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Gesundheit und Forschung

Was die Impfung gegen Corona kann – und was nicht …

Berlin - Wie lange hält der Schutz der Coronaimpfungen an? Das ist derzeit die Gretchenfrage, die Experten anhand von Datenanalysen zu beantworten versuchen – auf Basis von einerseits steigenden Zahlen von Impfdurchbrüchen und andererseits zuverlässigen Fakten, wonach schwere Krankheitsverläufe durch die Impfung verhindert werden können.

Zunächst geht es darum, wie der Impfschutz definiert ist: In den Zulassungsstudien der Impfstoffe wurde vorrangig erfasst, wie gut sie vor einer Erkrankung schützten – also vor einer Infektion mit Symptomen wie etwa Husten, Fieber und Schnupfen. Dieser Wert bestimmt die angegebene Impfeffektivität. „Bei den mRNA-Vakzinen lag diese bei 94 bis 95 Prozent, bei dem Impfstoff von AstraZeneca je nach Impfabstand bei 60 bis 80 Prozent und bei Johnson & Johnson wurden 66 bis 67 Prozent festgestellt“, sagt Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund. „Der Schutz vor schwerer Erkrankung war noch besser, konnte in den Studien aber nie so genau angegeben werden, weil man damals zum Glück nur eine Handvoll schwere Fälle hatte“, ergänzt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Impfkampagnen liefern wichtige Daten

Durch die laufenden Impfkampagnen lässt sich die Effektivität nun auch abseits der Zulassungsstudien ablesen – damit sind differenziertere Aussagen zum Impfschutz möglich. So erklärt Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité: „Wie zu erwarten war, stellen wir fest, dass der Schutz gegen eine Infektion, auch gegen eine symptomatische Infektion, über die Zeit etwas nachlässt, wenn man die Gesamtbevölkerung betrachtet.“ Manche Untersuchungen legten nahe, dass schon sieben bis acht Wochen nach einer vollständigen Impfung ein abnehmender Schutzeffekt zu beobachten sei. Daten aus Großbritannien und Israel zeigen außerdem, dass der Impfschutz bei Älteren stärker schwindet. Weiters hat eine britische Studie, deren Ergebnisse als Preprint veröffentlicht wurden, ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, trotz Impfung zu erkranken, größer wird, je länger die Immunisierung zurückliegt. Ergänzende Zahlen lieferte jüngst eine Untersuchung der US-Gesundheitsbehörde CDC: Demnach sank die Wirksamkeit des Biontech-Präparats nach vier Monaten auf 77%, während Moderna mit einer Effektivität von 92% nahezu stabil blieb.

Dazu passen laut Watzl die Zahlen des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI) zu Impfdurchbrüchen: „Bei Moderna gibt es bisher am wenigsten Durchbruchsinfektionen, Biontech und AstraZeneca liegen gleichauf, wobei man noch berücksichtigen müsste, wer welches Vakzin bekommen hat – ob also die Jungen, Gesunden eher Moderna und die Älteren eher AstraZeneca oder Biontech erhalten haben.“ Am schlechtesten schneide das Vakzin von Johnson & Johnson ab, von dem allerdings bisher auch nur eine Dosis gegeben werde.

Schutz vor schwerer Erkrankung bleibt hoch

Der Schutz vor der Ansteckung mit Symptomen ist der eine Aspekt im Zusammenhang mit der Dauer des Impfschutzes. Ein anderer betrifft den Schutz vor einer schweren Erkrankung, die mit Hospitalisierung, Beatmung oder gar Tod einhergehen kann. „Dieser Schutz ist bei allen Impfstoffen nach einem halben Jahr noch fast genauso hoch wie zu Beginn“, betont Sander.

Eine Ausnahme würden ältere und immunsupprimierte Menschen darstellen. Deswegen werde diesen Personen jetzt auch ein Angebot für die dritte Impfung gemacht. Tatsächlich veröffentlichte die Ständige Impfkommission (Stiko) kürzlich eine Empfehlung, wonach Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine Auffrischungsimpfung bekommen sollten. Für Ältere gilt diese Empfehlung noch nicht – sie können sich aber nach ärztlicher Beratung boostern lassen.

Warum der Impfschutz nachlässt

Warum der Impfschutz überhaupt nachlässt, erklärt Sander damit, dass seine Dauer und Stärke sowohl von individuellen Faktoren als auch der Art der Impfung und des Erregers beeinflusst werden: „SARS-CoV-2 ist ein sehr ansteckender Erreger, der die Atemwege infiziert, sich dort repliziert und direkt weitergegeben werden kann. Deswegen ist es sehr viel schwieriger, dagegen einen kompletten Immunschutz aufzubauen als gegen andere Erreger, die erst einmal durch den Blutstrom müssen.“

Dass eine Impfung gegen Corona in Zukunft jedes Jahr – ähnlich wie beim Grippevirus – nötig sein wird, glaubt der Experte nicht: „Das Grippevirus ist sehr variabel und baut sich jedes Jahr neu zusammen, sodass der Impfschutz vom letzten Jahr nicht mehr wirken kann.“ Coronaviren seien dazu nicht fähig: Sie mutierten zwar und tauschten einzelne Bausteine aus, was die Antikörper-Antwort schwächen könne. Eine dritte Impfung würde aber einen lang anhaltenden Schutz aufbauen. (ag/red)

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