
Erster österreichischer E-Impfkongress
Pneumokokken: neue Impfstoffe in Sicht
Derzeit werden Kinder in Österreich mit einem 13-valenten Konjugatimpfstoff (PNC13) geimpft. Erwachsene ab dem 60. Lebensjahr sowie Personen jeglichen Alters mit erhöhtem Risiko sollten zunächst mit PNC13, dann ein Jahr später mit PPV23, dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff, geimpft werden. Menschen mit besonders hohem Risiko sollten mit PNC13 und schon acht Wochen später mit PPV23 geimpft werden. Dies sollte alle sechs Jahre wiederholt werden.
Neue Pneumokokkenimpfstoffe sind jedoch in Entwicklung, wie Dr. Markus Rupp, Global Medical Director der Firma MSD, in seinem Vortrag erklärte. Konkret sind dies zwei Konjugatimpfstoffe gegen 15 bzw. 20 Pneumokokken-Serotypen in Entwicklung. Ob diese Impfstoffe allein oder sequentiell mit PPV23 verabreicht werden sollen, ist derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher und regulatorischer Diskussionen.
Covid-19-Impfstoffe 1: mRNA-Vakzinen
„Eigentlich wird an mRNA-Impfstoffen schon lang geforscht“, berichtete
Dr. Marton Szell, Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin, Klinik Donaustadt, Wien. Neben der Instabilität der mRNA galt es jedoch zwei weitere Hürden zu überwinden:
Hürde Nr. 1: Wie kommt die mRNA in die Zelle? Dieses Problem wurde durch die Entwicklung von Lipid-Nanopartikeln gelöst, in die die Nukleinsäure eingepackt wird und die die Zellmembran relativ leicht durchdringen.
Hürde Nr. 2: Eine von außen in die Zelle gelangte RNA würde als fremd erkannt werden, die Zelle würde sich dagegen wehren. Um das zu vermeiden, wurde statt Uridin Pseudouridin (Ψ, der griechische Buchstabe Psi) verwendet. „Das führt dazu, dass höhere Dosen mRNA in die Zelle eindringen können, ohne dass es zu einer Abwehrreaktion kommt.“, so der Infektiologe.
An sich für onkologische Indikationen gedacht, konnte das mRNA-Prinzip für die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 rasch adaptiert werden.
Die Vorteile der mRNA-Vakzinen sind:
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rasche Entwicklung und Produktion sind möglich,
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auch die Adaptation (z.B. an die aktuelle Variante Omikron) geht technisch schnell,
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die Produktionskosten sind akzeptabel,
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die Impfungen enthalten keine Adjuvanzien und sind zu 100% vegan.
Derzeitige Nachteile sind die Notwendigkeit der Kühlung, die hohe Reaktogenität und das mancherorts noch fehlende Know-how.
Dennoch sind die mRNA-Impfstoffe aus der Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht wegzudenken. Derzeit in der EU zugelassen sind die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Moderna (Spikevax®).
Covid-19-Impfstoffe 2: Vektor-Vakzinen
„In der EU sind zur Zeit zwei Vektorimpfstoffe gegen SARS-CoV-2 zugelassen“, berichtete Univ.-Prof. Dr. Michael Kundi, Zentrum für Public Health, MedUni Wien. Dies sind einerseits Vaxzevria® von AstraZeneca, andererseits der Impfstoff von Janssen. Das Prinzip beider Impfstoffe besteht darin, dass ein Adenovirus als Vektor zum Einbringen von mRNA verwendet wird. „Es gibt aber mehrere andere Vektorimpfstoffe, z.B. aus Russland oder China, die in der EU nicht zugelassen sind; zahlreiche weitere Impfstoffe sind noch in der Pipeline“, so Kundi.
Die Vektorviren bringen ihre Nukleinsäure (in diesem Fall DNA) in die Körperzellen, sind jedoch selbst nicht vermehrungsfähig. Die DNA gelangt zwar in den Zellkern, verbleibt dort jedoch episomal, d.h., sie wird nicht in das menschliche Genom integriert. Durch Ablesung der DNA entsteht wiederum eine mRNA, aus der dann Spike-Protein gebildet wird. Dieser letzte Schritt läuft gleich wie bei den mRNA-Impfstoffen ab. In beiden Fällen wird Spike-Protein dann in den Extrazellulärraum abgegeben, von Antigen-präsentierenden Zellen aufgenommen und gelangt schließlich in die regionalen Lymphknoten, wo die humorale und zelluläre Immunantwort entsteht.
„Bei Vergleichen zwischen mRNA- und Vektorimpfstoffen muss man vorsichtig sein“, mahnte Kundi. „So waren die Schutzraten der mRNA-Impfstoffe in den Zulassungsstudien höher als jene der Vektorvakzinen. In Real-World-Studien war dies aber anders, hier schnitten die Vektorimpfstoffe teilweise sogar besser ab.“
Reise- und Pandemieimpfungen
„Es gibt gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Reise- und Pandemieimpfungen“, erläuterte Dr. Otfried Kistner, Senior-Konsulent und unabhängiger Impfstoffexperte. Die meisten Impfstoffe erfordern drei Immunisierungen, um das Immunsystem vollständig zu aktivieren. Für einen lebenslangen Schutz sind meist – abhängig vom Impfstoff und von Alter und Gesundheitszustand des Impflings – weitere Booster im Abstand von drei, zehn oder gar 20 Jahren erforderlich.
„Sowohl Reise- als auch Pandemieimpfungen werden in beschleunigten Impfschemata verabreicht, etwa zwei Impfungen im Abstand von 7 bis 28 Tagen oder auch nur eine einzige Impfung“, so Kistner. „Diese beschleunigten Schemata führen zu einem schnellen Schutz, was in der Pandemie ebenso wie bei Reisen vorteilhaft ist. Weitere Auffrischungen sind dann aber unumgänglich.“
Influenza: neuer Hochdosis-Impfstoff
„Unser neuer Grippe-Hochdosis-Impfstoff enthält im Vergleich zur Standarddosierung von Influenza-Totimpfstoffen eine vierfache Antigenmenge, nämlich pro Virusstamm 60µg anstatt 15µg“, berichtete Dr. Bettina Isnardy, Medizinische Leiterin des Impfbereichs bei Sanofi Pasteur. Daraus resultierte in einer randomisierten, kontrollierten Studie eine um 24% erhöhte Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit. Der Impfstoff wird für Personen ab 60 Jahren empfohlen.
Neuer Zoster-Impfstoff
„Nach dem 2006 zugelassenen Lebendimpfstoff gegen Herpes zoster, der gewisse Nachteile mit sich brachte – abnehmende Effektivität im höheren Alter, rasche Abnahme der Schutzwirkung über die Zeit –, ist nun ein Totimpfstoff zugelassen, der gut wirksam und verträglich ist“, so Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein, Traveldoc, Wien.
Es handelt sich um einen rekombinanten Subunit-Impfstoff, der ab dem 50. Lebensjahr zur Prophylaxe des Herpes zoster und der Zosterneuralgie zugelassen ist. Bei hohem Risiko kann laut europäischer Zulassung schon ein Einsatz ab 18 Jahren erfolgen. Die Impfung besteht aus zwei Dosen, die im Intervall von zwei bis sechs Monaten gegeben werden. „Die Effizienz dieser Vakzine liegt für alle Altersgruppen über 90%“, so Hollenstein.
Orale Medikamente gegen SARS-CoV-2
„Klar ist, dass Medikamente gegen SARS-CoV-2 die Impfung nicht ersetzen können und sollen“, betonte Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Infektiologe an der MedUni Wien und Präsident der ÖGIT. „Aber wir haben ja immunsupprimierte Patienten, die leider nicht geimpft werden dürfen, und für diese Gruppe sind solche Medikamente natürlich von Bedeutung.“
An Medikamenten stehen einerseits parenteral zu verabreichende monoklonale Antikörper, andererseits – demnächst – auch orale Präparate zur Verfügung. In letzterer Gruppe sind zwei Substanzen zu nennen, einerseits Molnupiravir, andererseits PF-07321332 in Kombination mit Ritonavir.
Molnupiravir wird im Körper in RNA-ähnliche Bausteine metabolisiert, die in das Virus eingebaut werden und dessen Vermehrung stören. PF-07321332 hemmt die Aktivität der 3CL-Protease von SARS-CoV-2, wobei Ritonavir den Abbau der Wirksubstanz verzögert. Beide Substanzen werden über einen Zeitraum von fünf Tagen verabreicht.
Ein Satz zum Off-Label-Use
„Ein Off-Label-Gebrauch von Medikamenten ist in Österreich nicht grundsätzlich verboten, sondern – unter Einhaltung spezieller gesetzlicher Vorgaben, wie etwa einer erhöhten Aufklärungspflicht – erlaubt. Er kann sogar geboten sein, und zwar dann, wenn gemäß dem Stand der Wissenschaft der medizinische Bedarf gegeben ist und anderweitig nicht gedeckt werden kann“, fasste Dr. Barbara Tucek, AGES, Wien, einen komplexen Sachverhalt zusammen.
Keuchhusten – unendliche Geschichte
„Man muss immer wieder betonen, dass Pertussis keine banale Kinderkrankheit ist und dass es gerade auch bei älteren Erwachsenen erhebliche Impflücken gibt“, betonte Priv.-Doz. Dr. Volker Strenger, MedUni Graz. Immerhin gibt es weltweit jedes Jahr 16 Millionen Erkrankungen und 200000 Todesfälle.
Die Erkrankung verläuft typischerweise in drei Phasen, dem Stadium catarrhale (Dauer 1–2 Wochen), dem Stadium convulsivum (4–6 Wochen) und dem Stadium decrementi (6–10 Wochen). Die Diagnostik hängt vom Stadium ab. Eine wichtige Untersuchung ist die PCR mit Material aus dem Nasopharynx. Die Therapie sollte frühzeitig erfolgen; eine späte Therapie dient nur der Verhinderung der Erregerausscheidung. Verwendet werden Makrolide oder Cotrimoxazol.
Als Prophylaxe ist natürlich die Impfung zu sehen, die regelmäßig, auch im Erwachsenenalter, geboostert werden sollte. „Man impft heute, unabhängig vom Intervall zur letzten Impfung, auch im dritten Schwangerschaftstrimenon, wodurch das Kind geschützt wird, bis es selbst geimpft werden kann“, so Strenger abschließend.
Andere Impfungen nicht vergessen
Einen sehr detaillierten Überblick über die Situation bezüglich der empfohlenen Impfungen und der Probleme, die sich daraus gerade in der Covid-19-Pandemie ergeben, gab Priv.-Doz. Dr. Maria Paulke-Korinek vom Gesundheitsministerium.
Wie auch in anderen medizinischen Bereichen besteht gerade auch beim Impfen die Befürchtung, dass es zu Defiziten durch die Pandemie kommt. So wurden etwa seit 2020 in Europa wieder verstärkt Masernfälle gemeldet. „Es sollte auch betont werden, dass Totimpfungen auch nach Kontakt mit SARS-CoV-2 dann verabreicht werden können, wenn Symptomfreiheit besteht bzw. eine vollständige Genesung erfolgt ist“, so Paulke-Korinek.
Fallstricke beim Impfen
„Geimpft werden soll in den Deltoideus oder – insbesondere bei kleineren Kindern – in den anterolateralen Oberschenkel, nicht aber in den Glutaeus“, betonte Hollenstein in einem zweiten Vortrag. Trotzdem in den Glutaeus verabreichte Impfungen sind aber gültig, mit Ausnahme von Hepatitis B, Rabies und HPV. Auf die richtige Nadeldicke ist zu achten. Es können in einer Sitzung so viele Impfungen (Lebend- und Totimpfungen) verabreicht werden, wie technisch möglich ist (die Depots sollen sich nicht vermischen). Ausnahmen sind die orale Typhusimpfung und die orale Choleraimpfung, wo ein Abstand von mindestens acht Stunden erforderlich ist. „Wenn man zwei Lebendimpfungen nicht gleichzeitig geben kann oder will, sollte ein Abstand von vier Wochen eingehalten werden“, so Hollenstein.
Covid-19-Impfstoffe heute und morgen
„Man kann mit Recht sagen, dass alle derzeit in Europa und den USA eingesetzten Impfstoffe einen guten Schutz bieten, vor allem gegen schwere Verläufe von Covid-19“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Impfexperte an der Icahn School of Medicine, New York.
„Im Detail betrachtet, wirken aber vermutlich die mRNA-Impfstoffe immer noch am besten. Vaxzevria® von AstraZeneca wirkt besser als der Janssen-Impfstoff und auch besser als das chinesische CoronaVac®“, so Krammer weiter. „Was die neue Omikron-Variante angeht, so wissen wir ganz einfach noch nicht genug; ich befürchte aber, dass sie uns noch erhebliche Probleme bereiten wird“, schloss Krammer. „Wenn sich Omikron gegen Delta durchsetzt, so wird man die Impfstoffe sicher anpassen müssen.“
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
Quelle:
1. Österreichischer E-Impfkongress am 4.12.2021
(einige der Vorträge sind auf infektiologie.co.at in der Mediathek abrufbar)
Literatur:
bei den Vortragenden
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