verlauf: zusätzliche Antibiotika-Gabe wie bei Pneumonie. Jedenfalls soll die stationäre Einweisung mittels klinischer Parameter erwogen werden: „CRB 65“: „confusion“ (Verwirrtheit), „respiratory rate“ (Atemfrequenz)>30/min, „blood pressure“ (systol. Blutdruck) <90mmHg, „age“ (Alter) ≥65.
Patient:in mit Brennen beim Harnlassen – Zystitis6
Nach sorgfältiger Diagnose eines Harnwegsinfekts mittels vollständigen Urinstatus sind entsprechend dem regionalen Resistenzprofil Pivmecillinam, Nitrofurantoin und Fosfomycin Mittel der 1.Wahl.
Patient:in mit aufsteigendem/kompliziertem Harnwegsinfekt – Pyelonephritis
Jeder klinische Verdacht auf eine Pyelonephritis erfordert eine Point-of-Care-Sonografie der Harnwege zum Erkennen einer interventionsbedürftigen Harnwegsobstruktion (Sepsisgefahr!), die dann unmittelbar die Zuweisung an eine urologische Klinik erfordert. Die antibiotische Behandlung unterscheidet sich von der Behandlung der unkomplizierten Zystitis durch die Notwendigkeit der Gabe von Cephalosporinen der 3. Generation Cefpodoxim oder Cefixim oder des Gyrasehemmers Levofloxacin, wenn nicht überhaupt eine stationäre Einweisung erwogen wird.
Patient:in mit Durchfall – Enteritis7
Bei kompliziertem Verlauf (>6 Stühle/Tag, blutiger Stuhl und Fieber, Krankheitsdauer >1 Woche, Immunsuppression): frühzeitig Keimnachweis (!)und empirische Therapie mit Azithromycin (trifft als häufigsten Keim Campylobacter).
Bei bereits erfolgter Antibiotika-Therapie in der Anamnese (Verdacht auf Clostridium difficile) und mittelschwerembis schwerem Verlauf: Keimnachweis (!) undfrühzeitige Metronidazol-Therapie.
Patient:in mit Hautinfektion
Die Diagnose des Erysipels ist klinisch zu stellen und als Streptokokken-Infektion mit Penicillin V/G zu behandeln.
Bei allen anderen infiltrativen/phlegmonösen Haut-Weichteil-Infektionen muss mit Penicillinase-bildenden Keimen (v.a. Staph.aureus) gerechnet werden. Deswegen sind Penicillinase-stabile Antibiotika notwendig:
Cephalexin, Flucloxacillin, Amoxicillin/Ampicillinplusß-Laktamasehemmer oder Clindamycin.
Bei allen chronischen Wunden, im Pflegeheim, nach kürzlichem Spitalsaufenthalt ist ein Keimnachweis durch Wundabstrich anzustreben und möglichst rasch ans bakteriologische Labor zu versenden. Zur Verhinderung der Selektion multiresistenter Erreger undClostridium-difficile-assoziierter Colitis sind
Cephalosporine der 3. Generation (Cefixim, Cefpodoxim, Ceftriaxon) und Chinolone zu vermeiden. Aber beiCefuroxim und Makroliden ist ebensoZurückhaltung geboten.8 Chinolone sollen nicht als Routine-Antibiotikum in der Grundversorgung verwendet werden.9 Sie sollen als Mittel der Reserve möglichst nur nach Keimnachweis eingesetzt werden!
Eine detaillierte, DFP-approbierte E-Learning-Version kann mit der ÖÄK-Nummer über diesen Link aufgerufen werden: https://learn.meindfp.at/evaluate/org/44238808/courses/view-event?item_id=64078835
Literatur:
1 DEGAM: Leitlinie Halsschmerzen 2021. 053-010k-S3_Halsschmerzen_2021-12_1.pdf (awmf.org); zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
2 DEGAM: Leitlinie Rhinosinusitis Kurzversion 2017. 2017_DEGAM_Leitlinie_Rhinosinusitis_Kurzversion.pdf; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
3 DEGAM: Leitlinie Ohrenschmerzen 2014. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-009; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
4 DEGAM: S3-Leitlinie Akuter und chronischer Husten 2021. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-013; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
5 S3-Leitlinie Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie 2021. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-020; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
6 S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen 2017, Kurzversion. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-044; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
7 Zollner-Schwetz I, Krause R: Therapy of acute gastroenteritis: role of antibiotics. Clin Microbiol Infect 2015; 21(8): 744-9
8 WHO: https://www.who.int/publications/i/item/2021-aware-classification; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
9 Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA): Summary of the EMA public hearing on quinolone and fluoroquinolone antibiotics, 2018. https://www.ema.europa.eu/en/documents/report/summary-ema-public-hearing-quinolone-fluoroquinolone-antibiotics_de.pdf; zuletzt aufgerufen am 12. 1. 2024
Weitere Literatur:
Arznei-&-Vernunft-Leitlinie: Antiinfektiva. Einsatz in Therapie und Prophylaxe; Stand 2018. https://www.aerztekammer.at/documents/261766/73896/Antiinfektiva_Leitlinie.pdf/8a7cc642-439e-5e23-ce24-c4e436065587 ; zuletzt aufgerufen am 12.1.2024
EbM-Guidelines Antibiotika. http://www.ebm-guidelines.at ; zuletzt aufgerufen am 12.1.2024
EbM-Guidelines Antibiotika. http://www.ebm-guidelines.at ; zuletzt aufgerufen am 12.1.2024
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